Deutsch-jüdische Verflechtungen

geschrieben von Bernd Hüttner

6. Mai 2025

Ein neuer Band dokumentiert eine Tagung des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden

Durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion hat sich die Zusammensetzung der jüdischen Communities in Deutschland fundamental verändert. 2020 lebten hierzulande mehr als 275.000 Personen, die mindestens einen jüdischen Großelternteil, und davon 118.000, die nach orthodoxer Interpretation jüdischen Status hatten, von diesen wiederum waren knapp 94.000 Mitglied in den gut hundert Gemeinden (S. 174). Zudem leben heute geschätzt 20.000 Israelis in Deutschland, zwei Drittel davon in Berlin. Zum Vergleich: Ende der 1980er-Jahre lebten in Westdeutschland ungefähr 28.000 Jüdinnen sowie Juden in den überalterten Gemeinden, und in der DDR waren es nur noch wenige Hundert. Diejenigen, die in der frühen BRD jüdisches Leben wiederbegründet hatten, waren meist Displaced Persons gewesen oder deren Nachkommen.

Diese Entwicklung hat eine neue Diversität erzeugt, was jüdische Religion, Kultur und Selbstverständnis angeht. Sie hat immense Bedeutung für die Sichtbarkeit jüdischen Lebens ebenso wie für die Erinnerungsgemeinschaften und -politik. Es gibt eben nicht die eine, homogene deutsch-jüdische Geschichte, sondern komplexe Muster und Verflechtungen. Deutsch-jüdische Verflechtungen weiterlesen »

Latte hoch gelegt

geschrieben von Axel Holz

6. Mai 2025

Sich gegen Nazis zu stellen, erforderte Mut: Zum Film »Bonhoeffer«

Die US-Kinoproduktion »Bonhoeffer« unter der Regie von Todd Komarnicki läuft seit Mitte März in den deutschen Kinos und sorgte für einige Diskussionen. Das liegt auch daran, dass es der Regisseur mit der historischen Wahrheit nicht ganz so genau nimmt und diese Abweichungen als künstlerische Freiheit verkauft. So weit, so schlecht. Wenn aber dabei herauskommt, dass Dietrich Bonhoeffer angeblich mit Churchill in Verbindung stand und an Attentatsplänen auf Hitler direkt beteiligt war, sorgt dies für mehr als Stirnenrunzeln.

Bonhoeffer kannte über Hans von Dohnanyi solche Attentatspläne, war aber nicht an deren Umsetzung beteiligt. Im Film wird Bonhoeffer zum Kriegsende von den Nazis hinter einer Scheune auf einem Feld erhängt. Tatsächlich fand die Hinrichtung am 9. April 1945 nackt im Konzentrationslager Flossenbürg statt, wie dies in der Verfilmung des Stoffs mit Ulrich Tukur aus dem Jahr 2000 gezeigt wird, ohne dabei die Würde des Opfers zu verletzen. Der aktuelle Film hat aber auch Stärken darin, wie das Ringen Bonhoeffers mit seinen Entscheidungen und seinem Glauben dargestellt und seine Zweifel und Schwächen vermittelt werden. Latte hoch gelegt weiterlesen »

Unbedingter Drang

geschrieben von Janka Kluge

6. Mai 2025

»Feuerdörfer«: Überlebende berichten über die Wehrmachtsverbrechen in Belarus

50 Jahre, nachdem das Buch »Feuerdörfer« in der Sowjetunion erschienen ist, hat der Aufbau Verlag eine deutsche Ausgabe herausgebracht. Das Buch wurde von den Literaturwissenschaftlern und Schriftstellern Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladsimir Kalesnik herausgegeben. Thomas Weiler bekam für die Übersetzung den Preis für die beste Übersetzung der Leipziger Buchmesse verliehen.

Der Titel steht für die Dörfer in Belarus, die von den Nazis niedergebrannt worden sind. Zuerst als sogenannte Strafaktionen bei Unterstützung von Partisanen, später als Teil der im Generalplan Ost vorgesehenen Vernichtung der slawischen Bevölkerung. Die drei Buchautoren waren selbst Überlebende des Holocaust und allesamt Partisanen. Die Slawistin und Kulturwissenschaftlerin Nina Weller beschreibt in einem Nachwort exklusiv für die deutsche Ausgabe, das als Vorwort sicher geeigneter gewesen wäre, ihre Motivation, für das Buch zu schreiben: »Alle drei verband die Erfahrung des Krieges und des Partisanenkampfs sowie der unbedingte Drang, die traumatisierenden Erinnerungen der belarussischen Zivilbevölkerung als Teil des kollektiven belarussischen Gedächtnisses in die sowjetische Literatur zu integrieren.« (S. 577) Unbedingter Drang weiterlesen »

Beginn der Organisierung

geschrieben von Peter Nowak

6. Mai 2025

Die Geschichte der spanischen Antifa in einem neuen Buch

Der Film »Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte« (siehe antifa-Ausgabe September/Oktober 2024) hat im vorigen Jahr viel Aufmerksamkeit erfahren. Zudem hat die Doku einen Anstoß für eine Beschäftigung mit der Geschichte der antifaschistischen Bewegung seit 1989 in Deutschland gegeben.

