Was heißt hier Heroismus?

geschrieben von Sabine Kebir

5. September 2013

Ein ungewöhnlicher Partisanenroman stellt sich der Frage

Jan.-Feb. 2008

Der Linkspolitiker Diether Dehm ist seit den siebziger Jahren auch bekannt als Sänger, Komponist und Texter von Rockmusik, von scharfzüngigen Dramen und Romanen. Nun überrascht er mit einem umfangreichen epischen Werk: einem Partisanenroman. An seinem langjährigen Urlaubsort am Lago Maggiore hatte er schon in den sechziger Jahren ehemalige Partisanen der norditalienischen Resistenza kennen gelernt, die zu der Gruppe gehörten, die Mussolini wenige Kilometer vor der Grenze zur Schweiz festnahm. Während der letzten Kriegsjahre war es ihr gelungen, in diesem Gebiet die Herrschaft der von deutschen Elitetruppen unterstützten italienischen Faschisten infrage zu stellen. Dehm hat die dramatischen Entwicklungen im Ossolatal historisch genau zu rekonstruieren versucht und doch – oder wohl gerade deshalb – einen veritablen Abenteuerroman geschrieben. Dass er die gängigen Partisanenklischees unterläuft, macht ihn um so spannender: es geht nicht um Heldentum an sich und es sind nicht die Radikalsten, die im historischen Prozess recht behalten. Der antifaschistische Partisan – so Dehm – »hat Angst davor, totgeschossen zu werden und er hat sogar auch Angst davor, andere tot zu schießen. Er empfindet es als ekelhaft, in den Krieg zu ziehen, weil Krieg etwas Ekelhaftes ist. Aber notgedrungenermaßen tut er es, weil er es als eine Zwangsläufigkeit erkennt.«

Im Gegensatz zu Deutschland gelang es in Norditalien, ein im Volk verankertes militärisches Gegengewicht zur faschistischen Herrschaft aufzubauen. Das war nur möglich, weil sich die Menschen hier bereits ein anderes als das von den Faschisten vertretene »Sozialmodell« für die Zukunft konkret vorstellen konnten. Ein Höhepunkt von Dehms Roman ist der Zeitpunkt, als es die lokale militärische Situation zu erlauben scheint, im Ossolatal eine neue demokratische Minirepublik zu errichten. Dieser von vielen ersehnte Moment spaltet die Partisanen in einen Teil, der die Macht ergreifen will und einen anderen, der das aus geopolitischen Gründen für gefährlich ansieht. Zwar hat man Kontakt mit den Engländern, die im schweizerischen Locarno einen Generalstab unterhalten, um die Entwicklung in Norditalien beobachten zu können. Auch die Engländer drängen die Partisanen zu mutigen Aktionen und versprechen ihnen, in ihrem Gebiet eine Fluglandebahn zu errichten. Die Partisanen versprechen sich davon nicht nur Unterstützung mit Waffen, sondern auch das baldige militärische Eingreifen der Alliierten, die bislang nur den Süden Italiens besetzen. Den Versprechungen der Engländer, aber auch der Einschätzung der eigenen Kräfte mit der notwendigen Skepsis zu begegnen, setzt Allgemeinbildung und geopolitische Kenntnisse voraus, die die meisten Partisanen nicht haben. Und so zeichnet sich im Riss in ihren Reihen dann auch wieder eine alte soziale Spaltung ab: Es ist der aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Renzo, die Hauptfigur des Romans, der die Gefahren eines glatten revolutionären Durchmarschs am deutlichsten erkennt. Er wird aber als intellektueller Spinner und schließlich sogar als Verräter betrachtet. Diese Gestalt verkörpert ein Problem, das in linken Bewegungen immer wieder auftaucht und – so die historische Erfahrung – oft in Populismus mündet. Linke Intellektuelle müssten aber – so Dehm – »wie Renzo, den Mut haben, auch mal fest gegen Massenstimmungen aufzutreten«, selbst wenn das persönlich tragische Konsequenzen hat. »Seine intellektuelle Aufrichtigkeit treibt Renzo in die Isolation, er verliert damit sogar die Frau, die er liebt. Das geht ja soweit, dass ihm ein Priestermord angedichtet wird. Eine Zeit lang sind alle, Faschisten wie Partisanenführung, heilfroh, dass man den Querulanten mit diesem Rufmordgerücht los ist. Die Ablehnung, die Renzo erfährt, kränkt seine ganze kleinbürgerliche Eitelkeit.« Damit ist die Verschiebung benannt, die die Begriffe des Heldentums und der Opferbereitschaft in Dehms Roman erfahren: Heroismus ist nicht nur die Bereitschaft, sein Leben im physischen Sinne für eine Bewegung zu opfern, sondern kann noch in ganz anderem Verzicht bestehen. Dass Renzos Isolation ein Ende findet, entspricht der realen historischen Entwicklung: Ein Lernprozess in der Bewegung bewirkte, dass die radikale Lösung aufgegeben wurde. Statt zum Entscheidungskampf zu blasen, wurden etwa 20.000 Bewohner des Ossolatals in die Schweiz evakuiert.