Auslandseinsatz

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Ein Film über eine Bundeswehr, die keinen Krieg will

Nov.-Dez. 2012

Der am 17. Oktober in der ARD ausgestrahlte Fernsehfilm »Auslandseinsatz« ist nicht gerade filmischer Hochgenuss. Konstruiert und übermäßig kompliziert wirkende Handlungen und gestelzte Dialoge – wie man sie vom deutschen Fernsehen zur Genüge kennt – machten den Schauspielern das Leben schwer. Doch interessanter als die filmischen Mängel sind die politischen Aussagen dieses immerhin ersten abendfüllenden Films über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen ein Bundeswehrkommando der »Zivil-militärischen Zusammenarbeit« und ein Dorf irgendwo im paschtunischen Teil Afghanistans. Der Auftrag für die Deutschen lautet, »den Kontakt zum Dorf wiederherzustellen« mit den weitergehenden Zielen, Informationen über Taliban-Gruppen zu erhalten und Vertrauen bei den Dorfleuten aufzubauen.

Dafür hat das Kommando auch Mittel zur Verfügung. Auf Bitten des Dorfältesten beginnen sie mit dem Wiederaufbau der örtlichen Grundschule. Das bringt die Soldaten, ob sie wollen oder nicht, in persönlichen Kontakt mit den Menschen. Ihre z.T. geringschätzige Einstellung gegenüber den Afghanen ändert sich durch gemeinsame Arbeit und gemeinsames Essen. Die Dorfbewohner sind schnell keine Objekte mehr, sondern Menschen, in deren Leben und Probleme die Deutschen hineingezogen werden. Der Film zeigt sogar eine irritierende Szene eines deutschen Soldaten im muslimischen Gebet. Die Dorfbewohner dürfen erfreulicherweise tatsächlich Paschtu sprechen, was allerdings zu viel Englisch-Radebrechen und zahlreichen Untertiteln führt.

Das Unheil nimmt seinen Lauf, als einer der Dorfjungen von amerikanischen Delta Force-Soldaten erschossen wird und zwar nicht einfach nur als Kollateralschaden, sondern aus voller Berechnung, um eine ihrer Operationen zu schützen. Dies und der untergründige Einfluss der Taliban im Dorf machen das »Friedenschaffen mit Waffen« immer schwieriger, bis es schließlich zum Desaster kommt.

Die deutschen Soldaten in diesem Film glauben tatsächlich, etwas zum Positiven verändern zu können. Andere sind zwar etwas deppert, aber im Grunde ihres Herzens auch gute Jungs. Alle miteinander sind meilenweit von militärischem Gehabe entfernt. Die Offiziere wirken unsicher und sentimental, sie diskutieren und erklären statt zu befehlen. Die Unteroffiziere haben es dafür nicht so mit dem Gehorchen. Sie reden viel über moralische und politische Probleme und lassen sich stark von eigenen Impulsen leiten. Trotz Uniform und Bewaffnung wirken sie unmilitärisch. Der Film endet damit, dass der Sympathieträger Daniel (gespielt von Max Riemelt, bekannt als Hauptdarsteller aus »Im Angesicht des Verbrechens«) wegen Befehlsverweigerung vor das Truppendienstgericht kommt. Selbst sein Vorgesetzter gibt ihm für eigenmächtiges Handeln zugunsten seiner afghanischen Freunde moralische Unterstützung und der Zuschauer natürlich erst recht.

Als schärfster Kontrast wird in diesem Film der Unterschied zwischen den deutschen und den amerikanischen Soldaten aufgebaut. Nicht ohne Geschick inszeniert, tauchen die Amerikaner nur am Rande der Bildfläche auf, ihre unheimliche Gewalttätigkeit ist im Grunde noch unverständlicher als die der fingerabhackenden Taliban. Als gäbe es keine Gleichgültigen, keine Zyniker und keine Rechtsradikalen in der Bundeswehr und als wäre die Bundeswehr als Organisation kein Teil des Ganzen in diesem Konflikt, werden alle Schandtaten und Besatzerattitüden auf die amerikanischen Streitkräfte projiziert.

Die ARD zeigt uns eine Bundeswehr, von der nicht einmal ihre Angehörigen möchten, dass sie eine richtige Armee ist. Und schon gar nicht soll sie auch nur den leisesten Anflug von Wehrmacht haben. Das sagt uns etwas über die Zuschauer-Antizipation der ARD. In ihrem steten Bemühen, irgendwie die gesellschaftliche Mitte zu treffen, ließ sie den Film für eine Gesellschaft drehen, die mehrheitlich weit davon entfernt ist, am Hindukusch mit Waffengewalt deutsche Interessen vertreten lassen zu wollen. Das ist doch schon mal was.