Der Appell von Mauthausen

26. April 2015

Befreite KZ-Gefangene für »eine Welt des freien Menschen«

 

Das einzige Konzentrationshauptlager auf österreichischem Territorium wurde 1938 gegründet. Die ersten Häftlinge trafen am 8. August 1938 in Mauthausen ein. Im Dezember 1938 waren in Mauthausen schon knapp 1.000 Häftlinge interniert.

Für Angehörige bestimmter Nationen und Häftlingskategorien war Mauthausen bis zum Spätsommer 1943 nahezu ausnahmslos ein Todeslager. Davon waren neben Juden und Zigeunern auch Polen und Russen (hier vor allem Kriegsgefangene), Tschechen und Republikanische Spanier betroffen. Im Herbst 1941 wurde mit dem Bau einer Gaskammer begonnen, die für die Ermordung kranker und arbeitsunfähiger Häftlinge benutzt, aber auch für groß angelegte Exekutionen verwendet wurde.

Zur Durchführung des Arbeitseinsatzes der Häftlinge in der Rüstungsindustrie wurden zuerst im Umkreis des KZ Mauthausen und später in ganz Österreich (ab Salzburg ostwärts) Nebenlager des Stammlagers gegründet. Die geografische Lage in den Alpen oder im Alpenvorland begünstigte die luftangriffsichere Verlagerung der Produktion in Stollen und Bergwerke, die entweder bereits bestanden oder von den Häftlingen unter unvorstellbaren Bedingungen in das Gestein vorgetrieben wurden. Gusen, das erste Nebenlager des KZ Mauthausen wurde im nur fünf Kilometer entfernten Langenstein im Mai 1940 eröffnet.

Der Häftlingsstand wuchs bis Ende 1944 auf über 74.000 an, um Anfang März 1945 den Höchststand von über 84.000 Insassen zu erreichen. Insgesamt wird die Zahl der Häftlinge in Mauthausen auf über 200.000 geschätzt, eine endgültige Zahl wird jedoch nie vorliegen, da unzählige Häftlinge ohne Registrierung nach Mauthausen deportiert und dort ermordet wurden. Unter diesen 200.000 Häftlingen waren auch über 8.000 Frauen, die im Männerlager Mauthausen interniert worden waren.

Die Befreiung des KZ Mauthausen war die letzte Befreiungsaktion der alliierten Soldaten, nachdem sich die SS-Bewachungseinheiten Anfang Mai sukzessive aus dem Lager entfernt hatten. Zwischen dem 5.-7. Mai 1945 wurde das Lager von der 11. Panzerdivision der 3. US Armee unter dem Kommando des Colonel Seibel endgültig übernommen und somit auch endgültig befreit.

Der Schwur der befreiten Häftlinge

Das CIM (Comité International de Mauthausen) übernahm in den ersten Stunden der Befreiung am 5. Mai 1945 und in den Tagen danach die organisatorische Leitung des Lagers und versuchte bis zur Übergabe des Lagers an die US-Armee die wichtigsten Strukturen, wie die Küche u.ä. aufrecht zu erhalten. In den ersten Tagen nach der Befreiung entstanden weitere überparteiliche Komitees, die alle ihre Vertreter ins CIM entsandten.

Aus Anlass des Abmarsches der sowjetischen Häftlinge am 16.5.1945 aus Mauthausen erließ das CIM einen Appell, den Schwur von Mauthausen. Dieser Appell wurde von Vertretern der folgenden Nationen unterzeichnet: Albanien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Spanien, Tschechoslowakei, UdSSR und Ungarn.

»Der vieljährige Aufenthalt im Lager hat in uns das Verständnis für die Werte einer Verbrüderung der Völker vertieft. Treu diesen Idealen schwören wir, solidarisch und im gemeinsamen Einverständnis, den weiteren Kampf gegen den Imperialismus und nationale Verhetzung zu führen. So, wie die Welt durch die gemeinsame Anstrengung aller Völker von der Bedrohung durch die hitlerische Übermacht befreit wurde, so müssen wir diese erkämpfte Freiheit als das gemeinsame Gut aller Völker betrachten.

Der Friede und die Freiheit sind die Garantien des Glücks der Völker, und der Aufbau der Welt auf neuen Grundlagen sozialer und nationaler Gerechtigkeit ist der einzige Weg zur friedlichen Zusammenarbeit der Staaten und Völker. Wir wollen nach erlangter Freiheit und nach Erkämpfung der Freiheit unserer Nationen die internationale Solidarität des Lagers in unserem Gedächtnis bewahren und daraus die Lehren ziehen: Wir werden einen gemeinsamen Weg beschreiten, den Weg der unteilbaren Freiheit aller Völker, den Weg der gegenseitigen Achtung, den Weg der Zusammenarbeit am großen Werk des Aufbaus einer neuen, für alle gerechten, freien Welt.

Wir werden immer gedenken, mit welch großen blutigen Opfern aller Nationen diese neue Welt erkämpft wurde. Im Gedenken an das vergossene Blut aller Völker, im Gedenken an die Millionen, durch den Nazifaschismus ermordeten Brüder geloben wir, dass wir diesen Weg nie verlassen werden. Auf den sicheren Grundlagen internationaler Gemeinschaft wollen wir das schönste Denkmal, das wir den gefallenen Soldaten der Freiheit setzen können, errichten: DIE WELT DES FREIEN MENSCHEN. Wir wenden uns an die ganze Welt mit dem Ruf: Helft uns bei dieser Arbeit. Es lebe die internationale Solidarität! Es lebe die Freiheit!«