Ort des Terrorregimes
4. Januar 2025
Neues Buch zum Konzentrationslager Gusen
Am 5. November 2024 fand im neuen Informationszentrum der KZ-Gedenkstätte Gusen die Präsentation des Buches »Konzentrationslager Gusen 1939–1945. Eine Dokumentation« statt. Gusen liegt in Oberösterreich, 15 Kilometer östlich von Linz.
Das großformatige, reich bebilderte Buch erinnert an einen Ausstellungskatalog. Herausgegeben von vier MitarbeiterInnen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, bietet es eine umfangreiche Quellenedition, die erstmals die Geschichte der drei Lager Gusen (I, II, III) in dieser Tiefe dokumentiert. Das KZ Gusen, vier Kilometer vom Hauptlager Mauthausen entfernt, war von 1939 bis 1945 ein Ort des Terrorregimes der Nationalsozialisten und bald das größte Konzentrationslager auf (heute) österreichischem Boden, das jedoch lange Zeit im Schatten des Hauptlagers stand und sowohl in der Forschung wie auch in der öffentlichen Erinnerung weitgehend unsichtbar war.
»Die Hölle aller Höllen«
Insbesondere von 1940 bis 1942 kam dem KZ Gusen innerhalb des Mauthausen-Lagersystems die Rolle eines Vernichtungsortes zu. Überlebende bezeichneten es als die »Hölle aller Höllen«. War es in diesen Jahren die Arbeit in den Granitsteinbrüchen, so waren es ab Jahresbeginn 1944 die in den Berg getriebenen Stollen (acht Kilometer Länge, 50.000 Quadratmeter Nutzfläche, Deckname »Bergkristall«), die die Todeszahlen in die Höhe trieben. Diese sollten der Verlagerung von Rüstungsbetrieben (Gewehre, Panzer und Flugzeugteile) in bombensichere Quartiere dienen.
Der höchste Häftlingsbestand wurde am 28. Februar 1945 mit 26.000 Menschen verzeichnet, am 5. Mai 1945 wurden 21.000 Menschen von der US Army befreit. Von insgesamt 72.000 Häftlingen waren die meisten Polen (24.000), sowjetische Zivilgefangene und Kriegsgefangene (14.000 bzw. 4.200) sowie aus dem Deutschen Reich (5.600, drei Viertel aus dem »Altreich«, ein Viertel Österreicher). Und nicht zu vergessen: Von 4.700 (republikanischen) Spaniern alleine in Gusen wurden mehr als 4.000 getötet. Fast 15.000 sogenannte Rotspanier, wie die Nazis sie nannten, waren in deutschen Konzentrationslagern interniert, die meisten von ihnen in Mauthausen bzw. Gusen. Fast alle hatten im Spanischen Bürgerkrieg für die Republik gekämpft und waren Anfang 1939 nach Frankreich geflohen. Viele hatten 1940 als Bauhelfer oder Fremdenlegionäre mit der französischen Armee gegen die Wehrmacht gekämpft. Nach der Niederlage Frankreichs wurden sie zunächst noch nach internationalen Konventionen wie Kriegsgefangene behandelt, Franco hatte allerdings kein Interesse an ihnen …
Nach 1945
In Summe wurde etwa die Hälfte aller Häftlinge getötet (vgl. 20.000 Getötete in Dora-Mittelbau)! Diese schrecklichen Zahlen belegen eindrücklich, warum die Gedenkstätte Gusen gerade für die Republik Polen und die spanischen AntifaschistInnen einen sehr hohen Stellenwert hat. Wie bereits erwähnt wurden Mauthausen und Gusen von der US Army befreit. Ende Juli 1945 zogen die US-Amerikaner aus dem Mühlviertel (das ist der Teil Oberösterreichs nördlich der Donau, G. N.) ab und übergaben beide Lager den sowjetischen Militärbehörden.
Die Steinbrüche wurden als USIA-Betriebe weitergeführt (USIA = Verwaltung des sowjetischen Eigentums in Österreich, G. N.), der Großteil der ehemaligen Lagerflächen parzelliert, als Baugrund verkauft und bebaut. Das ehemalige KZ Mauthausen wurde der Republik Österreich 1947 übergeben mit der Auflage, es zu erhalten. Gusen hingegen drohte komplett zu verschwinden. Als einziges erkennbares Relikt war der Krematoriumsofen erhalten geblieben, der für Überlebende und Angehörige zur inoffiziellen Gedenkstätte gemacht wurde. Bereits Ende der 1940er-Jahre haben Überlebende und Angehörige dort eine Gedenkstele errichtet. Erst 1997 übernahm die Republik Österreich offiziell die Verantwortung für deren Erhaltung, 2004 wurde ein kleines BesucherInnenzentrum samt Dauerausstellung geschaffen. Von den unterirdischen Anlagen, also den Stollen, konnte ein Viertel gesichert werden, ein Abschnitt von 800 Meter Länge wurde technisch so ausgestattet, dass er an mehreren Tagen im Jahr mit Führung besichtigt werden kann. Inzwischen wurde mit Anrainern, WissenschafterInnen und Opferverbänden ein Masterplan zur Erweiterung der Gedenkstätte erstellt und von der Republik Österreich Geld für den Ankauf von Grundstücken in die Hand genommen.
Das sehr wertvolle Buch stellt den aktuellen Stand der Forschung dar und korrigiert manche bisher in der Öffentlichkeit präsente Zahlen. Elf Kapitel behandeln etwa den Aufbau (Kapitel 2), die Häftlingspopulation (4), die Lager-SS im KZ Gusen und die Nachkriegsprozesse gegen die Täter (6), Formen der Zwangsarbeit (7), die Toten (9), Medizinische Versorgung und Medizinverbrechen (10) und die Befreiung (11). Viele Fotos und Faksimile von Dokumenten illustrieren eindrucksvoll-grauenhaft den Naziterror.
Einen guten Überblick und Einstieg bietet auch die Website gusen-memorial.org/de