Hemingway und die »Lincolns«

geschrieben von Victor Grossman

13. September 2016

Ernest Hemingway liebte Spanien, zeitlebens war er mit dem Land beschäftigt, sein erster großer Roman »Fiesta« spielt dort, einer seiner letzten ebenfalls, wie auch der so bekannte, so populäre »Wem die Stunde schlägt«.
Hemingway war ein Gefahrenmensch; schon als Journalist zogen ihn Abenteuer und Todesgefahr an. Es war eine Art Macho-Mut, ob bei der Jagd auf Großtiere, im Kriege oder – und deshalb zog ihn gerade Spanien an – bei Stierkämpfen, wo es eben um Todesmut ging.  Deshalb sagte er 1937 gern zu, als Journalist vom Bürgerkrieg in Spanien zu berichten. Anfangs war ihm das, worum es ging, kaum von Bedeutung. Doch änderte sich das schnell als er die Angriffe auf Madrid beobachtete: »…im vorigen Monat haben wir Journalisten neunzehn Tage lang zugesehen wie gemordet wird. Es geschah durch deutsche Artillerie, und das war höchst wirksames Morden… Und jedes Mal, wenn sie auf dem Schlachtfeld geschlagen wurden, retteten sie die merkwürdige Sache, die sie Ehre nennen, indem sie Zivilisten morden. Wenn ich das so geschildert hätte, so würde ich damit Brechreiz verursachen. Es könnte Hass werden. Doch wollen wir keinen Hass. Wir wollen das Verbrecherische am Faschismus erkennen und wie ihm zu begegnen ist. Wir müssen begreifen, dass diese Morde die Untaten eines Tyrannen sind, des großen Tyrannen Faschismus. Es gibt nur eine Art, einen Tyrannen zu bezwingen und die ist, ihn zu vernichten.«
Aus diesem für ihn recht neuartigen Engagement entstand ein Arbeitsverhältnis mit dem holländischen Dokumentaristen Joris Ivens. Als Mitglied dessen Teams zog er gleich an die gefährlichsten Stellen der Front mit. Dazwischen, in den USA, organisierte er das Senden von zwei Krankenwagen an die Kämpfenden; andere Hilfe verbot ein Neutralitätsgesetz. Und er schrieb und sprach den Kommentar zu dem großartigen Ivens-Film, der leider vergebens in den USA eingesetzt wurde, um das unfaire, einseitige Gesetz zu ändern und der Republik zu helfen.
Wieder zurück als Berichterstatter, bekam er die Chance, eine Guerilla-Einheit im Franco-Gebiet zu besuchen, und bekam damit die Anregung für den äußerst erfolgreichen Roman »Wem die Stunde schlägt« und den gleichnamigen Film, die so viele bewunderten und bewundern.
Allerdings nicht die amerikanischen Freiwilligen, die nun zurückgekehrt waren. Hemingway hätte darin einen Einzelgänger geschildert, meinten sie, der zwar Spanien liebte, doch nicht begriff, um was der Kampf wirklich ging.  Milton Wolff, der letzte Kommandant der Lincoln-Bataillon, schrieb: »Er war ein Tourist in Spanien…ein Voyeur, der in die Aktion hinein und hinaus sprang, wie es ihm gefiel…Das bedeutet nicht, dass Ernest Hemingway nicht auf unserer Seite war. Das war er. Und sein Beitrag war beträchtlich…Doch war sein Engagement nicht wie das unsere.« Denn er »hatte es frei auszuwählen wo hinzugehen, wann hinzugehen, wann nicht hinzugehen.«
Man nahm ihm übel, dass er den führenden Brigadisten, Andrè Marty, schlecht darstellte. Es hat sich längst herausgestellt, dass seine harte Kritik womöglich berechtigt war. Doch er kritisierte auch Dolores Ibarruri, La Pasionaria, die wahre Heldin. Über den Film wurde auch viel gelästert. Irving Goff, der tatsächlich hinter den Linien Brücken und Züge sprengte, witzelte gar über die romantische Liebesgeschichte, die vielen so gefiel: »In der ganzen Zeit dort im Krieg habe ich niemals Ingrid Bergman gesehen. Ansonsten wäre ich vielleicht noch da!« Dass die Szenen der Gewalt durch die Republikaner ebenso brutal geschildert wurden wie die der Faschisten, nahm man Hemingway besonders übel.
Der recht bittere Streit kam gerade zu einer bitteren Zeit, der des Stalin-Hitler-Paktes. Die Veteranen, viele davon Kommunisten, die gerade ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus riskiert hatten, oft verwundet und in den USA ständig diskriminiert wurden, waren besonders sensibel in Bezug auf das wichtigste Ereignis in ihrem Leben. Hemingway dachte dagegen gewiss auch an Beliebtheit und Verkauf, und die Zeiten waren eben rau
Mit dem Weltkrieg, in dem die USA und die UdSSR beide gegen die Faschisten kämpften, Hemingway dabei in Frankreich und viele Lincoln–Kämpfer von Süditalien bis in den Südpazifik, ebbte die Bitternis zwischen ihm und den »Lincolns« ab.  Als sie eine Anthologie über Spanien herausgaben war auch sein wunderschöner Nachruf über die Gefallenen darin, der endet – nachdenkend, traurig und dennoch hoffnungsvoll:
»…Die Toten brauchen nicht aufzustehen. Sie sind jetzt ein Teil der Erde, und die Erde kann niemals besiegt werden. Denn die Erde dauert ewig. Sie wird alle Systeme der Tyrannei überleben. Wer in Ehren in sie eingegangen ist, und niemals ist jemand in größeren Ehren in die Erde eingegangen als die in Spanien Gefallenen, hat die Unsterblichkeit bereits errungen.«

Auch Heminway war in manchem empfindlich. Warum, fragte er erbost, wurde im Film das Wort Faschisten herausgeschnitten? »Die USA kämpfen jetzt in einem Krieg gegen die Faschisten… der Feind soll als die Faschisten genannt werden und die Republik als die Republik.« Sonst würden amerikanische Zuschauer »keine Ahnung haben, wofür das Volk wirklich kämpfte.« Als später der Regisseur gefragt wurde, wer verhindert hätte, dass die Faschisten als solche benannt wurden, antwortete er knapp »In zwei Worten: die Faschisten«.
Hemingways so schöner Nachruf und Zitate von vielen über den Spanienkrieg – traurige, informative, auch humorvolle – sind als eine Art Chronologie des Ganzen in Victor Grossmans Buch »Madrid, du Wunderbare« enthalten.