FIR im Kalten Krieg

geschrieben von Ulrich Schneider

4. Januar 2025

Studie über die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer

Mit dem Verschwinden der Zeitzeugen geraten die Verbände der Überlebenden der Lager und ihre internationalen Verbindungen zunehmend in den Fokus jüngerer Akademiker*innen. Auf der Suche nach »innovativen« Themen entdeckt man die Archivbestände der Verbände ehemaliger Verfolgter, die – oftmals ungeordnet – noch von keinem Wissenschaftler erschlossen wurden.

Die Überlebendenverbände, deren Archiv in eine gewisse Ordnung gebracht wird, profitieren davon. Die Wissenschaftler, die bislang unbearbeitetes Terrain betreten, müssen ebenfalls kein Risiko fürchten, dass jemand anderes ihr Thema ebenfalls bearbeitet. Es sind auch solche Gründe, die erklären können, warum gegenwärtig nicht nur zahlreiche Studien erscheinen, sondern auch internationale Konferenzen zum Thema stattfinden. Auffällig ist jedoch, dass solche Tagungen allein im akademischen Milieu stattfinden, die Überlebenden (soweit Zeitzeugen noch leben) oder die politischen Akteure, die sich in der Fortsetzung dieser Organisationsstrukturen um die Bewahrung des Vermächtnisses heute einbringen, werden dazu selten oder gar nicht eingeladen. FIR im Kalten Krieg weiterlesen »

Die eigentlichen 1945er

geschrieben von Thomas Willms

4. Januar 2025

Eine Tagung zur frühen Geschichte der VVN

Vor 20 Jahren arbeitete außer einigen Menschen in unserem eigenen Verband – allen voran natürlich Dr. Ulrich Schneider – niemand daran, die Geschichte unseres Verbandes zu erforschen. Auch die Lage unserer Archive war desolat. Das war zunächst Ausdruck unserer organisatorischen Schwäche, denn immer gab es Wichtigeres zu tun, als alte Papiere zu sortieren und zu erschließen. Zum anderen konnte man sich das in gewissem Sinne »leisten«, hatte man doch oft noch Zeitzeug*innen, die man gegebenenfalls schlicht fragen konnte. Ihr weitgehendes Ausscheiden gab wohl den letzten Impuls dazu, dass innerhalb der VVN-BdA und zwar unabhängig voneinander, zum Teil erstmalig vorhandene Unterlagen bearbeitet wurden.

Eine tragende Rolle spielten und spielen dabei häufig Mitglieder mit Familienbezug, aber auch engagierte und fachspezifisch ausgebildete jüngere Mitglieder. Gleichzeitig zu diesen internen Bemühungen setzte ein nach außen wenig sichtbarer Trend in der Geschichtswissenschaft ein. Nachwirkungen des NS-Regimes zu untersuchen und dabei nicht mehr nur Individuen, sondern auch organisatorische Zusammenhänge in den Blick zu nehmen – häufig mit internationalem Vergleich – wurde zu einem kleinen Trend, was nicht despektierlich gemeint ist. Unsere in den späten 1940er-/frühen 1950er-Jahren aktiven Kamerad*innen sind Teil der Zeitgeschichte geworden. Ihre geschichtswissenschaftliche Untersuchung ist deshalb naheliegend, ehrend und gut für uns. Die eigentlichen 1945er weiterlesen »

Neue Faschismusepoche?

geschrieben von Mathias Wörsching

4. Januar 2025

Über Unterschiede zwischen damals und heute

Die erneute Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat den globalen Trend zu autoritärer Formierung und Militarisierung, zu Umwelt- und Klimakatastrophe zementiert. Um zu beschreiben, was sich gegenwärtig vollzieht und der Menschheit in naher Zukunft wohl bevorsteht, benutzen immer mehr Menschen den Faschismusbegriff. Dabei sollten jedoch einige grundlegende Unterschiede zwischen der »Epoche des Faschismus« (Ernst Nolte) 1918–1945 und unserer Zeit im Auge behalten werden.

