„Liebe Deine Rasse“

geschrieben von Anne Rieger

5. September 2013

Neonazistinnen auf dem Vormarsch

Juli-Aug. 2007

Im September vergangenen Jahres gründete die NPD ihre Frauenorganisation „Ring nationaler Frauen“, RNF. Gitta Schüßler, Mitglied der sächsischen NPD-Landtagsfraktion, ist Bun-dessprecherin. „Ziel der RNF ist vorrangig in der Öffentlichkeit auf die Anliegen weiblicher Nationalistinnen aufmerksam zu machen, … und auch als Sprachrohr der nationalen Frauen – nach innen und nach außen – zu dienen.“ So in der Presseerklärung anlässlich der Gründung. Der RNF verstehe sich auch als eine Art Dachverband, der gerne sämtliche nationalen Frauen zusammenbringen möchte … und die möglicherweise existierende Hemmschwelle, in die Par-tei einzutreten, abbauen will. Zu dem im Januar 2007 in der Berliner Parteizentrale der NPD durchgeführten zweiten bundesweiten Treffen des RNF erklärte RNF-Sprecherin Stella Palau „Vertreterinnen aus vielen Teilen Deutschlands waren angereist“.

Die neofaschistische Szene gilt gemeinhin als Männersache. Doch verstärkt tauchen seit Be-ginn der 90er Jahre neofaschistische Frauenorganisationen auf. Es gibt für alle Angebote, für nationale Mamis, Skingirls oder altbackene Kaffeekränzchen für braune Omis. Wer für rechtsextremistische Häftlinge Päckchen packt, findet sich in der so genannten HNG – der Hilfsgemeinschaft nationaler Gefangener – wieder, das „braune Kreuz“, der so genannte Na-tionale Sanitätsdienst lockt „medizinisch Interessierte“. Der „freie Mädelbund“ wendet sich an junge Frauen, die „noch“ keine Kinder haben.

Speziell Mütter ruft die Gemeinschaft deutscher Frauen (GDF) auf. Sie stellt dafür eine „Zwergenseite“ ins Netz. Die Nachfolgeorganisation des Skingirl Freundeskreises Deutsch-land, davor Skingirl Front Deutschland, ist die größte neofaschistische Frauenorganisation. Sie wendet sich an „nationale“ Frauen mit dem Aufruf „leben in einer Zeit, in der wir uns un-serer Rolle, in der deutschen Volksgemeinschaft immer wieder auf ein neues klar machen müssen“, behauptet „in Deutschland gab es nie eine faschistische Bewegung“, weist auf NPD-Aufmärsche hin und stellt eine Karte ins Netz, auf der die „Wiedervereinigung“ mit polni-schen Gebieten gefordert wird.

Andrea Röpke, Politologin und freie Journalistin, Expertin auf dem Gebiet der Neofaschisten, beschäftigt sich intensiv mit der Neonazistinnenszene. Ihr Buch „Die Retterin der weißen Rasse – Rechtsextreme Frauen zwischen Straßenkampf und Mutterrolle“, sowie ihre Anfang des Jahres veröffentlichte DVD „NEONAZISTINNEN – Frauen in der rechten Szene.“ sind wahre „Who is who`s“ der neofaschistischen Frauenszene. Am Bundesvorstandsmitglied der NPD, Stella Palau, zeigt sich, mit welcher Konsequenz Frauen ihre neofaschistische „Mission“ verfolgen: Sie führte den Skingirlfreundeskreis Deutschland, war Gründungsmitglied der GDF, ist jetzt Sprecherin der RNF.

Renate Feldmann vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, weist darauf hin, dass es ebensoviel „rechts“ denkende Frauen wie Männer gebe. In Neonazi Gruppen und Or-ganisationen seien zwischen 20 und 30 Prozent Frauen zu finden, in Parteien zwischen 7 und 20 Prozent. Der Generalsekretär der NPD, Peter Marx, gab im Februar 27 Prozent Frauenan-teil in der NPD an, bei Zugängen sogar 50 Prozent.

Die Neonazistinnen arbeiten als ganz normale Frauen in ganz normalen Berufen. Sie sind un-auffällig und anpassungsfähig, „die Netten von nebenan“. „Die Gefahr, die von dieser Szene ausgeht, wird unterschätzt“, so Michela Kötting, Sozialwissenschaftlerin an der Uni in Göt-tingen. Und die Soziologin Renate Bitzan weist auf eine grundlegenden Veränderung hin: Rechtsextreme, nationalistische gesinnte Männer müssen sich ihre Freundinnen und potentielle Ehefrauen nicht mehr außerhalb der Szene suchen. „Komplette Familien werden heute nach einem rechten Weltbild erzogen“. Da passt es, wenn die völkische Truppe „Heimatreue Deut-sche Jugend“ HDJ, die größte Jugendbetreuende Neonazis Organisation, Kinder ab 7 Jahren in Zeltlagern „ideologisch erzieht“. In ihrer Zeitschrift Funkenflug heißt es: „Doch aus den sittlich hoch stehenden, untadeligen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des gro-ßen Traums gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter.“

Offenbar werden diese Kinder, insbesondere die Mädchen zur Retterin der weißen Rasse er-zogen. „Gegenwärtig ist im Rechtsextremismus eine transnational kompatible pan-arische Ideologie auf dem Vormarsch, die in der Szene selbst auch so genannt wird. Diese pan-arische Ideologie ist nicht mehr slawophob wie der Nationalsozialismus; sondern sie bezieht ausdrücklich alle „Arier“ mit ein – also Angehörige der „weißen Rasse“, wo immer sie sich aufhalten, sei es in Russland, in Südamerika, sei es in Nordamerika, in Australien oder ir-gendwo anders auf der Welt. Für die Vertreter dieser pan-arischen Ideologie geht es vor allem darum, die „weiße Rasse“ zu bewahren und nicht mehr in erster Linie die Nation“, beschreibt Thomas Grumke auf einer Tagung der Friedrich Ebert Stiftung 2005 die internationale Situa-tion des Antisemitismus.