Attacke per Steuergesetz

geschrieben von Richard Häsler

5. September 2013

Gemeinnützigkeit im Visier des Verfassungsschutzes

Juli-Aug. 2012

Der Entzug der Gemeinnützigkeit hat existenzbedrohende Folgen für Vereine. Alle Gewinne aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen werden steuerpflichtig. Der ermäßigte Steuersatz bei der Umsatzsteuer (7%) entfällt. Es ist der volle Umsatzsteuersatz (19%) anzuwenden. Der Verein kann keine Zuwendungs- / Spendenbescheinigungen mehr ausstellen. Die erhaltenen Spenden sind beim Spender steuerlich nicht mehr steuerlich abzugsfähig. Erhaltene Spenden unterliegen beim Verein der Erbschaft- / Schenkungssteuer. Ehrenamtspauschale (500 Euro) unterliegt je nach Fallkonstellation der Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht. Und das Wichtigste: öffentliche Zuschüsse und / oder Vergünstigungen von steuerbegünstigten Dachverbänden oder anderen steuerbegünstigten Organisationen können nicht mehr gewährt werden.

Es ist nicht ganz einfach, sich durch die 130 Seiten umfassenden Vorlagen des Regierungsentwurfes zum Jahressteuergesetz 2013 zu kämpfen, der Änderungen in 18 Bereichen des Steuerrechtes vorsieht. Zu finden ist darin auch eine Änderung in der Gemeinnützigkeitsregelung für Körperschaften und Vereine, und zwar eine unscheinbar wirkende Änderung der Abgabenordnung. Lediglich das Wort »widerlegbar« soll wegfallen, um verfassungsfeindliche Organisationen wirksamer von Steuervergünstigungen auszuschließen

Dass verfassungsfeindliche Organisationen nicht gemeinnützig sein können, ist nicht neu. Schon seit Jahrzehnten verfahren die Finanzämter so, auch wenn es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür gab. Erst der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück hat 2008 eine solche Klausel vorgeschlagen. Der neue Paragraph war gedacht als Symbol gegen Rechts. In den Ausschussberatungen schrieb man ins Gesetz die Verbindung zum Verfassungsschutzbericht. »Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind«. Dieser lautet: »Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt.« Ergänzt wird dieser Paragraph noch durch die Mitteilungspflicht der Finanzämter an die Verfassungsschutzbehörden.

Der Finanzausschuss des Bundestages stimmte einstimmig zu, Protest gab es keinen, da es ja gegen Rechtsradikale gehen sollte. Man ging sogar noch einen Schritt weiter. Eingefügt wurde im Gesetz eine Mustersatzung zum Erhalt der Gemeinnützigkeit, welche vorsieht, dass bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Verein sein Vereinsvermögen an eine steuerbegünstigte Vereinigung übertragen muss. Noch bietet die Rechtsprechung hier Bestandsschutz. Die jüngsten Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) besagen: »Die Bestimmung, dass die Satzung die in der Mustersatzung bezeichneten Festlegungen enthalten muss (§ 60 Abs. 1 Satz 2), gilt für Körperschaften, die nach dem 31.12.2008 gegründet werden oder die ihre Satzung mit Wirkung nach diesem Zeitpunkt ändern. Die Satzung einer Körperschaft, die bereits vor dem 1.1.2009 bestanden hat, braucht nicht allein zur Anpassung an die Festlegungen in der Mustersatzung geändert werden.«

Seither gilt eine Beweislastumkehr. Wenn eine Organisation im Verfassungsschutzbericht erwähnt ist, muss sie beweisen, dass sie trotzdem gemeinnützig ist. Diese Neuregelung trat Anfang 2009 in Kraft. Einen solchen Gegenbeweis hat die VVN- BdA Rheinland Pfalz erbracht, welche Anfang 2012 ihre Gemeinnützigkeit im Einspruchsverfahren zurückerhielt. Diese Anwendungspraxis richtet sich daher nicht nur gegen Rechts. Einbezogen werden Verdächtigungen und Verbindungen zu allen vermeintlichen und wirklichen Verfassungsbedrohern von Links bis Rechts, von religiösen und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen, welche den Schlapphüten vom Verfassungsschutz nicht geheuer sind. Künftig soll mit der Streichung des Wörtchens »widerlegbar« die Möglichkeit zum Gegenbeweis im Steuerrecht entfallen. Finanzämter und Finanzgerichte hätten dann keinen Ermessensspielraum mehr.

Das bedeutet, dass man immer Klage beim Verwaltungsgericht einlegen muss. Auch hier ist es schon geglückt, Korrekturen und Schwärzungen an unzutreffenden oder ungenauen Verfassungsschutzberichten vorzunehmen, wie es die Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivsstelle (a.i.d.a.) 2011 geschafft hat. Vielleicht ist es auch sinnvoller, das Übel an der Wurzel zu packen und direkt gegen einen unzulässig stigmatisierenden Bericht vorzugehen, wie es gegenwärtig die Landesvereinigung VVN- BdA Bayern tut.

Schon Vermutungen und Fehldeutungen führten zur Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht, wie es die Landesämter für Verfassungsschutz in Bayern, Baden Württemberg und Schleswig Holstein zeigen, in deren Berichten die jeweiligen Landesvereinigungen der VVN- BdA Erwähnung finden. Für die Zukunft könnte das bedeuten, dass erst mit Urteil des Verwaltungsgerichtes eine erneute Antragstellung auf Gemeinnützigkeit möglich wäre. Bleibt abzuwarten, ob es die Bundestagsfraktionen schaffen werden, diese fehlgeleitete Verschärfung aus dem Jahressteuergesetz 2013 zu entfernen. Dazu bedarf es allerdings größerer Öffentlichkeit als bisher.