Miquel Ramos hat mit seinem Buch »Antifascistas« eine Geschichte der antifaschistischen Bewegung Spaniens von den frühen 1990er-Jahren bis heute vorgelegt, mit dem sich Vergleiche zum Film ziehen lassen. In Spanien ist das Buch schon vor einigen Jahren erschienen, jetzt hat der Bahoe-Verlag es in deutscher Sprache herausgebracht. Ramos war seit frühester Jugend in der antifaschistischen Bewegung Spaniens aktiv und befasst sich seit vielen Jahren auch als Wissenschaftler und Journalist intensiv mit der rechten Szene im Land.

Für sein Buch hat er auf Berichte, Bücher und Artikel von Freund*innen und Kolleg*innen zurückgegriffen, die oft eine ähnliche politische Sozialisation erfahren haben. Sie waren oder sind teils über eine lange Zeit antifaschistische Aktivist*innen oder auch Wissenschaftler*innen und Journalist*innen, manche auch Politiker*innen linker Parteien. Beginn der Organisierung weiterlesen »

Demokratieatlas

6. Mai 2025

Amadeu-Antonio-Stiftung veröffentlicht Leitfaden für Engagement gegen Rechts

Im Netz unter amadeu-antonio-stiftung.de

Im Netz unter amadeu-antonio-stiftung.de

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat im Januar 2025 ihren Demokratieatlas veröffentlicht – ein umfangreicher Leitfaden für Menschen, die sich gegen Rechts engagieren wollen. Der Titel täuscht allerdings etwas: Statt geografischer Karten erwartet Nutzer:innen vor allem ein interaktiver Zeitstrahl, der rechte Gewalt, Netzwerke von Akteuren und Strategien entlang aktueller Ereignisse aufzeigt. Ergänzt wird dies durch Dossiers zu Themen wie »Milieus«, »Taktiken« oder »Zivilgesellschaft stärken«, die zentrale Begriffe erklären und konkrete Handlungsmöglichkeiten vorstellen. Der Atlas richtet sich dabei nicht nur an Engagierte aus der Zivilgesellschaft, sondern explizit auch an Verwaltung, Politik und Bildung. Neu ist die zugängliche, modulare Aufbereitung: Der Atlas kombiniert aktuelle Analysen mit Praxisbeispielen und stellt sie in einer Form dar, die Einsteiger:innen wie Erfahrenen Orientierung bieten soll. Damit ist er weniger ein klassisches Nachschlagewerk als ein Werkzeugkasten für den antifaschistischen Alltag.​

(red)

Wirklich klares Bild

geschrieben von Kessy Traut

6. Mai 2025

Die MBR zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts in Gedenkstätten und Museen

Schon 2020 veröffentlichte die Berliner Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) ihre Broschüre »Nur Schnee von gestern? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts in Gedenkstätten und Museen« und griff damit ein Thema auf, welches aktueller nicht sein könnte. Auf 45 Seiten wird Lesenden ein Basiswissen über rechte Motive und Strategien bereitgestellt, um dann konkrete Handlungsmöglichkeiten für Gedenkstätten und Museen aufzuzeigen. Wirklich klares Bild weiterlesen »

