Geschichtliche Wahrheit

geschrieben von Kurt Nelhiebel, Bremen

5. September 2013

Zu »Oberländer versus VVN« in antifa Juli/August

Sept.-Okt. 2009

Der verdienstvolle Artikel von Ludwig Elm über die Oberländeraffäre hat mich persönlich sehr berührt; ich war es nämlich, der jenen Artikel in der »Tat« vom 26. September 1959 geschrieben hat, dessen Verbreitung der damalige Bundesvertriebenenminister durch die Beschlagnahme der fraglichen Ausgabe unterdrücken wollte. Dass Oberländer damals selbst an den Druckort Fulda reiste, um zu nächtlicher Stunde von einem Richter die notwendige Verfügung zu erwirken, sprach nicht gerade für ein gutes Gewissen. Diese panikartige Reaktion deutete eher darauf hin, dass der Minister »Leichen im Keller« hatte, über die nicht gesprochen werden sollte. Allerdings erwies sich die Beschlagnahme als Bumerang, denn die Zeitungen begannen, sich für die Gründe des Verbots zu interessieren. Die einsetzende Diskussion über Oberländers Verhalten während der NS-Zeit brachte so viel Unrühmliches zu Tage, dass Adenauer sich etwa ein halbes Jahr später notgedrungen von seinem »tiefbraunen« Vertriebenenminister trennen musste. Fünfzig Jahre nachdem der Stein gegen Oberländer ins Rollen gekommen war, erinnerte nun Ludwig Elm an dieses besondere Kapitel unbewältigter Nachkriegsvergangenheit. Das ist umso notwendiger, als den jungen Menschen ein geschöntes Bild dieser Vergangenheit vermittelt wird. Selbst der Skandal um Theodor Oberländer wird umgedeutet. Der Historiker Manfred Kittel, der an der Regensburger Universität neuere und neueste Geschichte lehrt, behauptete, Oberländers Rücktritt sei »in der Sache unbegründet« gewesen. Die Einstellung des Verbotsverfahrens gegen die VVN bewertet er als »richterlichen Affront gegen die Exekutive«. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich damit dem Zeitgeist gebeugt. Nachzulesen ist das in Kittels Buch »Die Legende von der ‚zweiten Schuld’«, das in der Aussage gipfelt: »Sämtliche ‚antifaschistischen‘, neomarxistischen oder sonstigen restaurationskritischen Theorien zur misslungenen ‚Vergangenheitsbewältigung‘ in der Ära Adenauer gehören in das Reich der Legende.«