Worte statt Entschädigung

20. Mai 2014

Bundespräsident Gauck erklärt den Rechtsweg für abgeschlossen

Vom 5. bis 7. März 2014 reiste Bundespräsident Gauck zum Staatsbesuch nach Griechenland. Er besuchte unter anderem das von deutschen Truppen zerstörte Dorf Lyngiades in der Region Epirus. Am 3. Oktober 1943 ermordeten dort Angehörige der 1. Gebirgsjägerdivision 82 Menschen, vor allem Frauen und Kinder. Lyngiades war eine von Hunderten Ortschaften, in denen Wehrmacht und SS während der deutschen Besatzung Griechenlands Massaker an der Zivilbevölkerung begingen. Keiner der Verantwortlichen wurde von deutschen Gerichten verurteilt.

Die Menschen aus den Orten deutscher Verbrechen in Griechenland erwarten und fordern, dass die deutsche Regierung jetzt endlich, nach mehr als 70 Jahren ihre Verantwortung anerkennt und die Opfer und die Hinterbliebenen der Ermordeten finanziell entschädigt. Es gab daher deutlich wahrnehmbare Proteste von Opferverbänden bei Gaucks Auftritten in Athen und in Lyngiades.

Doch Bundespräsident Gauck wies bei seinem Besuch in Griechenland sämtliche Forderungen nach Reparationen und Entschädigung für NS-Verbrechen schroff zurück. Pauschal erklärte Gauck: »Der Rechtsweg ist abgeschlossen«. Das ist allerdings Wunschdenken deutscher Regierungspolitik.

Die Reparationsforderungen von griechischer Seite sind nicht erloschen und können eingefordert werden, wie es Staatspräsident Papoulias gegenüber Gauck auch getan hat. Die jüdische Gemeinde Thessaloniki fordert Entschädigung für die Verbrechen durch die deutsche Besatzungsmacht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Der oberste Gerichtshof Griechenlands (Areopag) verurteilte Deutschland im Fall des Massakers von Distomo zur Zahlung von ca. 28 Millionen Euro. Das rechtskräftige Urteil wäre mit der Zustimmung der griechischen Regierung vollstreckbar. Nur durch politischen Druck verhindert die deutsche Regierung eine Umsetzung.

Die in Deutschland medial viel gelobte Formel: »Mit Scham und mit Schmerz bitte ich im Namen Deutschlands die Familien der Ermordeten um Verzeihung.« ist ein Wiederaufguss der »Trauer und Scham«, die der damalige Bundespräsident Rau 2000 in Kalavryta bekundete. Gauck erklärte weiter: »Die moralische Schuld wollen wir weder leugnen noch relativieren.« Aber sie soll vor allem keine materiellen Konsequenzen haben: Keine Entschädigung der Opfer, keine Bestrafung der Täter.

Am 10. Juni diesen Jahres wird in Distomo der 70. Jahrestag des Massakers begangen werden. Höchste Zeit, Verantwortung zu übernehmen.

AK Distomo, Hamburg