Ohne Orientierung

geschrieben von Markus Roth

6. Mai 2025

Zum Film »Mit der Faust in die Welt schlagen«

Das Aufwachsen in der Lausitz der Nachwendezeit bis zum Sommer der Migration 2015 wird im Buch »Mit der Faust in die Welt schlagen« von Lukas Rietzschel aus dem Jahr 2018 einfühlsam und unplakativ beschrieben. Zwei Brüder in der Provinz Ostsachsens, die mit der Sprachlosigkeit der Erwachsenen, der Perspektivlosigkeit der Eltern, der kriselnden Weltlage (zwischen Oderhochwasser und islamistischem Terror), der Abwesenheit sozialer Institutionen und auf der anderen Seite dem prominenten Identitätsangebot des völkischen Nationalismus und den dazugehörigen Jugendbanden groß werden. Der Roman möchte explizit nicht erklären, warum sich so viele junge Leute in der ostdeutschen Provinz in der rassistischen Abwertung gegenüber Geflüchteten im sogenannten Wutbürger*innentum eingerichtet haben. Er bietet keine Orientierung, sondern beschreibt nur, wie es war und heute noch ist. Was wir verstehen: Es geht diesen Heranwachsenden nicht gut, und sie finden – ähnlich wie alle anderen in ihrer Umgebung – keine Worte dafür. Es gäbe auch niemanden, der ihnen zuhören würde. Also greifen sie zu Gewalt. Sozialpsychologisch treffend? Ohne Orientierung weiterlesen »

Tödlicher Frauenhass

geschrieben von Peps Gutsche

6. Mai 2025

Die Netflix-Serie »Adolescence« thematisiert die Incel-Bewegung und die Vorstellungen von Männlichkeit

Der Anfang der neuen Miniserie »Adolescence« (übersetzt: Adoleszenz, Jugendzeit) scheint wie jeder andere Krimi: Zwei Polizisten sitzen in ihrem Wagen und unterhalten sich, bevor sie zu einem Einsatz fahren. Von hier an erleben wir die Festnahme und das Verhör des 13jährigen Jamie Miller, der seine Mitschülerin Katie Leonard am Abend zuvor mit sieben Messerstichen getötet hat. Das Psychodrama geht der Frage auf den Grund, wie es dazu kommen konnte. Filmisch bemerkenswert an den vier jeweils knapp einstündigen Folgen ist, dass sie ohne Schnitte, also als »One-Take« gedreht wurden. Damit ist die Serie so absorbierend, wie es sonst auch Computerspiele sind, weil dadurch bei den Zuschauer_innen der Eindruck erweckt wird, die Protagonist_innen hautnah zu begleiten. Tödlicher Frauenhass weiterlesen »

Vielfältig, laut, bunt

6. Mai 2025

Die Plakat-Zeitung »Augen auf!« des Aktionsbündnisses Verlage gegen Rechts

Welche Möglichkeiten bestehen, um gegen Rechts zu protestieren und sich zu positionieren? Mit der Plakat-Zeitung »Augen auf!« ist im Januar das Publikationsdebüt des Aktionsbündnisses Verlage gegen Rechts erschienen.

Eindrucksvoll zeigt die Plakat-Zeitung die diversen gestalterischen und inhaltlichen Möglichkeiten, mit denen gegen Rechtsruck und Menschenfeindlichkeit protestiert werden kann. Sie enthält 30 Plakate, eine Anleitung zum Plakatieren und eine textliche Einordnung des Projekts »Plakate gegen Rechts«. Vielfältig, laut, bunt weiterlesen »

(Ge)wichtige Kontrastfolie

geschrieben von Harry Friebel

6. Mai 2025

Buch zu Thomas Manns demokratiepolitischen und antifaschistischen Aktivitäten

Ging Thomas Mann einen Weg vom kaisertreuen Nationalisten zum engagierten Demokraten? Ein neues Buch des Historikers Kai Sina von der Universität Münster geht dieser spannenden Frage nach. Der Autor beschreibt die demokratiepolitischen und antifaschistischen Gedanken, Schriften und Aktivitäten von Thomas Mann in einer bravourösen Lesart.

Kai Sina kennzeichnet Thomas Mann als demokratiepolitischen Aktivisten mit Hilfe von vier Kriterien: »… erstens, dass es einen konkreten Anlass für das politische Einschreiten gibt (im beispielhaften Fall die Reichstagswahl vom September 1930 mit dem alarmierenden Stimmenzuwachs der NSDAP); dass Thomas Mann zweitens auf einen für ihn ansonsten ungewöhnlich handfesten Ton, teils auf Polemik zurückgreift (etwa wenn er den Nationalsozialisten einen politischen ›Groteskstil mit Heilsarmee-Allüren, Massenkrampf, Budengeläut‹ bescheinigt); drittens auf der Grundlage einer klaren moralischen Unterscheidung argumentiert (eine Verletzung des ›Menschenanstands‹ erkennt er im politischen Rechtsruck) und dass er viertens zielgerichtet vorgeht, also wirksamen Einfluss auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung nehmen will (was ja bereits durch die Gattungsbezeichnung seiner Reden als ›Appell‹ deutlich gemacht wird).« (S. 18) (Ge)wichtige Kontrastfolie weiterlesen »

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