Persilscheine für braune Burschen

geschrieben von Michael Csaszkòczy

5. September 2013

Was der VS nicht wissen will, ist auch der Regierung nicht bekannt

Sept.-Okt. 2012

Der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkòczy, der in den Jahren 2004 bis 2007 mit Berufsverbot belegt worden war, hat Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz erhoben. Ziel der Klage ist die vollständige Einsicht in die gespeicherten Daten und ihre anschließende Löschung. Details der juristischen Auseinandersetzung finden sich unter www.gegen-berufsverbote.de. Dort befinden sich auch Informationen über den zugrundeliegenden Berufsverbotsfall.

Die Anfrage der Linkspartei an die Bundesregierung, wie diese vor dem Hintergrund der jüngsten öffentlich gewordenen Skandale die Frage nach verfassungsfeindlichen Bestrebungen innerhalb der Deutschen Burschenschaft (DB) bewerte, war nicht darauf gerichtet, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Diese lagen all zu klar auf dem Tisch: Diskussionen um einen Arierparagraphen und die erforderliche »Körpermorphologie« eines echten Deutschen und kurz darauf die ungeheuerlichen Äußerungen des Schriftleiters der Burschenschaftlichen Blätter, Norbert Weidner, der in einer burschenschaftsinternen Zeitung Dietrich Bonnhoeffer als Vaterlandsverräter bezeichnet hatte, dessen Todesurteil durch den Volksgerichtshof »juristisch gerechtfertigt« gewesen sei. Weidner ist in der neofaschistischen Szene kein Unbekannter: Vor deren jeweiligem Verbot gehörte er den neonazistischen Gruppierungen Wikingjugend, FAP (Freiheitliche Arbeiterpartei) und HNG (Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene) an.

Selbst die vorsichtigeren Teile der DB, die sich selbst gern als »national-konservativ« oder gar als »liberal« bezeichnen, obgleich sie seit Jahrzehnten das völkische Konzept des »volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs« mitverfochten haben, sprechen von einem »rechtsextremen Putsch«. Dennoch stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort den selbsternannten »Eliten der Nation« weiterhin Blanko-Persilscheine aus: Es handele sich bei der DB um eine »demokratische Studentenorganisation« und »die überwiegende Mehrheit der Mitgliedsburschenschaften« unterhalte »keine Kontakte zu Rechtsextremisten.«

Die mehr als wohlwollende Haltung der Bundesregierung lässt sich vielleicht damit erklären, dass Korporationen tatsächlich immer noch über einen nicht zu unterschätzenden Einfluss in Wirtschaft und Politik verfügen (Bundesminister Ramsauer ist selbst Mitglied der DB). Wahrscheinlicher ist aber, dass in solchen Fragen immer noch die Meinung des Inlandsgeheimdienstes als einzig relevant angesehen wird. Wo dieser irreführenderweise als »Verfassungsschutz« (VS) bezeichnete Dienst politisch steht, dürfte nicht erst seit den Schlagzeilen um den »Nationalsozialistischen Untergrund« überdeutlich geworden sein. Und der VS diktiert der Regierung bezüglich der volksverhetzenden Äußerungen Weidners direkt in die Schreibmaschine: »Derzeit bestehen allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine von der DB vertretene Auffassung handelt.«

Als die Antwort der Bundesregierung eintraf, war sie bereits lange von der Realität überholt: Auf dem Burschentag am 4. Juni in Eisenach hatte sich eine überdeutliche Mehrheit der Mitgliedsbünde hinter Weidner gestellt und die »liberal-konservative« Fraktion zum Rücktritt von allen Ämtern gedrängt.