Ehrenrettung für NS-Kunst?

geschrieben von Ferdinand Krogmann

5. September 2013

Ausstellung »entartet – beschlagnahmt« in Bremen wirft Fragen
auf

Nov.-Dez. 2009

Noch bis zum 15. November ist in der Städtischen Galerie Bremen die Ausstellung » ›entartet‹ – beschlagnahmt« zu sehen, mit dem Untertitel »Bremer Künstler im Nationalsozialismus«. Es werden Werke von 22 Künstlern aus Bremen und dem Umland gezeigt, von denen Arbeiten 1937 beschlagnahmt und als »entartet« eingestuft wurden. Unter den Betroffenen bekannte Namen wie Paula Modersohn-Becker, Bernhard Hoetger oder Franz Radziwill.

Die Ausstellung will die Situation der Bremer Künstler zwischen 1933 und 1945 aufzeigen, besonders derjenigen, die verfolgt wurden. Sie soll gegen das Vergessen gerichtet sein und will, so Bürgermeister Jens Böhrnsen, »Wiedergutmachung leisten«, da den von der Aktion »Entartete Kunst« betroffenen Menschen tiefes Unrecht geschehen sei.

Ein prima Anspruch, dem die Städtische Galerie jedoch nur ansatzweise gerecht wird. Fragwürdig schon der Ausstellungstitel, legt er doch die Vermutung nahe, dass die ausgestellten Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Dem ist nicht immer so. Auch die Behauptung, sie hätten allesamt nicht mehr arbeiten dürfen, ist unzutreffend. Das gilt nur für ganz wenige; mindestens sechs dagegen waren NSDAP-Mitglieder und konnten weiterarbeiten. Ähnlich viele waren es, die sich dem NS-Kunstbetrieb anpassten. Auch sie arbeiteten weiter.

Obwohl der Untertitel verspricht, Bremer Künstler im Nationalsozialismus vorzustellen, fehlen deren Arbeiten ab 1933 fast völlig. Nicht eines der vom »Völkischen Beobachter« hoch gelobten Panzerbilder von Rudolf Hengstenberg ist zu sehen, nicht eines seiner monumentalen Propagandabilder. Auch von Radziwill sieht man keines der Werke, die den Geschmack der Nationalsozialisten trafen: weder »Der Stahlhelm im Niemandsland«, noch das »Grab im Niemandsland«, noch »Die Beschießung von Almeria durch die deutsche Flotte« und auch nicht die »Die Tankschlacht von Cambrai«.

Von Hoetger hätte ein Foto vom Himmelssaal in dem von ihm entworfenen »Haus Atlantis« in der Bremer Böttcherstraße nicht fehlen dürfen. Darauf zu sehen Hoetgers Skulptur »Der Tag«: ein nackter Jüngling, der in den erwachenden Tag hinein schreitet; der Mann steht auf einem Sockel, in den die Runen der SS eingraviert sind; in die ihn umgebenden Wände sind die Namen von 14 großen deutschen Tatmenschen eingemeißelt, darunter Friedrich »der Große«, Bismarck und Richard Wagner und an hervorragender Stelle Hindenburg und Hitler. Auch das Relief »Lichtbringer« von 1936 an der Eingangsfassade zur Böttcherstraße hätte verdient gehabt, mit Hoetgers mehrfach wiederholter Aussage gezeigt zu werden, er habe den »Lichtbringer« geschaffen als Beweis, »wie sehr ich unseren Führer und seine Taten verehre«.

Dürftig fallen vielfach auch die Lebensläufe der Künstler aus. Nur bruchstückhaft wird über ihre Rolle im Dritten Reich berichtet. Im Beitrag zu Hoetger erscheinen dessen Absichten und Motive sowohl vor als auch nach 1933 mythisch verschleiert. So bleibt – um nur ein Beispiel zu nennen – sein Ausschluss aus der NSDAP im Jahr 1938 nebelhaft. Dabei hatte das Gaugericht der Auslands-Organisation der NSDAP bei der Urteilsbegründung keinen Zweifel an Hoetgers Ehrenhaftigkeit wie auch an seiner nationalsozialistischen Gesinnung gehabt. Die Umstände aus der Vergangenheit hätten es aber als angebracht erscheinen lassen, dass er nicht Mitglied der Partei sein könne.

Unkritisch gehen die Ausstellungsmacher auch mit der 1934 in Bremen gegründeten »Nordischen Kunsthochschule« um. Sie verschweigen, dass diese Einrichtung die erste nationalsozialistische Kunsthochschule in Deutschland war und dass der maßgeblich an der Gründung beteiligte Richard von Hoff nicht nur Bremer Bildungssenator, sondern außerdem SS-Standartenführer und führender Rassentheoretiker war. Sie verschweigen außerdem, dass der Worpsweder Maler Fritz Mackensen, erster Direktor der neuen Institution, in seinem Vorwort zur Studienordnung forderte, die Hochschule solle, »schöpfend aus dem Urgrunde deutsch-nordischen Volkstums«, mitarbeiten am »Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf Hitlers«.

Drei Professoren, die sich an diesem Aufbau beteiligten, tauchen in der Ausstellung auf: die NSDAP-Mitglieder Hengstenberg, Theodor Schultz-Walbaum und Wilhelm Tegtmeier. Was sie darin zu suchen haben, ist allerdings kaum zu verstehen. Und es ist noch nachträglich ein Schlag ins Gesicht von tatsächlich verfolgten Künstlern wie Barlach, Beckmann, Dix, Grosz, Kirchner, Klee oder Kokoschka.

Offenbar soll den Besuchern der Galerie eine möglichst stattliche Zahl von »Entarteten« präsentiert werden, um den Eindruck zu erwecken, dass das Ausmaß der Verfolgung auf dem Felde der Kunst im Raum Bremen groß war und nun Wiedergutmachung für die »Opfer« nötig sei. Und es soll wohl auch ein regionaler Beitrag geleistet werden zu Bestrebungen, aus Tätern und Mitläufern Opfer zu machen.