Ein früher Putschversuch

geschrieben von Joachim Aust

5. September 2013

Nationalkonservative Generäle wollten Hitler schon 1938
stürzen

Sept.-Okt. 2008

Als am 29. September 1938 die Repräsentanten der Westmächte mit den Führern der faschistischen Staaten Deutschland und Italien zur Münchner Konferenz zusammentraten, bedeutete dies nicht nur den Anfang vom Ende der CSR, sondern zugleich das Scheitern eines aussichtsreichen Putsches gegen das NS-Regime in Deutschland. Mit seiner hemmungslosen Aufrüstungs- und Kriegspolitik hatte Hitler das nationalsozialistische Herrschaftssystem in Deutschland in eine existenzbedrohende Krise geführt. Die Staatsfinanzen waren zerrüttet. Der »Vierjahresplan« konnte daran ebenso wenig ändern wie der Erlass restriktiver Devisengesetze, mit denen der NS-Staat ausländische Bankguthaben seiner Bürger unter seine Kontrolle zu bringen versuchte. Der Bedarf an ausländischer Währung zur Finanzierung dringend benötigter Rohstoffimporte konnte nicht gedeckt werden. Die von Hitler angewiesene Erhöhung des Umlaufs ungedeckter Banknoten vertiefte die Wirtschafts- und Finanzkrise. Dessen ungeachtet war Hitler nicht bereit, auf sein kostspieliges Rüstungsprogramm zu verzichten, das die Möglichkeiten der Außenwirtschaft bei weitem überstieg. Die Idee Hitlers, mit dem Krieg gegen die Nachbarstaaten wirtschaftlichen Spielraum zu gewinnen, führte zu einer ständig zunehmenden Verschärfung der politischen Krise in Deutschland. Dies dokumentiert eine Beratung Hitlers vom 5. November 1937 mit hochrangigen Offizieren. Trotz des Einsatzes brutaler Gewalt war es den Nazis nicht gelungen, die politische Opposition dauerhaft niederzuhalten. Auch der Versuch, die Kirchen zu unterwerfen und die Gesellschaft zu Entchristlichen war gescheitert. Nun verweigerten auch hochrangige deutsche Offiziere Hitler die Gefolgschaft, der die im Aufbau begriffene Wehrmacht in einen zum Scheitern verurteilten Zwei-Fronten-Krieg zu verwickeln drohte. Doch weder der Sturz der Generäle von Blomberg und von Fritsch noch die Annexion Österreichs brachten für Hitler eine Lösung der Krise. Die überhebliche Missachtung des Sachverstandes seiner Generäle, Angriffe gegen führende Offiziere der Wehrmacht und der sich verschärfende »Kulturkampf« gegen die Kirchen begünstigten die Bildung einer nationalkonservativen Aufstandsbewegung deutscher Offiziere. Ihr Ziel war der Sturz des NS-Regimes und die Herstellung einer konstitutionellen Monarchie unter dem preußischen Kronprinzen. Die Verschwörer beabsichtigten auch, sich mit dem bürgerlichen und sozialdemokratischen Widerstand zusammenzuschließen. Am 28. September 1938 schlossen Truppen der 6. Panzerdivision unter General Erich Hoepner auf ihrem Marsch die NS-treue Leibstandarte »Adolf Hitler« und die 1. Panzerdivision unter General Guderian von denen unbemerkt ein, um deren Eingreifen in den geplanten Putsch zu verhindern. In Potsdam wurden Waffen an das 9. Infanterieregiment ausgegeben, um zusammen mit Truppen der Berliner Garnison die Hauptstadt zu besetzen. Unter der organisatorischen Leitung des Obristen Hans Oster, Chef der Zentralverwaltung der deutschen Abwehr, wurden die Umsturzpläne koordiniert. Als vorläufiger Reichspräsident sollte General Beck eingesetzt werden. Der Umsturz scheiterte aber und wurde abgebrochen. Um das NS-Regime zu stürzen, benötigten die aufstandsbereiten Offiziere die außenpolitische Unterstützung westlicher Demokratien. Mehrere Emissäre wurden erfolglos nach England geschickt. Unterstützung wurde ihnen mit dem Abschluss des Münchner Abkommens schließlich verwehrt. Mit dem Bruch der französischen Beistandsverpflichtungen gegenüber Tschechien wurde nicht nur die sowjetische Beistandszusage hinfällig, sondern wurden auch die deutschen Putschpläne durchkreuzt. Eine erfolgsträchtige Möglichkeit zur Beseitigung des NS-Regimes wurde damit vertan.