54 Regale, tausende Bücher

geschrieben von Team des Hartmut-Meyer-Archivs

14. September 2023

Köln: Hartmut-Meyer-Archiv nach langem Umzug wieder am Start

Die Bestände des Hartmut-Meyer-Archivs gehen bis in die 1950er-Jahre zurück. Gesammelt und ausgewertet werden Flugblätter, Zeitungen und Zeitschriften neofaschistischer und anderer extrem rechter Gruppierungen, Organisationen, Parteien und Verlage sowie Bücher aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus findet man eine Auswahl von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern aus der NS-Zeit. Genutzt wird das Archiv auf vielfältige Weise: Für die Recherche nach einschlägig rechten Organisationen und Personen mit Lokal- oder Regionalbezug, für Berichterstattungen in den Medien, für die Erstellung von Flugblättern, Broschüren und Büchern, für Arbeiten im wissenschaftlichen Bereich wie auch für die Suche nach Quellen im Rahmen von juristischen Auseinandersetzungen.

Den Grundstock für das heutige Archiv bildet der Nachlass des 1992 viel zu früh verstorbenen Diplompädagogen Hartmut Meyer, der in Bonn und Wuppertal gewirkt hat. Hartmut Meyer, der dem damaligen Bundesausschuss der VVN-BdA angehörte, war ein brillanter Kenner der verschiedenen Spielarten faschistischer Ideologie und des Organisations- und Mediengeflechts der Grau- und Braunzone. Er hatte in den 1980er-Jahren einen großen Anteil daran, dass die Einflussversuche von – insbesondere »nationalrevolutionären« – Neofaschisten auf die Ökologie- und die damalige Friedensbewegung aufgedeckt und bekämpft werden konnten. Auf Grundlage der Arbeiten des Faschismusforschers Reinhard Opitz setzte Hartmut die Erforschung der Ideologie der »Neuen Rechten« fort und klärte in zahlreichen Vorträgen auf Konferenzen und Veranstaltungen über Ziele, Strukturen und Akteure der verschiedenen Spektren der extremen Rechten auf.

Archivstück: Suche von Naziverbrecher nach dem Krieg, hier rief der Landesausschuss der politisch Verfolgten in Bayerm dazu auf

Archivstück: Suche von Naziverbrecher nach dem Krieg, hier rief der Landesausschuss der politisch Verfolgten in Bayerm dazu aufNone

Vor einigen Jahren übernahm das Archiv auch die Archivbestände des verstorbenen Frankfurter Journalisten Georg Herde. Georg Herde hatte von 1958 bis 1980 den regelmäßigen Informationsdienst »Neue Kommentare« herausgegeben und zahlreiche Zeitungsartikel, Broschüren und Bücher verfasst. Bereits 1951 hatte er zu den Gründern des »Westdeutschen Flüchtlingskongresses« gehört, dessen Ziel es war, dem politischen Einfluss der gerade neu gebildeten Revanchistenverbände auf die Millionen Umsiedler aus den ehemals deutschen Ostgebieten etwas entgegenzusetzen. Georg Herde forschte und publizierte über die Einflussnahme der Revanchistenverbände auf die bundesdeutsche Politik und prangerte die NS-Vergangenheit führender Politiker und Funktionäre der »Vertriebenen«-Verbände an. Diese griffen Georg Herde in ihren Medien scharf an und zerrten ihn mehrfach vor Gericht, was ihn sogar für einige Wochen in ein Untersuchungsgefängnis brachte.

Seit Anfang 2010 befindet sich auch das Archiv der Neofaschismusabteilung des Bundesverbandes der VVN-BdA, die bis 1990 tätig war, in unseren Beständen. Dazu gehören unter anderem »Dienstalterslisten« der SS und höherer Polizeioffiziere, Informationen über die verschiedenen SS- und Waffen-SS-Verbände sowie Dossiers über führende NS-Funktionäre.

Das heutige Archiv umfasst etwa 54 Regale mit Aktenordnern, mehreren tausend Büchern sowie eine große Menge Zeitungen und Zeitschriften aus und über die verschiedensten Spektren der extremen Rechten. Geordnet sind diese nach Themengebieten wie zum Beispiel Revanchismus, Ökologie, Medien, Militaristenverbände, Esoterik/Sekten, Parteien, Bündische Jugend, Völkisch-Religiöse, Völkisch-Kulturelle, Nationalismus, Grauzone, Braunzone usw. Die Unterhaltung eines umfangreichen Antiquariats mit antifaschistischen Büchern und Broschüren der letzten Jahrzehnte rundet unsere Aktivitäten ab. Hierzu kann eine Bücherliste auf der alten Webseite der VVN-BdA NRW heruntergeladen werden.

Neben einer regelmäßigen Auswertung extrem rechter Publikationen, die der VVN-BdA zur Verfügung gestellt wird, veröffentlichen die MitarbeiterInnen des Archivs regelmäßig Beiträge auf den Internetseiten der VVN-BdA. Auch die Erstellung der Ausstellungen »Keine Alternative! Eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD« und »Neofaschismus in Deutschland« der VVN-BdA wird von uns aktiv unterstützt. Das Hartmut-Meyer-Archiv ist auf Spenden und Recherchehonorare angewiesen, Dazu wurde ein Förderkreis eingerichtet, über den regelmäßige Spenden für das Archiv geleistet werden können. Über neue UnterstützerInnen würden wir uns freuen. Das Archiv und die Bibliothek stehen insbesondere den Mitgliedern der VVN-BdA für Besuche offen. Mit dem Umzug in größere und hellere Räumlichkeiten und gemeinsam mit der VVN-BdA Köln-Bonn steht uns nun auch ein gemeinsamer Tagungsraum zur Verfügung. Eine neue Nutzungs- und Gebührenordnung für das Archiv stellt klar, unter welchen Bedingungen das Archiv künftig von BesucherInnen genutzt werden kann.

Kontakt zum Hartmut-Meyer-Archiv

Anfragen werden im Regelfall per
E-Mail oder postalisch beantwortet:
E-Mail: hm_archiv@yahoo.de

Spendenkonto

VVN-BdA, IBAN: DE29 3601 0043 0330 7204 35, BIC: PBNKDEFF

In loser Folge stellen wir hier Dokumente aus den Archiven der VVN-BdA vor beziehungsweise beleuchten deren Arbeit.