Wirtschaft und Verbrechen

geschrieben von Ludwig Einicke

5. September 2013

Das KZ Mauthausen – gegründet am 8. August 1938

Sept.-Okt. 2008

Mauthausen war aber auch ein Ort der Solidarität, des Widerstandes und der Hoffnung, wie die ehemaligen. Häftlinge dieses Lagers Roman Rubinstein, Willi u. Robert Rentmeister, Hans Müller, Otto Wiesner, Bruno Baum, Franz Dahlem, Herwin Haupt, Otto Wahl, Ludwig Einicke, Wilhelm Hunger, Herbert Heeklotz, Rudolf Pfützner u.a. in ihren Erinnerungen im Buch »Aktenvermerk R.u.« (Rückkehr unerwünscht) berichten.

Ein Datum, das als der Beginn eines der dunkelsten Kapitel Österreichs in die Geschichte eingehen sollte. Zehn Tage nach der Besetzung Österreichs am 22. März 1938 hielt der Reichsführer SS Himmler im Linzer Stadion vor österreichischen SS-Angehörigen eine Rede, in der er ankündigte: »Der Führer hat genehmigt und befohlen, dass die Schutzstaffel Österreichs zwei Standarten aufstellen darf, eine Standarte der Verfügungstruppe mit drei Sturmbannen und eine Standarte der Totenkopfverbände mit ebenfalls drei Sturmbannen, welche letztere nach Oberösterreich kommen werden.«

Die SS-Totenkopf-Verbände waren für die Bewachung der KZ zuständig. In Oberösterreich sollte also ein KZ eingerichtet werden. Das war der Kern der Rede Himmlers.

Im Gedenken an die von Tausenden Häftlingen aus Deutschland und ganz Europa gebrachten Opfer unternimmt das »Deutsche Mauthausen Komitee Ost« alljährlich eine Reise zu den Befreiungsfeiern in Mauthausen und seinen Nebenlagern.

Wir laden dazu bereits jetzt zur Gedenkreise vom 6. bis 11. Mai 2009 herzlich ein.

Schon zu diesem Zeitpunkt zeigt sich deutlich, dass die SS mit ihren vier Säulen (Reichssicherheitshauptamt, SS-Führungshauptamt, Amt des Reichskommissars für die Festigung des Deutschen Volkstums und das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, WVHA) zu einem offiziellen Machtfaktor neben der NSDAP und dem Staat geworden ist. Das WVHA befasste sich mit dem Erwerb und Ausbau wirtschaftlicher Unternehmungen der SS und ab 16. März1942 auch mit der Verwaltung aller KZ.

Am 8. August 1938 wurden die ersten 300 Häftlinge – deutsche und österreichische fast ausschließlich als »kriminell« und »asozial« eingestufte – aus Dachau in die Steinbrüche von Mauthausen zum Aufbau des KZ überstellt. Sie wurden bewacht von 80 Angehörigen des Dachauer SS-Totenkopfverbandes, die den Grundstock der SS-Bewacher in Mauthausen bildeten. Bis Ende 1938 wurden über 1.000 Häftlinge aus Dachau und Sachsenhausen eingewiesen. Der erste Kommandant des zunächst als Nebenlager des KZ Dachau deklarierten Lagers war Albert Sauer. Damit begann die Geschichte eines der grausamsten Vernichtungslager der Nazis: Mauthausen wurde in einer Geheimverfügung des Reichssicherheitshauptamtes vom 2. Februar 1941 in die Lagerkategorie III (Rückkehr unerwünscht, rasche physische Liquidierung) eingestuft.

In Österreich, dem in »Ostmark« umbenannten Teil Hitler-Deutschlands, entstanden neben dem so genannten Mutterlager in den Folgejahren noch 49 Nebenlager, von denen die bedeutendsten Gusen, Melk, Ebensee, Linz I, II und III, Steyr, Wien sowie Loiblpass Nord und Süd waren. Sie alle dienten im Zuge der zunehmenden Arbeitskräfteknappheit in der Rüstungsindustrie der Sicherung der Kriegsziele der Nazis.

