Reporter aus Leidenschaft

geschrieben von Hans Canjé

5. September 2013

Ausstellungen und eine neue Publikation zu Egon Erwin Kisch

Juli-Aug. 2008

Klaus Haupt

Egon Erwin Kisch (1886-1948) Der rasende Reporter aus dem Prager ›Haus zu den goldenen Bären‹«, Hentrich & Hentrich, 72 Seiten, 6,90 Euro.

Zu beziehen auch über www.mediengalerie.org

Bei der heute üblichen Manie, jedermann/frau in eine Schublade abzulegen, würde man ihn vielleicht einen »investigativen Journalisten« nennen, einen »Aufdecker« oder »Enthüller«, diesen Egon Erwin Kisch, den die ver.di-Mediengalerie im Berliner Haus der Buchdrucker anlässlich seines 60. Todestages vom 1. April bis zum 16. Mai mit einer beeindrucken Ausstellung gewürdigt hat. Wer sie damals nicht sehen konnte, kann sie in Ausschnitten noch bis zum 25. September in der Galerie Olga Benario, in Berlin betrachten. Der Weg dort hin lohnt, wenn auch, wie gesagt, schon wegen des erforderlichen Platzes, nicht mehr die ganze Ausstellung des Wiener Jüdischen Museums gezeigt werden kann. Zur Auffüllung der Lücken sei dem potentiellen Besucher das Büchlein »Egon Erwin Kisch Der rasende Reporter Aus dem Prager ›Haus zu den goldenen Bären‹« aus der Reihe Jüdische Miniaturen des Verlages Hentrich & Hentrich empfohlen.

Der Berliner Journalist Klaus Haupt, der auch an der Ausstellung in der Mediengalerie beteiligt war, und dem Wirken Kischs seit langem verbunden ist, zeichnet hier die Lebensstationen des Mannes nach, der seine Vita einmal in den Satz zusammen fasste: »Ich bin Tscheche, ich bin Deutscher, ich bin Jude, ich bin Kommunist, ich komme aus gutem Hause irgendetwas davon hat mir immer geholfen.« Geholfen hat ihm aber zuvörderst sein Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen, die Welt erkennbar zu machen, um sie lebenswert für alle zu gestalten.

Klaus Haupt erzählt vom Leben und Wirken Kischs in Prag und von seinen Berliner Jahren. Bei seinem ersten Berlin-Aufenthalt muss er mit den Hauptstädtern nicht nur gute Erfahrungen gemacht haben, Haupt zitiert aus einem Brief vom 11. November 1905 an den Bruder: »Berlin im allgemeinen ist direkt furchtbar. Trotz der Annehmlichkeiten, welche das ungestörte, selbständige Leben bietet, wäre ich lieber in Prag. Der Berliner ist im allgemeinen ein Ekel, im besondere zwei Ekel, die Berlinerin ein ganzes Konglomerat von Ekel.« 1921 siedelte Kisch ganz nach Berlin über. Sein Aufenthalt fand 1933 mit der Machtübertragung an die Faschisten ein jähes Ende. Nach dem Reichstagsbrand wurde er festgenommen, in das Zuchthaus Spandau verschleppt und am 11. März 1933 aus Deutschland ausgewiesen. Am 10. Mai wurden auch seine Bücher auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Der Leser wird mitgenommen auf die Reise nach Frankreich, wo Kisch Zeugnis gibt von der faschistischen Herrschaft in Deutschland und folgt ihm 1934 auf der Fahrt nach Australien. Hier soll er als Delegierter des Weltkomitees gegen Krieg und Faschismus am Antikriegskongress teilnehmen. In »Landung in Australien« ist nachzulesen, wie diese Reise verlaufen ist.

Mit Wort und Feder ist Kisch in Spanien selbstverständlich auf der Seite derjenigen, die die Republik gegen die Franco-Putschisten und ihre deutschen und italienischen faschistischen Verbündeten verteidigen. Es folgen ein Aufenthalt in den USA und dann als letzte Station Mexiko, wo viele antifaschistische Emigranten Zuflucht gefunden haben. Hier entsteht sein letzter großer Reportageband »Entdeckungen in Mexiko«. Klaus Haupt zitiert hierzu einen Brief des ebenfalls im Exel lebenden Schriftstellers Heinrich Mann: »Er hat ein artistisches Gefühl für die Wirkungen der Sprache, die er schreibt, für das Innere der Menschen, mit denen er spricht .«

Am 31. März 1948 hörte das Herz des »rasenden Reporters« auf zu schlagen. Er starb in Prag, seiner Geburtsstadt. »Er war ein Mann mit Charisma und Charakter«, resümiert Klaus Haupt, »ein jüdischer Kommunist. Er liebte die Wahrheit und den Report über das wahre Leben über alles, ein Reporter und Schriftsteller mit Leidenschaft.«