Vorhersage oder Fiktion?

geschrieben von André Wartmann

12. März 2025

In Richtung eines rechten autoritären Staates: Die USA seit Trumps Amtseinführung am 20. Januar

»Verschwörung gegen Amerika«, so lautet der Titel eines dystopischen Romans von Philip Roth, in dem ein faschistischer Präsident in den frühen 1940er-Jahren die Macht in den USA übernimmt. Dass die Science-Fiction-Erzählung des vor wenigen Jahren gestorbenen jüdisch-amerikanischen Autors so nah an der Realität sein würde, hätte er sich wohl selbst nicht vorstellen können.

In einer atemberaubenden Geschwindigkeit baute die neue US-Regierung unter dem neuen und alten Präsidenten Donald Trump in nur wenigen Wochen seit seiner zweiten Amtseinführung am 20. Januar das komplette Land um. Laut der Historikerin Annika Brockschmidt würden das Land und die Welt gerade Zeug*innen eines administrativen Staatsstreichs. Demokratische Grundprinzipen werden abgeschafft, die Macht des Präsidenten ausgebaut.

In Behörden werden tausende Mitarbeitende entlassen und durch Trump-treue Loyalist*innen ersetzt. Die Vorlage dazu liefert das »Project 2025«, verfasst von weißen Nationalisten der Heritage Foundation, unterstützt vom Tech-Milliardär Elon Musk, dem willentlich andere Superreiche aus dem Silicon Valley folgen. Ein Putsch, für den es weder Panzer noch Soldaten braucht. Die einschneidenden Veränderungen bekommen vor allem Minderheiten zu spüren. Ihre Rechte werden dramatisch beschnitten, indem DEI-Programme (Diversity, Equity and Inclusion) verboten, Transidentitäten unsichtbar und Illegalisierte massenhaft abgeschoben werden. Die Proteste dagegen werden vor allem von den Betroffenen Communities organisiert. Die Linke ist dabei kaum präsent.

Minderheiten und Vielfalt als Hauptfeind

In einer der ersten executive orders ordnete Trump an, dass es in den USA nur noch zwei Geschlechter geben solle. Es folgten weitere Dekrete, die trans Menschen aus Militär und Sport ausschließen, sowie ein Verbot von geschlechtsneutralen Dokumenten und geschlechtsangleichenden Operationen. Mit der Abschaffung der DEI-Programme verschwanden auf den Websites von Bundeseinrichtungen auch Hinweise zur Geschlechterdiversität. Auf der Homepage des National Park Service, zu dem auch das berühmte Stonewall National Monument gehört, sind die Buchstaben TIQ hinter LGB verschwunden. All diese Maßnahmen zielen darauf ab, nahezu die ganze LGBTIQ-Community unsichtbar zu machen.

Die massiven Angriffe durch die US-Regierung sind dabei jedoch nur eine Fortschreibung zahlreicher Anti-LGBTIQ-Gesetze in den republikanisch geführten Bundesstaaten der vergangenen Jahre. Dort wird der Druck dank der Unterstützung aus dem Weißen Haus auf die queere Community noch weiter erhöht. So ist es etwa im Bundesstaat Utah inzwischen verboten, die Pride Flag vor öffentlichen Gebäuden zu hissen. Kein Problem hat man dort jedoch mit der Hakenkreuzfahne, die laut dem republikanischen Abgeordneten Trevor Lee weiterhin aus historischen Gründen gezeigt werden kann. Diese queerfeindliche Politik ist lebensgefährlich. Aufgrund massiver Bedrohungen erwägen erste Familien das Land zu verlassen. Laut einer Umfrage überlegen fast 50 Prozent der sich als trans identifizierenden US-Amerikaner*innen diesen Schritt.

