Brechts letzte Liebe

geschrieben von Alfred Fleischhacker

5. September 2013

Ein Buch über Isot Kilian

Juli-Aug. 2007

Marginalie

Ditte von Arnim

Brechts letzte Liebe- das Leben der Isot Kilian

Transit Verlag

Euro 18.80

Auch die nicht kleine Schar von intimen Kennern des Dramatikers Bertolt Brecht wird beim Lesen dieses Buches auf ihre Kosten kommen. Wer hingegen hinter dem Titel erotische Enthüllungen vermutet, wird enttäuscht werden. Der Band reflektiert über Persönlichkeiten , die im 20. Jahrhundert wirkten und Spuren hinterließen die bleiben werden. Er betrachte das Leben der Schauspielerin Isot Kilian.

Wer war diese Frau, von der Brecht 1954, ohne zu diesem Zeitpunkt wirklich sicher zu sein , dennoch ahnend festgehalten hatte, dass sie vielleicht seine letzte Freundin sein würde? Isot wurde 1924 in einer antifaschistisch geprägten Familie in Berlin Köpenick geboren. Vater und Mutter waren aktive Mitglieder der KPD. Dies sollte alsbald Folgen haben, die sich der noch sehr jungen Isot für immer einprägten. Musste sie doch miterleben wie ihr Vater schon kurz nach der Machtergreifung der Nazi Partei während der Köpenicker Blutwoche im Juni 1933 von braunen Schlägern des nun herrschenden Systems verschleppt und schwer misshandelt wurde. Um der ständigen Bedrohung zu entkommen, zog die Familie nach Hamburg.

Dort traf Isot auf einen etwa Gleichaltrigen, sein Name: Wolfgang Borchert. Wie sie selbst verachtete er die Nazis, las viel, wollte Schauspieler werden. Es stellte sich heraus, dass die beiden gemeinsame Interessen hatten. Sie kamen sich näher, verliebten sich ,Isot wurde schwanger. Sie waren glücklich miteinander . Der 2.Weltkrieg begann. Borchert wurde einberufen, stemmte sich gegen das ihm und Millionen zugedachte Los, Kanonenfutter für ein größenwahnsinniges Regime zu werden. Von den vier Soldaten-Jahren verbrachte er fast anderthalb Jahre in Haft., wurde wegen Hochverrat und Wehrkraftzersetzung angeklagt. Wie durch ein Wunder kehrte er physisch heil, psychisch jedoch schwer krank, nach dem Ende des Krieges nach Hamburg zurück. Es blieben ihm nur noch zwei Jahre, seine Kriegserlebnisse dramatisch zu verarbeiten. Vor genau 70 Jahren starb mit ihm sein großes Talent. Sein Stück „Draußen vor der Tür“ wird auch kommende Generationen an ihn erinnern.

Ein Jahr später fuhr seine Freundin mit der kleinen Tochter wieder nach Berlin. Sie wurde Mitglied einer kleinen Schauspielergruppe ,die ihrem Publikum mit Gedichten und Songs von Brecht in der noch stark von Ruinen gezeichneten Stadt Mut und Zuversicht für einen friedvolleren Neuanfang vermitteln wollte. Im selben Jahr kamen Brecht und Helene Weigel nach 15 Jahren Emigration über Prag nach Berlin. Ein Jahr später wurde Isot Kilian Mitglied des Berliner Ensembles.

Ditte von Arnim lässt ihre Leser teilhaben an dessen Entstehen . Als einstige Mitarbeiterin des Brecht Archivs ist sie eine bestens informierte Chronistin., sie war auch gut bekannt mit Isot Kilian.. Die vertraut ihr ihre 1982 begonnenen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Brecht an. Der Leser erfährt, wie sich ganz behutsam ein von gegenseitiger Zuneigung geprägtes Verhältnis entwickelte. Es festigte sich durch die Ereignisse des 17. Juni l953 in Berlin und der DDR. Isot Kilian wurde in jenen stürmischen Tagen auch zu einer politisch Vertrauten, als Überbringern von Botschaften Brechts an Otto Grotewohl und Walter Ulbricht.

Die Kilian war ganz nahe bei Brecht als das Ensemble 1954 und 1955 in Paris mit „Mutter Courage und ihre Kinder“(mit Helene Weigel in der Hauptrolle) und weiteren Stücken des Dramatikers, wahre Triumphe feierte. Die Autorin entzieht sich nicht der Pflicht die Ehe zwischen Isot Kilian und Wolfgang Harich, die Anfang der 50er Jahre geschlossen wurde, kurz zu skizzieren. Eine Liaison mit einem ebenfalls herausragenden Menscher mit Visionen und Begabungen, der letztlich an den Verhältnissen scheiterte, die zum Besseren zu wenden er sich zur Aufgabe gemacht hatte. Die Beziehung währte nur kurz und barg wohl durch die sehr unterschiedlichen Charaktere der beiden von Anfang an den Keim des Scheiterns in sich .

Ditte von Arnim hat es glänzend verstanden , oft mit wenigen prägnanten Sätzen ,die in diesem Buch Portraitierten in Bezug zu der realen Umwelt zu bringen, in der sie wirkten. So bekommen Ereignisse die mehr als ein halbes Jahrhundert zurück liegen auch für später Geborene scharfe Konturen: Der Sieg der Alliierten über Hitlerdeutschland,. der bald danach beginnende Kalte Krieg, das Entstehen von zwei Deutschen Staaten Im Mittelpunkt des Buches stehen aber das Leben von Isot Kilian und einige wenige sehr glückliche Jahre an der Seite von Brecht. Sie enden mit dem Tod des großen Dramatikers 1956. Eine Lektüre die spannend geschrieben, von der ersten bis zur letzten Seite fesselt..