Ganz große Militärkoalition

geschrieben von Ullrich Sander

5. September 2013

Was steckt hinter der Bundeswehrreform?

Juli-Aug. 2011

Minister de Maizière hat neue Verteidigungspolitische Richtlinien und das Konzept der »Bundeswehrreform« vorgelegt. Gleich zu Anfang betonte er, Deutschland müsse künftig noch mehr »in den Einsatz« gehen, und zwar mit ständig mindestens 10.000 Mann und das an vielen Fronten. Es gehe um Wirtschaftsinteressen – und noch mehr: Um allgemeine Interessen. Da gibt es schließlich auch noch das Interesse »nicht isoliert« zu sein. Kriegsgründe finden sich offenbar haufenweise und die Entwicklung weg vom Grundgesetz schreitet voran. Inzwischen haben auch die Grünen und die SPD-Abgeordneten im Bundestag dem Minister zugestimmt. »Neue Regeln für Auslandseinsätze« war ein Artikel in der »Süddeutschen« vom 27.05.2011 überschrieben, in dem weiter ausgeführt wurde: »SPD-Wehrexperten kommen de Maizière bei Reform der Bundeswehr entgegen.« Namens der SPD würde »der Schutz wohlverstandener ökonomischer Interessen, Stabilität als Voraussetzung für einen freien und fairen Welthandel sowie die Verpflichtung als Mitglied internationaler Organisationen« zum Aufgabenspektrum gezählt.

Offiziell hält de Maizière an dem vom Kabinett vorgegeben Sparziel von 8,3 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren fest. Entlastung verspricht er sich durch die Auslagerung von Personalkosten aus seinem Etat. Der SPD ist das zu viel gespart, »sie hält Einsparungen von höchstens 3,5 Milliarden Euro bis 2015 für möglich.«

Im Herbst, am 8. November, wird es zehn Jahre her sein, dass der Bundestag den verbrecherischen Krieg gegen Afghanistan beschloss. Unzählige Afghanen und eine steigende Zahl deutscher Soldaten sind diesem Bundestagsbeschluss zum Opfer gefallen. Einen Tag später fand damals vor dem Dortmunder Theater eine Friedenskundgebung statt. Ein prominenter Dortmunder Sozialdemokrat sagte mit Blick auf die Erpressung des Kanzlers, der die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbunden hatte: »Wenigstens sei die Regierung gerettet«. Ein zweifelhafter Vorteil, denn es war die Regierung Schröder, die die »Enttabuisierung des Krieges« propagierte. Die Position Willy Brands: »Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts« wurde von Schröder bewusst aufgegeben.

Doch wie ist es heute an der SPD- Basis und unter den »einfachen« Mitgliedern der Bundestagsfraktion – wurden sie überhaupt gefragt? Sind sie wirklich der Meinung, der Rüstungsetat müsse so hoch bleiben, wo nicht einmal mehr die CDU auf solchen Summen besteht?

Also fragte ich die aus meiner Region stammende SPD-MdB danach und auch nach den weiteren Positionen aus de Maizières Wunschkatalog. Zum Beispiel, welche Interessen er wohl gemeint hätte mit der Forderung, sich »nicht allein an nationalen Interessen zu orientieren«. Etwa Exportinteressen? Und wenn nicht deutsche, dann wohl die multinationaler Konzerne? Überhaupt der »Schutz wohlverstandener ökonomischer Interessen«: Sollen auch mit SPD-Segen neue Kolonialkriege geführt werden?

De Maizière fordert, »die Maßstäbe für deutsche Auslandseinsätze müssten neu justiert werden«. Sollten sie nicht endlich wieder so justiert werden, dass sie dem Grundgesetz entsprechen? Das hieße, keine Angriffskriege, keine Auslandseinsätze, denn die Bundeswehr ist nur zur Verteidigung da.

Und dann findet der Minister auch noch, die »Bemühungen um freiwillig Dienende seien zu wenig ambitioniert«. Also noch mehr Militärwerbung an Schulen? Noch mehr Druck auf junge Arbeitslose, zum Militär zu gehen und ihr Leben aufs Spiel zu setzen? Noch mehr Bundeswehrreservisten in Rathäusern und Landratsämtern zur »Zivilmilitärischen Zusammenarbeit«? Denn auch das strebt de Maiziere an: Mobilisierung zigtausender Reservisten für Kriegseinsätze und für die Heimatfront.

Ist das alles so einfach vereinbar mit sozialdemokratischer Politik? So fragte ich »meine« MdB. Leider bekam ich noch keine Antwort, doch ich werde hartnäckig bleiben. Vielleicht sollten wir uns überall in den Wahlkreisen an die Abgeordneten des Bundestages wenden und diese Fragen stellen. Am besten nicht nur jenen von der SPD.