Bildung und Wissenschaft sind als elementarer Bestandteil einer progressiven Gesellschaft ebenso Angriffsziel der sich radikalisiert habenden republikanischen Partei. Die zeitweise Blockade des Bildungsministeriums durch nicht autorisierte Kräfte ist nur ein Vorgeschmack der angekündigten Auflösung der ungeliebten Behörde. Stattdessen sollen Homeschooling und Privatschulen gefördert werden. Universitäten mit eigenen Diversitätsprogrammen sollen die Mittel gestrichen bekommen und deutlich mehr Steuern bezahlen.

Die National Science Foundation (NSF) und das Center of Disease Control and Prevention (CDC) sehen die Forschung bedroht. Zukünftig sollen landeseigene Fördermittel nicht mehr an Institutionen vergeben werden, die in ihren Anträgen die Begriffe »women, AIDS, equity and gender« verwenden. Eine Black List mit weiteren hundert Schlagwörtern soll in den entsprechenden Behörden kursieren. Das Ausbleiben der Gelder führt langfristig zur Einstellung der Forschung, insbesondere bei frauenspezifischen Themen.

Während Projekte und Zufluchtsorte für sexuelle Minderheiten drohen zu verschwinden, befürchten Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus täglich, abgeschoben zu werden. Schon einen Tag nach dem Machtantritt Trumps begann die US-Abschiebebehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) im ganzen Land mit Verhaftungswellen und sofortigen Abschiebungen. Dabei wird keine Rücksicht auf Gesundheit, Familienstatus und berufliche Tätigkeit der Inhaftierten genommen. Die größte Gruppe der Betroffenen, Einwander*innen aus Mittel- und Südamerika, haben sich jedoch schnell organisiert. Schon Anfang Februar gab es vor allem im Süden und Südwesten des Landes Massenproteste gegen die Abschiebepläne. In Los Angeles und Houston wurden für mehrere Stunden Autobahnen blockiert. In den Sozialen Medien werden ICE-Beamte und deren Fahrzeuge geoutet, provisorische Abschiebezentren markiert und Tipps gegeben, wie den Behörden der Zugang zu privaten Räumen verweigert werden könne. Vereinzelt kam es auch schon zu Angriffen auf ICE-Beamte, die sich daraufhin zurückziehen mussten. Abgeordnete aus dem linken Lager der Demokraten, wie Bernie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez (AOC), informieren ebenfalls über ihre Kanäle die Betroffenen. Tom Homan, Chef der ICE, droht derweil den Politiker*innen mit erheblichen Konsequenzen, wenn sie Informationen zu geplanten Abschiebungen mit den Betroffenen teilen. Der Bürgerrechtsanwalt Scott Hechinger sieht darin eine Taktik der Angst und des Terrors, um verfassungsgebendes Recht der Abgeordneten einzuschränken.

Wo ist die Linke?

Wo bleibt die US-Linke?

Wo bleibt die US-Linke?

Die US-amerikanische Linke scheint derzeit kaum sichtbar zu sein. Die Aggressivität und die Geschwindigkeit, in der Präsident Donald Trump und sein Schatten Elon Musk Verordnungen beschließen, hat zu einem Schock innerhalb der organisierten Gruppen geführt. Annika Brockschmidt berichtete in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass diese Lähmung der Bevölkerung gewollt ist. Die daraus resultierende Erschöpfung soll politische Gegner*innen zum Rückzug zwingen – und diese Strategie hat Erfolg. Bei einem landesweit ausgerufenen Aktionstag unter dem Hashtag #50501 (50 Proteste, 50 Staaten, 1 Tag) am 6. Februar versammelten sich nur wenige zehntausend Menschen, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Selbst in den größten Städten nahmen nur jeweils etwa 2.000 Menschen teil. Deutlich weniger als noch acht Jahre zuvor, wo zur ersten Amtszeit Trumps mehrere Millionen Menschen auf die Straße gingen. Die neuerlichen Proteste wirkten auf einige Teilnehmende zudem unorganisiert und ohne klare Außenwirkung. Ein Teilnehmer einer New Yorker Demonstration schrieb auf Instagram: »Wenn wir es wirklich ernst meinen, wenn wir rufen: ›So sieht Demokratie aus‹, dann müssen wir anfangen, uns so zu verhalten, wie es die Demokratie tun sollte, oder zumindest die nötigen Schritte unternehmen, um sie zu schützen. Ziviler Ungehorsam soll nicht bequem sein.«

