Deutliche Signale nötig

5. September 2013

Gespräch mit Dr. Ulrich Schneider, Generalsekretär der FIR, vor
dem Kongress

Jan.-Feb. 2010

antifa: Am 9./10. Januar findet in Berlin der XV. FIR-Kongress statt. Worum wird es gehen?

Schneider: Wir wollen Bilanz unserer politischen Arbeit in den vergangenen Jahren ziehen. Wir haben viel erreicht. Insbesondere das Internationale Jugendtreffen in Buchenwald 2008 mit über 1000 Teilnehmern sowie die Demonstrationen gegen Neofaschismus und Rassismus im September 2008 in Köln und im Februar 2009 in Dresden haben gezeigt, dass die FIR als internationale antifaschistische Organisation lebt und aktionsfähig ist.

Auf dem Kongress wird es auch um unsere Aktionen gegen die Rehabilitierung der SS-Verbände in baltischen Ländern und um die Wirkung unserer vielfältigen Initiativen und Erklärungen zu Frieden und Abrüstung gehen. Wir wollen darüber sprechen, wie wir weiter für die politischen und sozialen Rechte der Frauen und Männer aus dem antifaschistischen Kampf, der Deportierten und Internierten eintreten können. Und wir müssen beraten, welche Konsequenzen die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament für uns als internationale antifaschistische Organisation haben. Seit einiger Zeit erleben wir, dass die ideologischen Angriffe auf die historische Erinnerung auch über europäische Strukturen vorangetrieben werden.

antifa: In welchen politischen Auseinandersetzungen steht die FIR gegenwärtig?

Schneider: Was man in Deutschland im Zusammenhang mit dem 20. Jahrestag des 9. November 1989 erleben konnte – die Neudefinition von Geschichte – das geschieht auch in anderen europäischen Ländern. Das geht soweit, dass in Ungarn und Polen das Zeigen von Symbolen, unter denen Partisanen und andere Antifaschisten für die Freiheit ihres Landes gekämpft haben, als »extremistisch« bestraft werden kann.

Auf unterschiedlichen Ebenen findet eine massive »Entsorgung« der Geschichte des Faschismus statt. Kollaborateure werden zu »Freiheitskämpfern« umgedeutet, Partisanen wegen ihres Kampfes angeklagt und geschichtliche Erinnerung und Gedenkorte massiv angegriffen.

Dass sich vor diesem Hintergrund Kriminelle mit rechtem Hintergrund kurz vor Weihnachten nicht scheuten, die Gedenkstätte Auschwitz zu schänden, macht deutlich, wie weit das Klima bereits vergiftet ist. Andererseits hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen erst vor wenigen Monaten mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die betont, dass der antifaschistische Kampf zum Welterbe der Menschheit gehört und keinerlei Relativierung oder gar Leugnung der faschistischen Vernichtungspolitik zugelassen werden darf. Wir sind also als FIR gemeinsam mit unseren Mitgliedsverbänden in Europa und Israel gefordert, hier deutliche Signale zu setzen.

Die FIR sieht sich auch dem Friedenskampf verpflichtet. Vor vielen Jahren zeichnete die UNO sie als »Botschafter des Friedens« aus. Wir sehen darin eine bleibende Aufgabe, uns für nichtmilitärische Konfliktlösungen in Afghanistan, im Irak und natürlich auch im Nahen Osten einzusetzen. Wir sind in diesem Punkt eng verbunden mit unseren Partnerverbänden in Israel, die wie immer am Kongress teilnehmen werden.

Und nicht zuletzt steht der Kampf gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus auf der Tagesordnung.

antifa: Was plant die FIR für das Jahr 2010?

Schneider: Das Jahr 2010 ist das 65. Jahr des Siegs über den Faschismus. Gemeinsam mit den Internationalen Lagergemeinschaften und den Veteranenverbänden in den verschiedenen Ländern wollen wir die geschichtliche Erinnerung auf diesen Punkt lenken und ein deutliches Zeichen gegen Vergessen und Geschichtsrevision setzen.

Es gibt Vorschläge, dass die FIR sich erneut an den Aktionen im Februar in Dresden beteiligen soll. Auch liegt eine Einladung für die Mitwirkung an der geschichtspolitischen Konferenz der VVN-BdA im April 2010 in Berlin vor, um nur zwei Aktionen in Deutschland zu nennen. Und wir beginnen bereits jetzt gemeinsam mit dem »Institut des Veterans« in Belgien, ein Internationales Jugendtreffen in Auschwitz vorzubereiten, das unter dem Motto »Zug des Gedenkens«, im Januar 2012 stattfinden soll. Das wird wieder eine große Herausforderung für uns, aber es ist uns sehr wichtig, Angehörige der jungen Generationen in unsere Arbeit einzubeziehen. Dabei muss man bedenken, dass die Arbeit der FIR vor Ort von den nationalen Mitgliedsverbänden und anderen gesellschaftlichen Partnern unterstützt werden muss. Wir werden daher auf dem Kongress Vorschläge entwickeln, die in den jeweiligen Ländern abgestimmt werden müssen.

antifa: Warum findet die Konferenz gerade an diesem Wochenende statt?

Schneider: Wir haben uns bewusst für dieses Wochenende entschieden, um in direkten Austausch mit anderen politischen Initiativen, wie dem antifaschistischen Jugendtreffen der VVN-BdA treten zu können. Und natürlich werden die Delegierten des FIR-Kongresses an der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung in der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde teilnehmen. Dort sind auch ehemalige Mitstreiter der FIR begraben, derer wir bei dieser Gelegenheit ebenfalls gedenken wollen.

Vor wenigen Tagen erst musste der Vizepräsident der FIR, Vilmos Hanti aus Ungarn, erleben, dass Aufrufe zur Gewalt und andere Drohungen gegen ihn auf ungarischen Internetseiten auftauchten. Dies ist zwar auch ein Fall für die Polizei, aber natürlich sind auch antifaschistische Gruppen und Organisationen gefordert, hier Solidarität zu üben und Widerstand zu organisieren.