So fällt gleich auf: Heutzutage abwesend ist eine expandierende, selbstbewusste, organisierte, in proletarischen Massenbewegungen verankerte Linke, wie sie in der Zeit zwischen den Weltkriegen die Überwindung des Kapitalismus anstrebte. Die Linke vollständig und dauerhaft zu vernichten, und zwar sowohl ihren reformistischen als auch den revolutionären Flügel, war eins der Hauptanliegen der historischen Faschisten. Dies war ein zentraler Programmpunkt, der sie für großbürgerliche und adlige, militärische und bürokratische Herrschaftsgruppen als Bündnispartner interessant machte. Neue Faschismusepoche? weiterlesen »

Mit wachen Augen

geschrieben von Ernst Antoni

4. Januar 2025

Eine Graphic-Novel-Biografie über den Antifaschisten Ernst Grube

Das kürzlich erschienene großformatige Buch bringt inklusive seines massiven Covers über drei Pfund auf die Waage. Eine Graphic Novel mit Bildern und Texten der Künstlerin und Autorin Hannah Brinkmann. Wer das Buch aufschlägt, dem begegnen Seite für Seite Zeichnungen von Menschen, die mittels Sprechblasen kommunizieren. Ein Comic also – von beachtlicher Größe. Auf der Titelseite das Porträt des Gewürdigten: der Kopf eines älteren Herren mit silberweißem Haar, der uns mit hellem Gesicht und wachen Augen anblickt. Dahinter vollzieht sich einiges in blauschwarzem Titelbilddunkel, das zum Teil wohl erst nach Betrachten und Lektüre des gesamten Buches leichter zu entschlüsseln sein wird.

Marschierende Soldaten mit Stahlhelmen sind zu erkennen, Silhouetten von Militärflugzeugen und diverse verschlungene Ranken, die Assoziationen an Pflanzliches, aber auch an menschliches Organ-innenleben auslösen. Wer das Buch umdreht, findet in der unteren Hälfte des Rücktitels noch einmal ein Bild einer Soldatenansammlung, dieses Mal in braun-oliv gefärbter Montur. Und einen zivil gekleideten jungen Mann, der mit Schrecken im Gesicht der stahlbehelmten Schar gegenübersteht. Mit wachen Augen weiterlesen »

Aus der »Mitte«

geschrieben von Janka Kluge

4. Januar 2025

Thorsten Mense und Judith Goetz zur Entstehung und Etablierung der AfD

Im Unrast Verlag ist jüngst der sehr lesenswerte Sammelband »Rechts, wo die Mitte ist«, herausgegeben von Thorsten Mense und Judith Goetz, erschienen. Der Ansatz der beiden Herausgeber*innen ist die Analyse, dass die AfD aus der Mitte der Gesellschaft heraus entstanden ist und am Anfang kein ordinär extrem rechtes Projekt war. Im Vorwort schreiben sie: »Der Erfolg der AfD liegt nicht zuletzt darin begründet, dass sie einen modernisierten Rechtsextremismus vertritt und daher für sehr unterschiedliche Menschen, Milieus und Gruppen identitätsstiftend sein kann, die der traditionelle Rechtsextremismus nicht ansprechen konnte« (S. 10).

Davon ausgehend analysieren verschiedene Autoren das Verhältnis der AfD zur modernen Gesellschaft. Sebastian Friedrich schildert zu Beginn die Entstehungsgeschichte der AfD und ihre Entwicklung bis heute. Dazu gehört auch, wie andere Parteien auf die AfD reagieren. Dabei zeigt sich am Beispiel der CDU, dass nicht nur Forderungen der AfD übernommen wurden, sondern mit der Werte-union aus der Union heraus eine Partei entstanden ist, die die Zusammenarbeit mit der AfD vorantreiben will. »Ein Blick auf die Entwicklungen christdemokratischer und gemäßigt-konservativer Parteien in anderen EU-Staaten zeigt, dass die Zerstörung der Union kein Wunschtraum von AfD-Politiker*innen sein muss.« (S. 33) Aus der »Mitte« weiterlesen »

