Stationen eines Streitbaren

geschrieben von Andreas Diers

5. September 2013

Am 15. September vor 25 Jahren starb Wolfgang Abendroth

Sept.-Okt. 2010

Wolfgang Abendroth wird am 2. Mai 1906 in Elberfeld als Sohn eines sozialdemokratischen Lehrerehepaares geboren. Er besucht nach dem Umzug der Familie nach Frankfurt am Main das Realgymnasium und studiert anschließend Rechtswissenschaften in Frankfurt, Tübingen und Münster. Durch das Erlebnis des Ersten Weltkrieges, der Novemberrevolution, der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wird Abendroth früh in der Arbeiterbewegung tätig. 1920 beginnt seine Mitgliedschaft im Kommunistischen Jugendverband (KJVD), später auch in der KPD. Außerdem arbeitet er in der Roten Hilfe mit. In Frankfurt unterstützt er auch die Arbeit des Sozialistischen Schülerbundes (SSB), dem zu dieser Zeit u.a. der bekannte Antifaschist Emil Carlebach angehört.

Nachdem Abendroth 1928 wegen seiner Kritik an dem »ultralinken« Kurs und der Sozialfaschismusthese aus der KPD ausgeschlossen wird, schließt er sich der KPD-Opposition (KPO) an.

1935 promoviert Abendroth in Bern mit einer Dissertation über Völkerrecht. Am 22. Februar 1937 wird er verhaftet und von der Gestapo in Berlin äußerst brutal gefoltert. Am 30. November 1937 erfolgt seine Verurteilung zu vier Jahre Zuchthaus. Abendroth wird am 30. Mai 1941 aus der Haft entlassen, aber schon Anfang 1943 zur Strafdivision 999 eingezogen und in Griechenland auf der Insel Lemnós eingesetzt.

Auf Lemnós sucht Abendroth Kontakt zu Antifaschistischen und Partisanen. Mit deren Hilfe desertiert er 1944 zur griechischen Widerstandsorganisation ELAS. Im Oktober 1944 wird er auf britischen Druck hin von der ELAS in britischen Gewahrsam übergeben und von Lesbos aus als Kriegsgefangener nach Ägypten überführt. In Gefangenenlagern beginnt er in der Wüstenuniversität mit politischer Schulungsarbeit, um demokratische Verwaltungskräfte auszubilden. Später wird Abendroth in das Umerziehungslager Wilton Park Training Centre gebracht. Ende November 1946 kommt Abendroth aus der Kriegsgefangenschaft frei.

Nach verschiedenen Tätigkeiten in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands erfolgt im Dezember 1948 seine Ernennung zum Professor für öffentliches Recht und Politik an der Hochschule für Arbeit, Politik und Wirtschaft in Wilhelmshaven. 1950 erfolgt seine Ernennung zum Professor für wissenschaftliche Politik an der Universität Marburg. Dort ist er als marxistischer Hochschullehrer bis zu seiner Emeritierung 1972 wissenschaftlich und politisch tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit sind u.a. die Erforschung des antifaschistischen Widerstandes, die Geschichte der Arbeiterbewegung, das politische System der BRD, Fragen des Völkerrechts, Probleme der deutschen Parteien und des Parteiensystems.

Ab 1949 ist Abendroth Mitglied des Staatsgerichtshofs der Freien und Hansestadt Bremen Dort verfasst er einige abweichende Voten. Von besonderer Bedeutung ist dabei sein abweichendes Votum im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Verbotes der KPD auf die Abgeordneten der KPD in der Bremer Bürgerschaft. Von 1959 bis 1963 ist Abendroth auch Mitglied des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen.

Abendroth wirkt in zahlreichen Organisationen mit, gehört teilweise zu ihren Gründern. Dazu gehören u.a. der Bund demokratischer Wissenschaftler (BdWi), die Vereinigung demokratischer Juristen (VdJ) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA). Zudem ist er im Herausgeberkreis mehrerer Zeitschriften aktiv, wie z.B. von Demokratie und Recht, Das Argument, Blätter für deutsche und internationale Politik.

Abendroth ist in den 50er Jahren eng in den Versuch einer linkssozialistischen Plattform in der SPD rund um die Zeitschrift Funken eingebunden. Er gehört dem Förderverein des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) an. Nach dem Bruch der SPD mit dem SDS wird Abendroth aufgefordert, seine Unterstützung für den SDS aufzugeben. Seine Ablehnung dieser Forderung führt 1961 zum Ausschluss aus der SPD. In den 1960er Jahren ist er einer der Gründer des Sozialistischen Bundes. Abendroth gilt als ein wichtiger Fürsprecher der studentischen Protestbewegung, revolutionäre Bestrebungen einer intellektuellen Minderheit ohne Einbindung in die Arbeiterbewegung lehnt er jedoch ab.

Im Vorfeld der Bundestagswahlen 1969 bildet sich – ausgehend vom Gießener Kreis um Wolfgang Abendroth und Werner Hofmann – als Reaktion auf die Notstandsgesetze die Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF). Als Anfang der 1980er Jahre einige sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete aus Protest gegen die Politik der SPD aus der Partei austreten und die Demokratischen Sozialisten gründen, unterstützt Abendroth deren Wahlkampf für die Bundestagswahl 1983, ebenso die etwas später gegründete Partei Die Friedensliste, die bei den Europawahlen 1984 kandidiert. Auch in den Grünen sieht Abendroth Anfang der 1980er Jahre einen potentiellen Druckpartner von links auf die SPD – und beginnt sich seinerseits in ökologische Fragestellungen zu vertiefen.