»Scheinbar keine schlechten Ideen«

geschrieben von Martin Schirdewan

5. September 2013

Jan.-Feb. 2011

In den zurückliegenden Jahren haben die Neonazis versucht, sich im Burgenlandkreis breit zu machen. Hier wurde ein Ableger der Jungen Nationalisten gegründet, der ehemalige NPD-Landesvorsitzende Andreas Karl stammt aus der Region, die NPD sitzt in Fraktionsstärke im Kreistag, die öffentliche Debatte um den rechtsextremen Schornsteinfeger und Jugendfußballtrainer Lutz Battke hat hier ihren Ursprung.

Dies attestierte ein SPD-Bürgermeister in Sachsen-Anhalt der NPD. Der Mann irrt nicht nur in der Bedeutung des Wortes scheinbar. Anscheinend hat der Krauschwitzer Bürgermeister Hans Püschel die politische Orientierung verloren. Die von ihm verwaltete Gemeinde Krauschwitz liegt im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt, einer Region, die vor 1990 sowohl industriell als auch agrarisch geprägt war und mit der Wende zu einem der ökonomisch schwächsten Landkreise in Deutschland geworden ist. Die soziale Schieflage in der Region ist beträchtlich, die demographischen Folgen sind bekannt. Auch wenn sich die Chemie wieder entwickelt und der Weinanbau mit den Kohletagebauen harmoniert, steht der Kreis noch immer vor gewaltigen sozialen Herausforderungen, die durch die Politik auf Bundes- und Landesebene noch verschärft werden. Beispiele? Die Regelung für die Kosten der Unterkunft (KdU), die jüngsten Kürzungen beim Bundeshaushalt in der Städtebauförderung und der energetischen Gebäudesanierung.

All das kann einem Kommunalpolitiker graue Haare wachsen lassen, entschuldbar werden Aussagen à la »nicht die NPD gefährde den Rechtstaat, sondern die Parteien der Mitte, die sich nicht um die Gesellschaft kümmerten« dadurch jedoch nicht.

Püschel sagte dies anlässlich seines Besuches des NPD-Bundesparteitags am 6.11.2010 in Hohen-mölsen, einer Stadt im Burgenlandkreis, auf dem die NPD den Weg für die anstehende Fusion mit der DVU ebnete. Nein, SPD-Püschel gesellte sich nicht zu den zahlreichen Gegendemonstranten.

Dennoch ist der Burgenlandkreis kein Rückzugsgebiet für Nazis. Es gibt eine rege Szene gegen den Rechtsextremismus. Lokale Bündnisse für Demokratie, alternative Jugendgruppen, antifaschistische Musikfestivals bilden in Zusammenarbeit mit Parteien jenseits der NPD die Zivilgesellschaft, die nach Antworten auf Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung sucht, ohne den antidemokratischen Weg zu beschreiten, auf dem Püschel jetzt anscheinend der NPD und ihren eben nur scheinbaren Antworten auf die Herausforderungen und Probleme der Gesellschaft folgt.

Püschel ist ein eigener Fall, ein Skandal zumal. Doch steht er – trotz all der Sarrazins und Henkels – nicht für eine allgemeine Tendenz.