Staatsversagen

geschrieben von Axel Holz

4. Januar 2025

Neue Doku zum Versagen von Polizei, Justiz, Ermittlungsbehörden und Politik im Fall Oury Jalloh

»Staatsversagen« – so hieß der letzte Teil der sechsteiligen ARD-Dokumentation »Warum verbrannte Oury Jalloh?«. Kaum jemand hat die offizielle Story über den Tod von Oury Jalloh geglaubt, der sich gefesselt auf einer feuerfesten Matratze in einer Dessauer Polizeistation am 7. Januar 2005 angeblich selbst mit einem Feuerzeug entzündet und verbrannt haben soll. Zweifel daran wurden auch durch Filme wie »Tod in der Zelle« von Pagonis Pagonakis 2006, die Dokumentation »Oury Jalloh« von Simon Jaikiriuma Paetau 2008 und 2015 mit dem Tatort »Verbrannt« in der Regie von Thomas Stuber genährt. Die neue Doku, die aktuell noch in der ARD-Mediathek zu finden ist und ab 6. Januar 2025 im MDR läuft, präsentiert nun neue, unglaubliche Erkenntnisse und wirft grundsätzliche Fragen auf – in Dessau und darüber hinaus.

Der Bürgerkriegsflüchtling Oury Jalloh floh aus seiner Heimat Sierra Leone zunächst ins Nachbarland Guinea zu seinen Eltern und dann weiter nach Deutschland. Nach einem abgelehnten Asylantrag lebte er als Geduldeter in Deutschland und hatte mit seiner deutschen Lebensgefährtin ein Kind, das die Mutter nach der Geburt zur Adoption frei gab. Oury Jalloh war wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels verurteilt worden, aber das Urteil war noch nicht rechtskräftig. Auch wegen des Verlustes seines Kindes hatte er sich betrunken und nachts Frauen eines Reinigungstrupps um ein Telefon gebeten, weil sein Guthaben verbraucht war. Die riefen die Polizei, die aus der Belästigung sofort eine schwere Belästigung machte und Oury Jalloh brutal gegen bestehende Polizeirichtlinien in die Dessauer Polizeidienststelle brachte, durchsuchte, ärztlich untersuchen ließ, in eine feuersichere Isolierzelle sperrte und fixierte – angeblich, um Selbstverletzungen zu verhindern. Bei der Durchsuchung wurde, amtlich dokumentiert, auch kein Feuerzeug gefunden. Stunden später wurde er fixiert und verbrannt in seiner Zelle gefunden. Staatsversagen weiterlesen »

Unterbelichteter Aspekt

geschrieben von Kristin Caspary

4. Januar 2025

Die Library of Lost Books bringt den NS-Raub von Schriftgut in die Öffentlichkeit

NS-Raubgut ist in Film und Buch immer wieder Thema der Auseinandersetzung mit der Nazizeit. Meist geht es dann um wertvolle Skulpturen, Gemälde oder Kultgegenstände. Der millionenfache Bücherraub verblasst dahinter.

Ab 1934 ergingen insgesamt vier Ministerialerlasse, durch die Gewerkschaften und kommunistische Verbände enteignet und auch deren materielles Vermögen verwertet wurde. Später folgte die Enteignung und Verwertung jüdischer und hebräischer Literatur. Die sogenannte Reichstauschstelle, angesiedelt in der Preußischen Staatsbibliothek, war damit betraut, die Verteilung der Bücher an Bibliotheken im ganzen Reich zu besorgen. Dieser Prozess erfolgte nicht unentgeltlich, wie ein aufgrund seines Umgangs herausragender Fall zeigt: 1943 kaufte die Berliner Stadtbibliothek, heute ZLB, insgesamt 40.000 dieser Bücher der Pfandleihanstalt ab. Unterbelichteter Aspekt weiterlesen »