Am 29. April 1938, also wenige Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich, wurde in Berlin nach etwa einjähriger Vorbereitung die SS-eigene Firma »Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH« (DEST) gegründet. Mit der Geschäftsführung wurde der Chef des SS-Verwaltungsamtes, General der Waffen-SS, Oswald Pohl, beauftragt. Die DEST betrieb zuerst je ein Großziegelwerk in Sachsenhausen und bei Buchenwald und verfolgte die Übernahme von Granitsteinbrüchen bei Flossenbürg und Mauthausen. Letzteres war ausschlaggebend für die Errichtung von KZ in der Nähe der Ortschaften Flossenbürg (Bayern), Mauthausen und Gusen (Oberösterreich). Im Zusammenhang mit den Plänen des »Generalinspekteurs für die Reichshauptstadt«, Albert Speer, zur »Neugestaltung der Reichshauptstadt« durch repräsentative »Führerbauten« soll Hitler den Gedanken der Einbeziehung von KZ-Häftlingen geäußert haben. Häftlinge als nützliche, aber billige Arbeitskräfte, deren Kosten und Auspowerung bis zum physischen Verschleiß akkurat berechnet wurden. Da der physische Verfall der Arbeitskraft Häftling voraussehbar nur wenige Monate dauern konnte, musste auch der »Nachschub« auf lange Zeit gesichert werden.

Bereits im März 1938 inspizierten Himmler und Pohl die Steinbrüche in Mauthausen und Gusen, um zu prüfen, ob diese Orte für die Errichtung von KZ geeignet waren. So stand bereits zu diesem Zeitpunkt fest, dass das Hauptlager oberhalb der Marktgemeinde Mauthausen und das Lager Gusen I in St.Georgen auf dem Boden der Gemeinde Langenstein (unweit von Mauthausen) entstehen werden. Am 28.März verkündete Gauleiter Eigruber, dass die Oberösterreicher als »besondere Auszeichnung ein Konzentrationslager für die Volksverräter von ganz Österreich« bekommen werden.

Die Steinbrüche von Mauthausen und St.Georgen – »Wiener Graben« und »Marbacher Bruch« – waren im Besitz der Stadt Wien. Nach einer zweiten Inspektion durch Pohl und seine Begleitung – Inspekteur der KZ Theodor Eicke und Bauingenieur Hubert Karl – Ende Mai 1938 wurde über die konkreten Pläne der Verpachtung der Steinbrüche an die DEST mit der Stadt Wien verhandelt. Am 18. August 1938 wurden sie an die DEST übergeben und später aufgekauft. Das von Speer verfolgte Neugestaltungsprogramm deutscher und österreichischer Städte umfasste neben Berlin, Nürnberg, München, Linz noch weitere 27 Städte. Linz sollte nach den Plänen Hitlers eine »Führerstadt«, eine Kunst- und Kulturmetropole an der Donau werden, die vor allem Wien in den Schatten stellen sollte. Linz sollte ein Industriezentrum werden, in dem die bereits im März 1938 vorliegenden Pläne für die Errichtung eines Eisen- und Stahlwerkes der »Reichswerke Hermann Göring« realisiert werden sollten. Für die Monumentalbauten sollte als Baumaterial besonders Marmor und Granit verwendet werden, die in Mauthausen und Gusen reichlich vorhanden waren. Beide Orte lagen an der Donau, 20 km östlich von Linz.

