Editorial

geschrieben von Nils Becker

8. November 2022

Schweden und Italien sind nun also mehr oder weniger rechts regiert. Mit der Mobilisierung von Angst und »exkludierender Solidarität« lassen sich bei gleichzeitiger Demobilisierung und (meist selbst verschuldeter) Zersplitterung fortschrittlicher Kräfte Wahlen sicher gewinnen. Soweit bekannt und wieder bewiesen. Nicht gerade neu sind auch die Strategien, die dagegen helfen: eine Bündnispolitik, die in der politischen Verschiedenheit der antifaschistisch Gesinnten die Stärken und nicht die Streitpotentiale erkennt. Allgemein anwendbar dürfte der Merksatz von Thomas Willms auf Seite 3 sein: Die Rechte regiert nicht erst, wenn sie mehr als 50 Prozent der Wähler*innenstimmen hinter sich versammelt hat, sondern wenn es keinen organisierten Widerstand gegen sie mehr gibt und daraufhin die konformistische Mitte kollabiert. Auf letzteres gibt es hierzulande überhaupt keine Antwort. Die Schüchternheit, antifaschistische und internationalistische Positionen zu aktuelle Krisen zu vertreten, hängt vor allem mit der Fehlinterpretation des öffentlichen Diskurses und einem nie dagewesenen Opportunismus (z. B. bei den Grünen) zusammen. Wir freuen uns deshalb über mehrere Beiträge aus Italien (Seiten 5, 23 und 25) und über den Beitrag von Julian Pahlke (für die Grünen im Bundestag).

Ein weiterer Schwerpunkt dieser antifa-Nummer ist der sogenannte Historikerstreit 2.0 (Seiten 13, 14, 28, 29 und 32), in dem es um die Frage geht, ob die Herausgehobenheit des Holocaust womöglich den Blick z. B. auf koloniales Unrecht verstellt. Wenn wir versuchen, das nicht als Disput wahrzunehmen, sondern, wie Charlotte Wiedemann vorschlägt, Bemühungen unternehmen, den Schmerz der andern zu begreifen und Gemeinsamkeiten in den Traumata zu erkennen, kommen wir dem näher, was mit multidirektionaler Erinnerung auch in antifa  immer mal wieder Thema ist. Der dritte Schwerpunkt ist das Spezial zu rechten Subkulturen im Internet. Damit wollen wir in der Diskussion zur Prävention von rechtem Terror, der uns als Amoklauf von Einzeltätern präsentiert wird, weiterkommen.