Diversity is our strength

geschrieben von Ulrike Schmidt

8. September 2024

Widerstand gegen extrem rechte Gewalt in England

Jahrelang haben nicht nur extrem rechte Politiker wie Nigel Farage (Reform UK, früher UKIP), sondern auch Politiker der lange regierenden Tories, mit ihrer rassistischen Propaganda gegen Geflüchtete den Boden für neo-faschistische Gewalt bereitet. So sprach die ehemalige Innenministerin, Suella Braverman, etwa von einer »Invasion« von Geflüchteten und forderte, dass Großbritannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten solle. Die aktuellen Ausschreitungen durch Nazis und Rassisten gegen Geflüchtete können daher nicht überraschen.

Der Wahlerfolg der rechten »Reformpartei« unter Nigel Farage bei den Parlamentswahlen im Juli hat das Selbstvertrauen der extremen Rechten verschiedener Schattierungen gestärkt. Der einschlägige Aktivist Tommy Robinson (Defence League) organisierte mehrere große Aufmärsche in den vergangenen Monaten. 15.000 Anhänger versammelten sich am 27. Juli auf dem Trafalgar Square in London. Unsere von »Stand Up to Racism« organisierte Gegendemo hatte nur 5.000 Menschen mobilisieren können.

Als am 29. Juli drei Mädchen während eines Taylor-Swift-Tanzkurses erstochen und viele andere schwer verletzt wurden, nahmen neonazistische Influencer diese Bluttat zum Anlass, pogromartige Gewalt-aktionen in Southport und anderen Orten zu initiieren. Die Lüge, dass der Mörder ein islamistischer Geflüchteter wäre, wurde bewusst im Internet verbreitet. Tommy Robinson, Farage und Elon Musk, Milliardär und Besitzer von X, schürten die Glut, riefen nach Massendeportationen und Bürgerkrieg. Anfang August attackierte der von Rechten angeführte Mob dann Moscheen, zündete Hotels mit Flüchtlingsfamilien an, in Hull und Middlesbrough gab es Straßenblockaden, bei denen People of Color attackiert wurden. Angst besonders unter Flüchtlingen und muslimischen Gemeinden machte sich breit.

Am 5. August erfuhren wir, dass für den 7. August an 100 Orten Angriffe auf Geflüchtetenberatungsstellen geplant waren sowie Angriffe für das folgende Wochenende. »Stand Up to Racism« organisierte an allen Orten Gegendemos. Ich war in Walthamstow beteiligt. Wir mobilisierten unsere Netzwerke, verteilten tausende Flugblätter, arbeiteten zusammen mit Moscheen, Kirchen, Synagogen. Am Morgen des 7. August lag Angst über Walthamstow. Geschäfte schraubten Sperrholz über ihre Fenster. Wir hatten unsere Demo für sieben Uhr angekündigt, in Erwartung der Faschisten, die ihren Angriff für acht Uhr angesagt hatten. Um fünf Uhr waren schon mehrere hundert Menschen vor unserer Asylberatungsstelle versammelt. Um sieben Uhr war es unmöglich, sich zu bewegen. Insgesamt kamen mehr als 10.000 Menschen, um Solidarität zu zeigen und unsere Gemeinschaft zu verteidigen. Einige Nazis kamen, gaben sich aber nicht zu erkennen. An allen 100 Orten, wo »Stand Up to Racism« zum Widerstand aufgerufen hatte, wurden Angriffe verhindert. Nicht überall folgten so viele Menschen, an manchen Orten waren es 100, an anderen 1.000, 5.000, aber landesweit hat sich die Stimmung von Angst und Ohnmacht zu Hoffnung und Zuversicht gewandelt. Am 10./11. August gab es überall, selbst vor dem Hauptquartier der Reform-UK-Partei in London, Demos, die unsere Solidarität und Einheit feierten. Nazis ließen sich nicht blicken.

Natürlich mussten sie ihren Zorn über diese Demütigungen an jemandem auslassen. Meine Genossin Jo und ich wurden über das Internet stark angegriffen, mit Steckbrief und Informationen zum Lebenslauf, freigegeben zur Jagd. Farage und Elon Musk persönlich teilten diese Informationen mit ihren millionenfachen Anhängern. Ich stehe zur Zeit unter Polizeischutz, und meine Nachbarschaft, besonders die örtliche Moschee, schützt mich zuhause und in meiner Wohngegend. Dies hat nur unsere Entschlossenheit bestärkt weiterzuarbeiten, um unsere Gemeinschaften gegen die Nazis zu verteidigen. Diversity is our strength.

Nazikrawalle in UK

Nachdem ein 17-jähriger Brite Ende Juli in Southport drei Mädchen erstochen und weitere Menschen verletzt hatte, gab es in mehreren englischen Städten von Faschisten initiierte Krawalle. Über Social-Media-Kanäle veröffentlichten die Rechten die Falschmeldung, dass der Tatverdächtige Muslim sei, und riefen zu Demonstrationen auf. Bei diesen kam es dann zu rassistisch motivierten Gewaltausbrüchen mit Übergriffen. Der englische Premier Keir Starmer (Labour) kündigte ein hartes Durchgreifen gegen die Täter an.

Die Autorin ist organisiert bei »Stand Up to Racism« UK (standuptoracism.org.uk)