Rechts gleich links?

geschrieben von Axel Holz

5. September 2013

Gespräch zur Verfassungsänderung in Mecklenburg-Vorpommern

Mai-Juni 2008

In der Ausgabe Januar/Februar 2008 hat die antifa in der Diskussion um die Änderung der Verfassung in Mecklenburg-Vorpommern auf Initiative der Linkspartei zwei Stellungnahmen zur umstrittenen Formulierung dieser Änderung abgedruckt. Für die Verfassungsänderung votierte Peter Ritter, Vorsitzenden der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern, in seinem Beitrag »Landesverfassung geändert«. Dagegen sprach Jupp Angenfort, jahrelang wegen seiner politischen Auffassungen in der BRD verfolgt und inhaftiert. Seine Wortmeldung stellte er unter die Überschrift: »Rechts gleich links in Schwerin«.

Eine Verständigung unter den Disputanten oder gar Annährung war in den polemischen Beiträgen nicht erkennbar. Deshalb lud die VVN Mecklenburg-Vorpommern den VVN-Bundessprecher Ullrich Sander und die Linken-Spitze aus Schwerin anlässlich der Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA nach Rostock zu einem Gespräch ein. Beide Seiten folgten der Einladung und so war schon ein Ergebnis im Dialog erzielt: Die Protagonisten sprachen miteinander.

Viel Neues hat die Debatte allerdings nicht gebracht. Immerhin kam Linkspartei-Chef Peter Ritter zu der Erkenntnis, dass das Schweriner Modell einer antifaschistisch motivierten Verfassungsänderung in Mecklenburg-Vorpommern ein Erfolg, aber wohl bundespolitisch nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragbar sei. Gemeint waren hier vor allem die alten Bundesländer, in denen Antifaschisten tausendfach die Bekanntschaft mit Berufsverbot oder gar Haft auf Grund ihrer politischen Überzeugungen erfahren hatten, die als extremistisch eingestuft worden waren. Der Name war Programm: »Extremistenerlass«.

Eben an dieser Formulierung war die Debatte um die Verfassungsänderung in Mecklenburg-Vorpommern entbrannt. Denn neben Friedenspflicht und Gewaltfreiheit für alles staatliche Handeln sowie dem Verbot der Verbreitung rassistischen Gedankenguts hatte sich die Linkspartei auch dem Drängen der anderen demokratischen Parteien im Landtag gebeugt, extremistisches Gedankengut zu ächten. An diesem Punkt konnte wiederum Ulrich Sander kein Abrücken von seiner Position erkennen lassen. Für ihn richtet sich das Extremismusverbot erfahrungsgemäß gegen Linke und Antifaschisten. Auch diene der Extremismusvorwurf paradigmatisch der Gleichsetzung von Unvergleichbarem in der Geschichte und damit der Relativierung der Nazi-Verbrechen. Ulrich Sander, der als Kommunist in Westdeutschland verfolgt war und heute als Mitglied der Linkspartei den Schritt zu einem Zusammenwirken unterschiedlicher Kräfte in der Linkspartei mit gegangen ist, gibt sich nicht zufrieden mit der Erklärung, dass die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern von führenden Vertretern der Regierung und des Parlamentes nicht als extremistisch angesehen werde. Vor allem könne er nicht akzeptieren, dass die Linkspartei mit ihrer Entscheidung eine Bewertung für linke Politik schlechthin beanspruche.

Beide Disputanten erhielten während der Delegiertenkonferenz Beifall. Übrig bleibt die Erkenntnis, dass man geschichtliche Erfahrungen im Umgang mit dem Staat BRD ernst nehmen muss. Andererseits bedeutet die Verpflichtung zur demokratischen Auseinandersetzung auch die Anerkennung dessen, dass Kompromisse Bestandteil der politischen Kultur sind. Schließlich hat die Debatte einmal mehr deutlich gemacht, dass in einem Staat mit autonomen parlamentarischen Handeln von Bund und Ländern unterschiedliche Bedingungen zu einer unterschiedlichen Beurteilung politischer Situationen führen können. Diese Unterschiede sollten Linke und Antifaschisten tolerieren und schätzen.