»Perverse und Abartige«

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Neonazis blasen zunehmend zur Hatz auf Schwule und Lesben

Sept.-Okt. 2008

In mehreren bundesdeutschen Städten sind Neofaschisten in den letzten Wochen gegen den Christopher-Street-Day (CSD) vorgegangen. Während Rechtsextremisten die Route der CSD-Parade in Rostock mit Parolen wie »Fuck CSD« und »Ihr die Perversion der Gesellschaft« besprühten, provozierten beim Münchener CSD am 12. Juli rund 25 Neonazis die Teilnehmer der Parade. Mit großen Plakaten postierten sie sich vor der CSD-Bühne. Auf den Schildern war unter anderem »Mehr Toleranz für Hetero-Familien«, »Keine Zwangshomosexualisierung«, »Familie = Vater+Mutter+Kind«, »Therapie gegen Heterophobie«, sowie Beleidigungen gegenüber dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) zu lesen.

Dass die anwesenden Schwulen und Lesben offenbar nicht bereit waren, sich von den gewaltbereiten Neonazis als potentielle Opfer missbrauchen zu lassen, zeigen indes die wehleidigen Kommentare auf einer einschlägigen Internetseite militanter Faschisten. »Mit Faust- und Schirmschlägen versuchten die von den Medien stets fälschlicherweise als ›friedlich‹ hingestellten Homosexuellen – aufgehetzt durch die vor Wut zittrigen Worte von OB Ude – die Plakate zu zerstören und die Leute zu verletzen, welche still und beharrlich ihren Protest zum Ausdruck brachten«, heißt es dort.

Trotzdem betrachten die Rechtsextremisten ihre Aktion im Internet als vollen Erfolg. So auch in Rostock. Hier feierten die Neonazis ihre nächtliche Sprühaktion und betonten in Anspielung auf die neofaschistischen Pogrome gegen Schwule und Lesben im ungarischen Budapest, dass »die CSD-Teilnehmer eigentlich dankbar dafür sein« könnten, dass »sie nur mit Grußbotschaften bedacht wurden«.

Indes nehmen die Hassattacken auf Schwule und Lesben weiter zu. So wurde Mitte August ein Anschlag auf das Mahnmal für homosexuelle Opfer des Faschismus im Berliner Tiergarten verübt. Die unbekannten Täter zerstörten eine Fensterscheibe des Denkmals, hinter der eine Videosequenz mit einer Kussszene zweier Männer zu sehen ist.

Die Stadt München stellte bereits Anfang diesen Jahres Strafantrag gegen die selbsternannte Bürgerbewegung »Pro München«, da diese in ihrer Wahlkampfzeitung folgendes kundtat: »Nicht länger sollen in der Öffentlichkeit provozierend auftretende Schwule, Perverse und Abartige als Vorbilder Kindern und Jugendlichen vorgehalten werden.« »Pro München« gilt als Ableger der rechtsextremen »Bürgerbewegung Pro Köln«, die 1996 gegründet wurde und in der sich diverse Rechtsextremisten tummeln, die zuvor bereits in offen rassistischen und nazistischen Gruppierungen und Parteien aktiv waren. Die Wählervereinigung »Pro Köln«, die seit 2004 in Fraktionsstärke im Rat und allen Bezirksvertretungen der Domstadt sitzt, hat sich in der Vergangenheit durch Stimmungsmache gegen Nichtdeutsche, Schwule und Lesben und andere so genannte Minderheiten einen Namen gemacht. Zwar sind die »Pro«-Funktionäre bemüht, sich in der Öffentlichkeit ein bürgerliches Antlitz zu geben, das Gros von ihnen war jedoch bereits in der Vergangenheit in rechtsextremen Parteien und Gruppierungen aktiv.

Der ehemalige CDU-Politiker Henry Nitzsche, der nunmehr Vorsitzender des »Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland« und fraktionsloses Mitglied des Deutschen Bundestages ist, hat ein Grußwort für die Veranstaltung verfasst. Mit der Parole »Arbeit, Familie, Vaterland«, die auch schon von der neofaschistischen NPD verwendet worden war, hatte Nitzsche auf Plakaten für die Bundestagswahl 2005 geworben. Bei einer Veranstaltung zum Thema Patriotismus soll Nitzsche nach Zeugenaussagen gesagt haben, dieser werde gebraucht, »um endlich vom Schuldkult runterzukommen« und damit »Deutschland nie wieder von Multi-Kulti-Schwuchteln in Berlin regiert wird«.

Mittlerweile haben sich in Köln mehrere Bündnisse gegründet, die zu Protesten gegen den »Pro NRW«-Kongress aufrufen und diesen friedlich blockieren wollen. Darunter auch linke Homogruppen.