Späte Würdigung

geschrieben von Richard Häsler

5. September 2013

Der Buchenwald-Überlebende Ottomar Rothmann wird Ehrenbürger von
Weimar

Sept.-Okt. 2011

Am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, wird Ottomar Rothmann Ehrenbürger der Stadt Weimar. Rothmann, der nach seiner Lagerhaft im KZ Buchenwald in Weimar geblieben ist, hat sich mit seiner Lebensleistung große Verdienste bei der Aufklärung über die Rolle des NS Staates und bei der Bewahrung des antifaschistischen Erbes erworben. Dafür ehren ihn die Weimarer Bürger.

Ottomar Rothmann wurde am 6. Dezember 1921 in Magdeburg geboren, er war das achte Kind der Eheleute Alma und Berthold Rothmann. Der Vater, überzeugter Sozialdemokrat, nahm großen Einfluss auf die Erziehung der Kinder. Sowohl die Geschwister als auch Ottomar wirkten in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit. Ottomar verdingte sich neben seinem täglichen Schulbesuch als Laufbursche und steuerte seinen Wochenlohn dem Familienbudget bei. Ab 1936 absolvierte er eine Lehre als Einzelhandels- und Großhandelskaufmann.

Mit ihrer politischen Einstellung geriet die Familie Rothmann schon früh mit dem nationalsozialistischen Regime in Konflikt. Zwei seine Brüder wurden verhaftet und inhaftiert. Die Mutter kam in Sippenhaft, als sich einer der Brüder nach seiner Entlassung einem erneuten Zugriff der Gestapo entzog. Zu Beginn des Krieges lehnte sich auch Ottomar gegen die Nationalsozialisten auf. Mit seinem alten Kinderdruckkasten druckte er Zettel gegen Hitler und gegen den Krieg und klebte sie an Haustüren und Wände. Am 30. Januar wurde er verhaftetet und in das Magdeburger Polizeigefängnis gebracht. Einzelhaft und Gestapo- Verhöre schafften es nicht, sein Schweigen zu brechen. Nach zehn Wochen erfolgte die Entlassung. Doch an der Außentüre des Gefängnisses erwartete ihn die Gestapo, die ihn zwang, einen Schutzhaftbefehl zu unterschreiben. Dieser begründete sich aus dem unbewiesenen Vorwurf »Verdacht und Vorbereitung zum Hochverrat und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit«. Das bedeutete Konzentrationslager. Es folgte die Überführung nach Halle in das Polizeigefängnis »Alte Mühle«, wo er 10 Tage lang Zeuge von Folter und Misshandlungen an Mitgefangenen wurde. Dann der Abtransport in das KZ Buchenwald. Was ihn im Konzentrationslager erwartete vermittelte ihm bei seiner Ankunft ein SS-Mann durch Schläge, »Sachsengruß« und andere Schikanen.

Als Häftling mit der Nummer 6028 kam er in den Block 17, den Quarantäne und Zugangsblock. Der Blockälteste war der Kommunist Theo Eul und Blockschreiber war Otto Storch, der schon seit 1933 als Kommunist inhaftiert und einer der zuerst eingelieferten Buchenwaldhäftlinge war. Otto Storch hatte großen Einfluss auf Ottomar. Zunächst ließ er ihn überprüfen, ohne dass es Ottomar bemerkte. Als sich herausstellte, dass die von ihm gemachten Angaben stimmten, er verschwiegen und zuverlässig war, wurde er als Stubendienst und Blockschreiber eingesetzt. Seine Aufgaben waren: Die Häftlingsregistratur, die Vergabe von Häftlingsnummern und die Ausgabe von Winkeln, die Verlegung von Häftlingen in andere Blocks oder in den Krankenbau, die Häftlingspost für die Außenkommandos. Damit hatte Ottomar Kontakte zu den meisten Blockältesten, die zu diesem Zeitpunkt beinahe alle Kommunisten waren, sowie Zugang in die übrigen Lagerbereiche im Hauptlager. Bei dieser Tätigkeit erhielt er zwangsläufig Einblick in Aktionen des illegalen Lagerwiderstandes, ohne über die Einzelheiten der Organisationsstruktur informiert zu sein.

Ottomar war unter Einsatz seines Lebens an zahlreichen Rettungs- und Solidaritätsaktionen des illegalen Lagerwiederstandes beteiligt. Er bewahrte Häftlinge vor Todestransporten, indem er Veränderungen in den Karteien vornahm. So versteckte er Franz Neumeister vor dem sicheren Zugriff der SS in seiner Baracke.

Als politischen Höhepunkt in seinem Leben bezeichnet er den Tag im Januar 1945, an dem ihm Otto Storch übermittelte, dass ihn die Kameraden als Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands aufgenommen hatten. Da war er 23 Jahre alt. Gemeinsam mit 21000 überlebenden Kameraden leistete er am 19. April 1945 den Schwur von Buchenwald, der sein ganzes weiteres Leben prägte.

Nach dem Krieg beteiligte sich Ottomar als Mitglied des »Anti-Nazi Komitees« an der Entnazifizierung im Umfeld von Weimar. In der Folgezeit wirkte er beim Wiederaufbau der Wirtschaft und der Versorgung der Bevölkerung Thüringens in verantwortungsvollen Positionen mit. Als ihm im November 1974 der Vorschlag unterbreit wurde, die Leitung der im Entstehen begriffenen pädagogischen Abteilung in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald zu übernehmen, sagte er nach gründlicher Überlegung zu. Beim Aufbau dieser Abteilung und der Befähigung ihrer Mitarbeiter erwarb er sich große Verdienste.

Auch nach seiner Pensionierung 1986 blieb Ottomar Rothmann der Gedenkstätte verbunden. Als Mitglied des Häftlingsbeirates der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald/Mittelbau- Dora nimmt er Einfluss auf deren Arbeit. Seit 1979 arbeitete Ottomar Rothmann mit Gruppen der »Aktion Sühnezeichen – Friedensdienste« zusammen. Er wurde ein geschätzter Gesprächspartner für sie. Bis heute tritt er ständig in Zeitzeugengesprächen mit Jugendlichen auf. Als langjähriges Mitglied des Thüringer Verbandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und als gefragter Redner zu antifaschistischen Gedenkveranstaltungen steht er auch im fortgeschrittenen Alter mitten im Leben.