Das Ende eines Preises

geschrieben von Hans Canjé

5. September 2013

Antikommunistischer Freiheitskämpfer hatte braune Vergangenheit

Jan.-Feb. 2008

Hätten sie ihn doch im Grabe ruhen lassen, den Walter Linse, der in den Hochzeiten des Kalten Krieges am 15. Dezember 1953 in Moskau unter anderem wegen Spionage hingerichtet worden ist. Statt dessen wollten sie ihn aus demselben zerren und zum Namensgeber für einen Walter-Linse-Preis »für Verdienste um die Aufarbeitung der SED-Diktatur« machen. Und fabrizierten so einen weiteren Abschnitt für die Geschichte, die da überschrieben ist: Der Antikommunismus ist die Grundtorheit des (auch unseres) Jahrhunderts.

Walter Linse, geboren 1903, wurde im Oktober 1940, da war er immerhin schon 37 Jahre alt und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, Mitglied der Nazipartei. Seit 1938 war er als »Arisierungsbeauftragter« der Industrie- und Handelskammer (bis 1945) maßgeblich am Raub jüdischen Eigentums in Sachsen beteiligt (300 Betriebe sind nachgewiesen). Ein Köfferchen mit wenigen Habseligkeiten und ein paar Reichsmark blieb den meisten Opfern gerade mal; ihre Fahrkarte in die Vernichtungslager im Osten mussten sie ja schließlich auch noch bezahlen können.

Der Förderverein tat entsetzt, als ein kritischer Zeitgenosse sich, darob als »Nestbeschmutzer« arg gescholten, die Biographie des auserkorenen Namensgeber für den Preis noch einmal gründlich vornahm und die braunen Flecke am Anzug feststellte. Die hatte man, rechtsäugig blind wie der Zeitgeist heute allgemein, in dem so tragisch geendeten Leben des Walter Linse nicht sehen wollen. Nun standen der Förderverein Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin, deren Leiter und einige Clacqeure über Nacht vor dem Dilemma, erklären zu müssen, dass ein willfähriger Gefolgsmann der »ersten deutschen Diktatur« von 1933 bis 1945, ein resoluter Vollstrecker der faschistischen Rassenpolitik zudem, im Grunde seines Herzens ein antifaschistischer Widerstandskämpfer war. Daher auch sehr wohl geeignet wäre, als antikommunistischer Freiheitskämpfer Pate zu stehen für einen Preis zur Würdigung von Verdiensten um die Aufarbeitung der »zweiten deutschen Diktatur«, von 1945 bis 1989.

In der Tageszeitung »Die Welt« am 9. August 2007 wurde er gerade wegen seiner »Verstrickung« in die faschistische Raub-und Mordpolitik als besonders geeigneter Pate (»Walter Linse war kein Nazi«) bezeichnet.

Anfang Dezember 2007 endlich beugte sich der Berliner Förderverein. Es wird, nachdem das Münchner Institut für Zeitgeschichte, die erbetene ausführliche Stellungnahme verweigert und von einer Verwendung des Namens abgeraten hatte, keinen »Walter-Linse-Preis« geben. »Hohenschönhausen-Preis zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur« soll das nun heißen, was sich – so ist im Interesse einer wahrhaftigen, nicht der unsäglichen Rot-ist-gleich-braun-Geschichtsschreibung zu hoffen – jeder seriöse Historiker weigert, aus der Hand von Knabe und Co anzunehmen.