Systematisches Ausblenden

geschrieben von Thomas Hacker

4. Januar 2025

Buch zum »Bandera-Komplex: Der ukrainische Faschismus – Geschichte, Funktion, Netzwerke«

Das Vorwort der Herausgeberin Susann Witt-Stahl beginnt mit der Legende, der Ruf »Slawa Ukrajini!« (Ruhm der Ukraine) sei faschistischen Ursprungs. In Wahrheit stammt er aber aus dem 19. Jahrhundert. Der Slogan der ukrainischen Nationalisten lautet nämlich »Ruhm der Ukraine, den Helden Ruhm«. Richtig ist, dass dieser heute auch in den ukrainischen Streitkräften Anwendung findet. Nicht richtig ist, dass sich »ein deutscher Kanzler [Scholz 2022, T. H.] ein Ritual der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten, von Hitlerkollaborateuren, zu eigen« machte, indem er die ältere Parole aussprach. Es ist kaum anzunehmen, dass die Verfasserin dies nicht wusste. Systematisches Ausblenden weiterlesen »

Flucht aus dem Totenreich

geschrieben von Harry Friebel

4. Januar 2025

Ein Buch des Schriftstellers und Holocaustüberlebenden Gerhard L. Durlacher

Als die Rote Armee am 27. Januar 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreite, befand sich Gerhard L. Durlacher an der Schwelle des Todes. Die Zwangsarbeit im benachbarten Steinbruch hatte ihn extrem entkräftet. Dann ein Sturz, und er fiel in eine tage- sowie nächtelange Bewusstlosigkeit. Das Krankenstationspersonal und junge Russen holten ihn ins Leben zurück. Durlacher berichtet im Manuskript rückerinnernd damalige Gedanken: »Ich fliehe aus dem Totenreich« (S. 201).

Nur wenige Monate zuvor hatte er an seinem 16. Geburtstag ein herzzerreißendes Wechselbad der Gefühle erlebt: Vater und Mutter wurden in die Gaskammern gezwungen. Er sah noch aus der Ferne für einige Momente seine Mutter in ihrer graublauen Strickjacke (S. 191) – auf ihrem letzten Weg. Danach Angst, Resignation, Verzweiflung. Am selben Tag holte ihn der Blockführer aus dem mentalen Nichts. Es war eine Befehlsschrei in die Baracke hinein: »Alle Jungs raus!«. Durlacher erinnert sich daran: »In diesem Augenblick weiß ich, dass ich leben werde« (S. 192). Denn mit Dutzenden von Altersgenossen wird er auf dem Appellplatz für die Arbeit im Steinbruch gemustert. Eine Überlebenschance für ihn. Flucht aus dem Totenreich weiterlesen »

Ort des Terrorregimes

geschrieben von Gerald Netzl

4. Januar 2025

Neues Buch zum Konzentrationslager Gusen

Am 5. November 2024 fand im neuen Informationszentrum der KZ-Gedenkstätte Gusen die Präsentation des Buches »Konzentrationslager Gusen 1939–1945. Eine Dokumentation« statt. Gusen liegt in Oberösterreich, 15 Kilometer östlich von Linz.

Das großformatige, reich bebilderte Buch erinnert an einen Ausstellungskatalog. Herausgegeben von vier MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bietet es eine umfangreiche Quellenedition, die erstmals die Geschichte der drei Lager Gusen (I, II, III) in dieser Tiefe dokumentiert. Das KZ Gusen, vier Kilometer vom Hauptlager Mauthausen entfernt, war von 1939 bis 1945 ein Ort des Terrorregimes der Nationalsozialisten und bald das größte Konzentrationslager auf (heute) österreichischem Boden, das jedoch lange Zeit im Schatten des Hauptlagers stand und sowohl in der Forschung wie auch in der öffentlichen Erinnerung weitgehend unsichtbar war. Ort des Terrorregimes weiterlesen »

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