Heuchlerische Entrüstung

geschrieben von P.C.Walther

5. September 2013

Von den Naziverbrechern wurden nie Reuebekenntnisse verlangt

März-April 2007

Aus zahlreichen Mündern tönte es immer wieder: Die Verurteilten der RAF sollten erst einmal öffentlich Reue zeigen, bevor sie es überhaupt wagen dürften, nach Verbüßung der Mindesthaftzeit (von 24 Jahren!) den Rechtsanspruch auf Freilassung zu äußern oder gar eine Begnadigung (nach 25 Jahren) zu beantragen.

Mit Ausnahme der Angehörigen der Opfer, bei denen solche Gefühle und Erwartungen als verständlich gelten dürften, ist die Entrüstung bei den Meinungsmachern und Wortführern aus Politik und Gesellschaft mehr als heuchlerisch und verlogen, eher zweckbestimmt.

Wie war das denn bei den Naziverbrechern und Massenmördern aus der Nazizeit? Von denen wurden niemals öffentliche Reuebekenntnisse verlangt. Nirgendwo war das zu hören. Mehr noch: Mit Ausnahme des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß – der ja auch in alliierter Haft saß -, hat kaum ein Naziverbrecher seine Höchststrafe absitzen müssen. Die meisten von ihnen wurden vorzeitig freigelassen. Nicht wenige kamen sogar wieder in Amt und Würden. Viele von ihnen wurden nicht einmal verurteilt oder leben unbehelligt in Freiheit, obwohl sie an den Orten ihrer Verbrechen in anderen Ländern (so zum Beispiel in Italien) zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren.

Die Entrüster von heute sollen also nicht so tun, als wenn es ihnen um Anstand oder Moral ginge. Sie zeigen vielmehr, dass auch hier mit zweierlei Maß gemessen wird und dass unsere Gesellschaft nach wie vor auf dem rechten Auge blind ist. Mit den RAF-Verurteilten will man die Linken treffen, weil die vermeintlich aus dieser Richtung kamen, wenngleich sie mit ihrem menschenverachtenden Terrorismus überhaupt nichts mehr mit linker Politik und Gesinnung zu tun hatten.