Es geht auch anders

geschrieben von Christian Retlaw

5. September 2013

Das Oschatzer Neonazi-Urteil ist leider noch eine Seltenheit

Jan.-Feb. 2008

Wegen Volksverhetzung verurteilte das Landgericht Göttingen im Dezember das NPD-Vorstandsmitglied Thorsten Heise zu einem Jahr Gefängnis. Trotz mehrerer Vorstrafen wurde die Haftstrafe jedoch »zur Bewährung« ausgesetzt.

Dass Neonazis oft Haftverschonung »auf Bewährung« erhalten, stößt zunehmend auf Kritik. Solche Milde wird von Nazis nicht nur als »Schwäche« des von ihnen gehassten demokratischen Systems, sondern obendrein auch als Freibrief zur Fortsetzung ihrer Nazitätigkeiten angesehen. Eine Reihe von Wiederholungstätern bestätigt das.

Dass es auch anders geht, zeigte ebenfalls im Dezember das Amtsgericht Oschatz. Dort stand einer der Neonazis vor Gericht, die im August in Mügeln eine mörderische Treibjagd auf eine Gruppe von Indern unternommen hatten. Das Gericht verurteilte den neofaschistischen Schläger zu acht Monaten Haft ohne Bewährung. Der Richter erklärte ausdrücklich, dass solche Gewalttaten durch Haftverschonung »nicht noch belohnt werden« dürften; anderenfalls wirke das »wie eine Aufforderung zu neuen Taten«.

Freigelassen dagegen wurden in Magdeburg etwa zur gleichen Zeit die vier Angeklagten, die zu einer Gruppe neonazistischer Gewalttäter gehören, die im Juni in Halberstadt mehrere Schauspieler einer Theatergruppe brutal zusammenschlugen. Der Prozess wird zwar weitergeführt, das Gericht hob jedoch die Haftbefehle auf, weil »dringender Tatverdacht nicht mehr gegeben« sei. Dieser bestehe nur dann, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass die Angeklagten als Täter überführt werden können. Genau das sei aufgrund der mangelhaften polizeilichen Ermittlungsergebnisse nicht gegeben.

Das Gericht hatte bereits bei der Prozesseröffnung die Anklage wegen gemeinschaftlich begangener Gewalttaten nicht zugelassen, weil darüber in den Ermittlungsunterlagen von Polizei und Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte genannt würden. So blieb nur der Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Dieser muss jedem einzelnen Angeklagten konkret nachgewiesen werden. Das aber steht wegen der mangelhaften Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft auf schwachen Füßen, so dass sich bereits Freisprüche abzeichnen.

Solche polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Nachlässigkeit, die den Verdacht mangelnden Willens zur Täterermittlung geradezu provoziert, gehört nach wie vor zum bundesrepublikanischen Alltag.