Antifaschismus vermitteln

geschrieben von Andreas Diers

5. September 2013

Studienkreis Deutscher Widerstand legt Tagungsband vor

Sept.-Okt. 2008

Studienkreis Deutscher Widerstand 1933 – 1945 (Hrsg.):

Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Perspektiven der Vermittlung; Band 1 der Schriftenreihe des Studienkreises, 268 Seiten, Frankfurt am Main 2007, 19,80 Euro

Der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 in Frankfurt am Main hatte im März 2007 anlässlich seines 40. Jahrestages vor allem im Bildungsbereich Beschäftigte zu einer Tagung mit dem Thema »Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Perspektiven der Vermittlung« eingeladen. Die Beiträge dieser Tagung sind nun unter der sorgsamen Redaktion von Thomas Altmeyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Studienkreises, in einem umfangreichen Sammelband erschienen.

Diese Tagung war umso wichtiger, weil sowohl die Geschichte als auch die Erfahrungen des antifaschistischen Widerstands in Deutschland vor einer unterkühlten Historisierung bewahrt und in ihrer ganzen Bandbreite erhalten werden müssen Zu Recht fragte schon vor Jahren der unvergessene Peter Gingold: »Was wird noch geglaubt, wenn über dieses schrecklichste, grauenhafteste Kapitel deutscher Geschichte die Nachgeborenen es nur noch aus Büchern, Filmen, Videos vermittelt erhalten?«

Die zahlreichen interessanten Beiträge dieses Sammelbandes können hier nicht alle und gleichgewichtig vorgestellt werden, meine Auswahl beinhaltet kein qualitätsmäßiges Urteil.

In den einleitenden Bemerkungen der Herausgeber wird gleich am Anfang auf die wesentliche und aktuelle Problematik der Vermittlung des antifaschistischen Widerstandes hingewiesen:

Angesichts des immer stärkeren Übergangs von der persönlichen der Widerstandskämpfer zur kulturellen Erinnerung müssen Antworten auf die Fragen gefunden werden:

Wie sind die Erfahrungen und Kenntnisse der Verfolgten und der Widerstandskämpfer für die Nachwelt zu sichern und dadurch überhaupt erst nutzbar zu machen?

Wie können die bald nur noch vorhandenen mittelbaren Erinnerungen in eine vermittelbare Erinnerung transformiert werden?

Welche neuen Zugänge der Vermittlung müssen besonders zur Jugend gefunden werden, wenn es bald nicht mehr die Zeitzeugengespräche gibt?

Auf diese Problematiken versuchen die Autorinnen und Autoren Antworten zu finden. Der erste Teil der Beiträge beschäftigt sich vor allem mit der Darstellung des Widerstandes in der Forschung sowie mit der Vermittlung von Kenntnissen über ihn. Zunächst stellt Thomas Altmeyer knapp und kenntnisreich die Geschichte der Forschung über den antifaschistischen Widerstand dar. Er macht dabei u.a. deutlich, dass mit dieser Forschung sowohl in der alten BRD als auch in der DDR immer auch politische Ziele verfolgt worden sind, was oftmals zu einer eingeengten Sichtweise auf die geographischen Regionen und die sehr verschiedenen Strömungen und Formen des Widerstandes geführt hat. Thomas Altmeyer verweist auch auf die teilweise dadurch bedingten, selbst heute noch vorhandenen Lücken. Völlig zu Recht stellt er fest: „Die dargelegten Ergebnisse aus den neueren Forschungsberichten der Widerstandsforschung zeigen, dass sie mitnichten an ihr Ende gekommen ist.« In seinem Beitrag formuliert Altmeyer auch notwendige Ansätze für ein zukünftiges Forschungsprogramm über den Widerstand.

Mit der Darstellung des Widerstandes in den Schulbüchern beschäftigt sich der Beitrag von Falk Pingel. Auch er weist ähnlich wie Altmeyer u.a. auf die immer noch eingeengte Sichtweise auf diesen Gegenstand hin.

Die in dem zweiten Teil des Sammelbandes veröffentlichten Beiträge untersuchen spezifische Bereiche des Widerstandes. Sie brechen dabei die in den ersten beiden Beiträgen festgestellten Einengungen teilweise auf.

Katrin Ingerfeld und Kurt Schilde untersuchen an dem Beispiel des Films „Edelweißpiraten« die Möglichkeiten, antifaschistische Jugendopposition im Schulunterricht zum Thema zu machen. Weitere Beiträge befassen sich mit dem Rettungswiderstand für Juden, dem jüdischen und dem christlichen Widerstand sowie dem Widerstand aus der Arbeiterbewegung. Jörg Wollenberg schildert schließlich am Beispiel der ostholsteinischen Kleinstadt Ahrensbrök sowie seiner eigenen Biographie die Mühen – aber gleichzeitig auch die Möglichkeiten – einer lokalhistorischen und biographischen Spurensuche.

Die beiden letzten Beiträge beschäftigen sich mit Dokumentarfilmem über Aspekte des deutschen Faschismus. Eberhard Görner beschreibt zunächst die mühevolle Entstehungsgeschichte seines Dokumentarfilms über das KZ Mittelbau-Dora, während sich Hannes Heer kritisch mit den populären historischen TV-Dokumentationen von Guido Knopp und dessen Vermarktung des Faschismus mittels „Ereignisfernsehens« auseinandersetzt. Das unterschiedlich große Interesse der Fernsehanstalten an diesen Dokumentationen ist dabei symptomatisch für die heutige Vermittlung des Widerstandes durch Massenmedien.

Der Sammelband gibt all jenen eine fundierte Arbeitshilfe an die Hand, die der Vermittlung und Darstellung des gelebten Widerstandes weiterhin den ihm gebührenden Platz einräumen und seine Botschaften weitergeben wollen- gegen den heute herrschenden Mainstream der historischen Relativierungen.