In der Aufbauphase stellte Speer aus dem Etat des »Generalinspekteurs für die Reichshauptstadt« ein unverzinsliches Aufbaudarlehen von 9,5 Mio. Reichsmark für die Ankurbelung der DEST zur Verfügung. Der Gesamtumsatz der DEST, zu deren Wirtschaftsimperium z. B. auch Steinbrüche und Kieswerke in Blizyn (Polen), Flossenbürg, Groß-Rosen, Natzweiler, Ziegelwerke in Auschwitz, Berlstedt, Buchenwald, Dessau, Klinkerwerk Neuengamme, Raisko, Stutthof, Sachsenhausen und Treblinka gehörten, stieg von 133.000 RM im Jahre 1938 auf 14.822.000 im Jahre 1943. Gleichzeitig stieg die Zahl der in den Steinbrüchen von Mauthausen und Gusen eingesetzten Häftlinge von Jahr zu Jahr. Mitte 1940 waren es bereits 3.600. Weiter wurden 1940 ca. 11.000 und 1941 ca. 18.000 Häftlinge eingewiesen. Die hohe Todesrate (1938: 36 Tote, 1939: 445 Tote, 1940: 3.846 Tote, 1941: ca. 8.000 Tote) war eine Folge der SS-Strategie, die Arbeitskraft der Häftlinge durch systematischen Terror mobil zu halten – jedoch unter den Bedingungen minimaler Nahrung, Bekleidung und Ruhe. Seit Kriegsbeginn kamen neue Personengruppen (Kriegsgefangene, gefangene Partisanen usw.) in das Lager, um die »verbrauchten« und »verstorbenen« Häftlinge zu ersetzen. So stieg trotz der hohen Todesrate die Zahl der Häftlinge in Mauthausen und den inzwischen errichteten Nebenlagern ständig an. Neben der Arbeit in den Steinbrüchen wurden Häftlinge in Österreich besonders in der zweiten Kriegshälfte als Arbeitskräftereserve zur Zwangsarbeit in der Rüstungs- und Bauindustrie eingesetzt. In Mauthausen, Gusen und einigen Nebenlagern (u. a. in Melk, Ebensee, Steyr, Wien, Schlier-Redl-Zipf, Peggau und Leibnitz u) spielte die Rüstungsproduktion (Flugzeug-, Flugmotoren- und Raketenproduktion) z. B. für Messerschmitt, Heinkel, Steyr-Daimler-Puch, Flugmotorenwerke Ostmark usw. eine besondere Rolle. Steyr-Daimler-Puch AG war der erste Konzern, der enge Kontakte zur SS pflegte. Die Fa. Messerschmitt AG produzierte in Gusen Flugzeugteile und Flugzeuge vom Typ Me 109.

Im Frühjahr 1944 begann in St.Georgen a.d. Gusen der Ausbau von Stollenanlagen (Tarnbezeichnung »Kellerbau« und »Bergkristall«) in einer Länge von sieben Kilometern, einer Breite von sechs bis acht Metern und Höhe von zehn bis 15 Metern, die den genannten Rüstungskonzernen und dem Forschungsinstitut der Technischen Hochschule Wien dienten.

Im Januar 1944 wurden 10.352 Häftlinge vorwiegend beim Bau von unterirdischen Anlagen, im Stollenbau (Ebensee, Melk, Schlier) eingesetzt, wohin die Rüstungsproduktion, z. B. von V-Waffen, verlagert werden sollte. Die privaten Firmen mussten für die ihnen zur Verfügung gestellten Häftlinge ein Entgelt an die Reichskasse zahlen (Ende 1942 0,30 RM pro Tag/Häftling, 1943 erhöht auf 1,50 RM), das zur Deckung der staatlichen Ausgaben für die KZ diente.

Anfang März 1945 betrug die Zahl der registrierten Insassen von Mauthausen und Nebenlagern über 84.000. Insgesamt wird die Zahl der Häftlinge auf über 200.000 geschätzt, von denen mehr als die Hälfte die Befreiung am 5. Mai nicht erlebte. Noch am 28. April 1945 wurden in der Gaskammer des Lagers Mauthausen Häftlinge ermordet. Das Krematorium, geliefert von der Firma. »Topf & Söhne« aus Erfurt, war der Zahl der Toten nicht mehr gewachsen. Unweit des Lagers wurde deshalb ein Massengrab ausgehoben, in dem etwa 10.000 Tote begraben wurden.

Am 5. Mai 1945 wurde das KZ Mauthausen von Truppen einer US-Panzerabteilung befreit.