Meldungen

7. Januar 2023

Schmähplastik bleibt

Ende Oktober wurde bekannt, dass in Wittenberg die Plastik an der Außenfassade der Stadtkirche erhalten bleibt. Die mittelalterliche antijüdische Schmähplastik – genannt Judensau – muss nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht entfernt werden, da sie durch eine erklärende Bodenplatte und einen Aufsteller von einem Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt worden sei. Ein vom Kirchenrat eingesetztes Expertengremium hatte zuvor für den Abbau plädiert.

Jack Terry verstorben

Der ehemalige Häftling des KZ Flossenbürg, Jack Terry, ist Anfang November 2022 92-jährig verstorben. Als Jakub Szabmacher erlebte er 1945 im Flossenbürg die Befreiung durch die US-Truppen. Seine Mutter und seine Schwester waren vor seinen Augen getötet worden. Als Waise wird er in den USA adoptiert und nimmt den Namen Jack Terry an. Wegen geo-logischer Studien kehrt er 1956 nach Flossenbürg zurück und wird Zeuge der Relativierung der Verbrechen. In den USA wird er wegen der Folgen seiner Traumatisierung Psychoanalytiker. Ab 1995 besuchte er die Gedenkstätte Flossenbürg jährlich. Er wendete sich gegen die weitgehende Überbauung des Lagergeländes.

Großpolen

Unter dem Slogan »Starke Nation – Großes Polen« fand am 11. November 2022 der alljährliche »Unabhängigkeitsmarsch« in Warschau statt. Zehntausende nahmen an diesem nationalistischen Umzug teil, auch der polnische Justizminister. Hauptthema war der Ukrainekrieg. Doch auch Hetze gegen Zuwanderung, sexuelle Vielfalt und Abtreibung fand breiten Raum. Polnische Neonazis marschierten im eigenen Block. Auch Mitglieder der Partei »III. Weg« nahmen teil. Polizei und eine paramilitärisch gekleidete Gruppe sicherten den Marsch vor Protesten.

NSU 2.0: Prozessende

Alexander Horst Mensch ist Mitte November wegen Volksverhetzung, Störung des öffentlichen Friedens, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Beleidigung, versuchter Nötigung und Bedrohung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Das Landgericht Frankfurt sah es als erwiesen an, dass Mensch eine Serie von Drohschreiben an Rechtsanwält:innen, Politiker:innen, Journalist:innen und andere Antifaschist:innen verschickt und mit »NSU 2.0« unterzeichnet hatte. Das Umfeld des Verurteilten wurde im Prozess nicht aufgeklärt. Die personenbezogenen Daten seiner Opfer hätte er durch Anrufe bei der Polizei erhalten, bei denen er sich als Kollege ausgab.

Schüsse auf Rabbinerhaus

Auf die Tür des Rabbinerhauses in Essen neben der Alten Synagoge sind in der Nacht zum 18. November Schüsse abgegeben worden. In dem Gebäude ist ein Institut für deutsch-jüdische Geschichte untergebracht. Der nord-rhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem Anschlag.

Erneut verurteilt

Martin Kohlmann, Chef der »Freien Sachsen«, ist erneut wegen Holocaustleugnung verurteilt worden. Das Amtsgericht Chemnitz verhängte eine Geldstrafe. Er hatte im Oktober 2021 im Chemnitzer Stadtrat nach Auffassung des Gerichts die Existenz von Gaskammern auf dem Gebiet des Deutschen Reiches bestritten. Bereits 2020 war er inzwischen rechtskräftig wegen Volksverhetzung in Niedersachsen verurteilt worden. Kohlmann kündigte gegen das neue Urteil Rechtsmittel an.

Paulenz freigesprochen

Mitte Dezember 2022 wurde Tilo Paulenz aus Mangel an Beweisen von dem Vorwurf freigesprochen, in Berlin-Neukölln das Auto des Linksparteipolitikers Ferat Koçak angezündet zu haben. Verurteilt wurde er zu 150 Tagessätzen für das Kleben von rechten Stickern. Paulenz ist ehmaliger Mandatsträger der AfD in dem Bezirk. Er gilt, zusammen mit dem NPD-Mitglied Sebastian Thom, als Hauptverantwortlicher für eine rechte Anschlagsserie, 23 Brandanschläge und 50 weitere Straftaten, im sogenannten Neukölln-Komplex.

Eingeknickt

Nach erheblichem öffentlichen Druck wurde die Neuauflage des Spiels »Antifa Le Jeu« vom französischen Markt genommen. Die Produzenten des Kartenspiels, das bereits seit 2021 erfolgreich verkauft und 2022 neu aufgelegt wurde, gerieten ab November unter starken Druck der französischen Gewerkschaft der nationalen Polizeikommissare (SCPN) und von Politikern des extrem rechten »Rassemblement National«. Angeblich werde im Spiel zur Gewalt gegen rechte Aktivisten und Polizisten aufgerufen. Der Hersteller Fnac zog daraufhin das Spiel zurück.

Neue rechte Partei

In Fulda hat sich am 20. November 2022 eine rechtskonservative Partei namens »Bündnis Deutschland« gegründet. Das Personal ist aber altbekannt. Der neue Vorsitzende, Steffen Große, war früher Landesvorsitzender der sächsischen »Freien Wähler«. Auch Markus Scheer (ehemals AfD) und das ehemalige CDU-Bundesvorstandsmitglied Jonathan Sieber gehören dazu. Mit dem Slogan »Freiheit, Wohlstand, Sicherheit« sollen Wähler am rechten Rand gewonnen werden. Zuerst bei der bremischen Bürgerschaftswahl im Mai. Die Partei will Zuwanderung stärker steuern, das Gendern in Staatseinrichtungen verbieten und die Nutzung von Atomkraft wiederbeleben.

Haft für Wohlleben

Ralf Wohlleben muss den Rest seiner zehnjährigen Haftstrafe antreten. Der BGH lehnte es Ende November 2022 ab, diese zur Bewährung auszusetzen. Wohlleben war 2018 wegen Beihilfe zu den Taten des NSU verurteilt worden. Er hatte aber bereits gut sechseinhalb Jahre in U-Haft verbracht und war nach dem Prozess aus der Haft entlassen worden.

AfD verliert Abgeordnete

Die AfD verliert weitere Mandatsträger in Bund und Ländern. Mitte November hat die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar aus Hessen ihren Austritt aus Fraktion und Partei erklärt. Grund seien innerparteiliche Intrigen und der außenpolitische Kurs der Partei. Auch zwei hessische Landtagsabgeordnete, Walter Wissenbach und Rainer Rahn, gaben Anfang Dezember ihren Austritt aus der nun nur noch fünfzehnköpfigen AfD-Fraktion bekannt. Beide bleiben im Parlament. Rahn begründete seinen Schritt mit der nicht mehr faktenbasierten AfD-Politik, Wissenbach mit der Versorgungsmentalität in Partei und Fraktion.

Kurze Geiselnahme

Der Attentäter von Halle, Stephan Balliet, hat am 12. Dezember 2022 mehrere Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Burg nahe Magdeburg als Geiseln genommen. Er ist kurze Zeit später überwältigt worden. Der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an. Inzwischen ist Balliet in die JVA Augsburg-Gablingen in Bayern verlegt worden.

Zusammengestellt von Ulrich Stuwe

(in memoriam P. C. Walther)