Was nicht zur Debatte steht

geschrieben von Friedbert Mühldorfer

5. September 2013

Ja zum solidarischen Meinungsstreit, nein zur Einengung

Juli-Aug. 2008

Streit über Zusammenhänge von Kapitalismus und Faschismus, über Ursachen des Faschismus, über Wege zu dessen Bekämpfung, über das Ausmaß der Gefahren heute sind immer wieder neu zu führen, gehören zur VVN und machen deren Lebendigkeit als Bündnisorganisation aus.

Eine solche Debatte aber berührt nicht den Charakter, die Ausrichtung der VVN, das heißt: Sie kann nur auf Grundlage der weltanschaulichen Offenheit der VVN als Bündnisorganisation geführt werden. P. C. Walthers Artikel hat diese Grundlage erläutert.

Debatten können nicht zum Ziel haben, bestimmte Auffassungen als einzig richtig hinzustellen und die Arbeit der VVN in eine bestimmte ganz gleich welche Richtung zu lenken, die VVN also weltanschaulich oder parteipolitisch festzulegen. Das würde den Charakter der VVN zerstören. Denn Grundlage der VVN ist ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden.

Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Länderverfassungen, das Grundgesetz von 1949 und insbesondere Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen die Breite jenes »antifaschistischen Konsens«, der weder antikapitalistisch noch antisozialistisch war.Dass es in der Bundesrepublik zu Zeiten des Kalten Krieges nicht gelungen ist, diese Breite der VVN in der Praxis aufrecht zu erhalten, dass sie als »kommunistisch« und dann als »linksextremistisch« diffamiert, dass der Begriff »Antifaschismus« in die linke Ecke gestellt wurde, ändert nichts daran, dass der Anspruch der VVN richtig bleibt. Und die Chancen, diesem Anspruch heute etwas näher zu kommen, sind größer geworden.

Jede Verengung der VVN schwächt den Antifaschismus, weil andere Auffassungen und damit andere Mitstreiter ausgegrenzt werden. Die VVN ist ihrem Grundverständnis nach nicht rot oder schwarz oder grün, sondern rot und schwarz und grün, also notwendigerweise bunt. In dieser Vielseitigkeit liegt die Stärke des Antifaschismus.

Was für den Charakter unserer Organisation gilt, gilt auch für unsere Bündnisarbeit: Als VVN-Mitglieder haben wir deshalb ungeachtet unserer sonstigen politischen Positionen eine besondere Verantwortung für diese Breite: Wir wollen immer wieder zusammenführen, von links bis konservativ, wollen mithelfen, dass Antifaschisten weder als »linksextrem« noch als »bürgerlich« ausgegrenzt werden, wollen Aktionsformen unterstützen, die mehr Menschen einbeziehen statt abschrecken, wollen immer wieder Verständnis schaffen für unterschiedliche Zugänge zum antifaschistischen Engagement, müssen uns wehren gegen die Verabsolutierung eines »richtigen« oder »konsequenten« Antifaschismus allen Rückschlägen, allen Vorwürfen zum Trotz.

Von diesem Weg der Solidarität aller Nazigegner dürfen wir uns nicht abbringen lassen bei der gemeinsamen Suche nach jener »Welt des Friedens und der Freiheit«, die sich die Überlebenden der Konzentrationslager zum Ziel gesetzt hatten.