Postume Integration

geschrieben von Regina Girod

5. September 2013

Oder: Was uns das Beispiel von Horst Tappert lehrt

Mai-Juni 2013

Nach der Ausstrahlung des Dreiteilers »Unsere Mütter und unsere Väter« erschien in einer Springerzeitung eine mehrseitige Sammlung persönlicher Berichte von Menschen, die sich angeregt durch den Film über die Beteiligung von Familienangehörigen an Naziverbrechen äußerten. Von »Mein Vater fuhr Züge nach Auschwitz« über »Mein Opa war Aufseher in einem KZ« bis zu »Mein Onkel hat in Russland an Erschießungen teilgenommen.« Die Grundstimmung der Texte war Betroffenheit. Die meisten versicherten, dass die Betreffenden so gut wie nie darüber gesprochen hätten, die Familien also wenig wussten und auch von sich aus kaum darüber reden wollten. Offenbar ist es aber wichtig, irgendwann solche »Leerstellen« in die eigene Geschichte zu integrieren. Bloß wie?

Ein paar Wochen später wird das Rezept dafür geliefert: »Derricks düsterster Fall – Horst Tappert war Mitglied der Waffen-SS« titeln einschlägige Blätter. Zwar ist die Faktenlage in dem Fall genauso dünn wie bei allen anderen, die ihr Leben lang geschwiegen haben. Doch das macht nichts, schließlich gibt es ja Historiker, die z. B. als »SS-Experten« für Spiegel-Online tätig sind. Die erklären dann, dass der Krieg in der Sowjetunion »sehr brutal« gewesen sei und »das Völkerrecht dabei nicht beachtet wurde«. Welchen Anteil Einzelne daran hatten, könne man nicht wissen und Horst Tappert sei auch nur ein einfacher Soldat gewesen.Damit kann man leben.

Dass die SS-Division »Das Reich«, die gemeinsam mit Tapperts Einheit »kämpfte«, eine schreckliche Blutspur durch ganz Europa zog – vergeben und vergessen. Der Krieg war grausam und im Zweifelsfall waren es bestimmt die anderen.

So einfach ist das.