Einsatz fürs Denkmal

geschrieben von Gerhard Zwerenz

5. September 2013

Wer braucht ein Ehrenmal für gefallene Bundeswehrkrieger?

Juli-Aug. 2007

Eine »Deutsche Gesellschaft« will »ein Denkmal für die deutsche

Einheit« errichten. Frau Steinbach möchte in Berlin ein Zentrum gegen Vertreibung. Minister Jung als der Dritte im Bund plant ein »Ehrenmal der Bundeswehr«. Es soll in den Bendlerblock, wo schon der aufständischen Wehrmachtsoffiziere vom 20. Juli 1944 gedacht wird. Ich kann mich dafür erwärmen. Die Herren führten ihres Führers Krieg, bis sie ihn verloren hatten. Da standen sie auf und wurden erschossen. Heute führen brave Soldaten ihren Bush-Krieg am Hindukusch und ob sie dabei früher oder später erschossen werden, kann nur der Prophet vorhersagen. Dass ihrer dann per Ehrenmal gedacht werden soll, wirkt gewiss seelentröstlich. Man kann sich von der mitreisenden Bundeswehr-Geistlichkeit fachmännisch beraten lassen. Ich mal mir aus, die Truppe präsentiert vor jeder Auslandsexpedition das Gewehr am Ehrenmal. Jeder einzelne Soldat darf dort schon seinen Namen auf einer speziellen Installation leuchten sehen. Da hat er was, auf das sich freuen lässt.

Die Baukunst des prophylaktischen Kriegerdenkmals, diese postmoderne Architektur der Gedächtnisverluste, ist das Verdienst des christlichen Ministers Jung, der auch immer seinen Koch dabei hat. Früher verkauften hessische Fürsten für schnödes Geld ihre Soldaten nach Übersee. Heute geht es um Natobündnistreue, Freiheit und Ehre, weshalb das Monument nun Ehrenmal heißt. Zugegeben, auch ich war ein Denkmals-Protagonist. Uns störten zwischen 1945 und 1990 die tausend im Land verstreuten Kriegerdenkmäler, auf denen die Namen der deutschen Opferhelden zweier Weltkriege prangten. So warben wir für Deserteurs-Denkmäler. Es kam ein halbes Dutzend zustande. Der Weiterbau stockt inzwischen. Desertion ist wieder strafbar. Ungesetzlich. Vaterlandsverrat. Freiheitsverrat. Tatbestand zur Verhandlung vor ordentlichen Gerichten.

»Im Krieg mehr als irgendwo sonst auf der Welt kommen die Dinge anders als man es sich gedacht hat, und sehen in der Nähe anders aus als in der Entfernung.“, so Clausewitz. Ich zählte 19 Jahre, als ich vom Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 hörte. Die Entfernung zur Wolfsschanze schrumpfte am 2. August ein auf die Nähe des Warschauer Aufstands und weil ich bei dessen Niederschlagung nicht auf Zivilisten schießen wollte, entfernte ich mich von der Wehrmacht und erhielt den Status des Vermissten, der 32 Jahre Jahre lang amtlich andauerte bis zum 19. Juli 1976, als mir die zuständige Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen der ehemaligen deutschen Wehrmacht eine »Bescheinigung« schickte: “ Zwerenz, Gerhard …. geb. 3. 6. 1925 – letzte Meldung: am 22. 8. 1944 vermisst gemeldet.“ Im Antwortschreiben vom 4. 8. 1976 dementierte ich meinen anhaltenden Vermisstenstatus und stelle jetzt die bange Frage nach den zukünftig Vermissten, Verschwundenen, Desertierten und gar Widerständigen, die es sicher geben wird wie in unseren vergangenen Weltkriegen. Clausewitz: »Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen …«

Laut Frankfurter Rundschau vom 12. 7. 1994 hielt schon Helmut Kohl es »mit der Würde unseres Landes unvereinbar, dass die Deutschen sich bei internationalen Pflichten drücken«. Die Berliner Große Koalition drückt sich nicht und lässt deshalb mit Tornados in Afghanistan das Feindgebiet aufklären. Rächt sich dann der Feind, ist er ein Terrorist, und wenn Lafontaine die Bombenflieger samt ihren Feinbildlieferanten als Terroristen bezeichnet, ist er selbst einer.

Die unausrottbare Einsatz-Vokabel zählt genauso zu den Mysterien der Kriegssprache wie das zum Ehrenmal verniedlichte Kriegerdenkmal aus der Zeit der Heldengedenktage. Akzeptieren wir also dankbar und ehrerbietig den Ehrenmal-Entwurf des tüchtigen Münchner Architekten Andreas Meck, der einen Bau der Erhabenheit von 40 Meter Länge und 10 Meter Höhe vorsieht. Nehmen wir dazu aus Respekt vor dem Genius des Ortes die Münchner Feldherrnhalle von Gärtner nach der Florenzer Loggia die Lanzi, erbaut in den Jahren 1841 – 44 , kommen wir mit 19 Metern aufwärts fast doppelt so hoch, sind aber mit 38 Metern 2 Meter kürzer. Die Feldherrnhalle, auch sonst nicht ohne Meriten, ehrte unter anderem den katholischen Feldherrn Tilly, den Vernichter von Magdeburg, und als Adolf Hitler am 9. November 1923 zur Halle marschierte, war auch ein junger Mann mit Namen Theodor Oberländer dabei, der später als Adenauers Minister wieder im »Einsatz« sein durfte.

Neulich war zu vernehmen, auf Minister Jung sei in Afghanistan ein Attentat geplant gewesen. Hätte es stattgefunden, wäre seiner auf dem Bundeswehr Ehrenmal gedacht worden. Wohl nicht ganz so wie die Münchner Feldherrnhalle an den blutbesudelten Feldherrn Tilly erinnert. Doch was nicht ist, kann noch werden bei der zunehmenden Geschwindigkeit unserer Zeitläufe.