Dass der Aufschrei in der Linken so klein ausfällt, könnte auch am Niedergang der Democratic Socialists of America (DSA) liegen. Die größte linke Organisation in den USA wuchs dank des populären Politikers Bernie Sanders und seiner Präsidentschaftskandidaturen 2016 und 2020 auf fast 100.000 Mitglieder an. Diese hohe Zahl an Neuregistrierungen führte jedoch auch zu einer Zerfaserung. Es kam zur Bildung von marxistisch-leninistischen Kadergruppen innerhalb der DSA, die Bündnisse mit anderen Gruppen ablehnten und jeweils den Führungsanspruch erhoben. Ein einheitlicher politischer Konsens, mit dem sich Forderungen an die Demokratische Partei hätten stellen oder gar eigene Kandidat*innen hätten durchsetzen lassen, fehlte. Als Folge traten mehrere prominente Mitglieder aus.

Auch wenn große Proteste derzeit eher die Ausnahme sind, finden nahezu täglich im ganzen Land kleinere Kundgebungen statt. Demonstriert wird vor Tesla-Autohäusern, in Stadtparlamenten oder Einrichtungen, die unmittelbar für die Umsetzung der Regierungsverordnungen verantwortlich sind. Für andere liegt der Fokus weniger beim Protest auf der Straße als vielmehr bei ganz konkreten Hilfen für die Betroffenen, die ohnehin seit Jahrzehnten geleistet werden. So unterstützen Freiwillige, Kirchen und NGOs Migrant*innen durch Beratungsangebote sowie rechtliche Hilfe bei Aufenthaltsfragen. Bürgerrechtsorganisationen wie ACLU und Lambda Legal klagen gegen die teilweise verfassungswidrigen Dekrete aus dem Weißen Haus. Bundes- und Bezirksrichter*innen werden zudem selbst aktiv und erwirken einstweilige Verfügungen, die erste Erfolge zeigen. So werden die Gerichte zur letzten Front gegen den Staatsumbau der Trump-Administration. Brockschmidt weist aber auch darauf hin, dass die Klagen zwar auf unteren Ebenen erfolgreich sind, schlussendlich aber vor dem Obersten Gerichtshof landen dürften, der seit Trumps erster Amtszeit eine konservative Mehrheit hat. Die US-Regierung versucht auch die nachrangigen Justizbehörden zum Schweigen zu bringen. Mehrere Staatsanwält*innen und Richter*innen wurden schon zum Rücktritt gezwungen.

Und die Demokraten?

Die Demokratische Partei ist im Moment mit sich selbst beschäftigt, parteiintern schiebt man sich die Schuld für die Niederlage gegenseitig zu. Widerstand gegen die Pläne der faktischen Abschaffung demokratischer Gewaltenteilung in Senat und Repräsentantenhaus gibt es kaum, obwohl trotz Minderheit in beiden Kammern durchaus Gesetzesvorlagen der Republikaner verhindert werden könnten. Viel eher versucht man die derzeitige Präsidentschaft Donald Trumps auszusitzen und sich auf die Midterms 2026 vorzubereiten, wo man Hoffnungen hegt, wieder in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit zu erlangen. Auch auf die offene Teilnahme an Protesten wird, anders als noch zur ersten Amtszeit Trumps, verzichtet. Es besteht die nicht unberechtigte Sorge, dass die Regierung die Proteste nutzen könnte, um einen Ausnahmezustand zu verhängen, um weitere demokratische Rechte einzuschränken. Vielmehr aber noch befürchten langjährige Abgeordnete des Parteiestablishments der Demokraten, durch junge, progressivere Politiker*innen ersetzt zu werden. Ohnehin gibt es innerhalb der Linken wenig Vertrauen in die Partei. Für Debbie Bookchin, Aktivistin und Journalistin aus Upstate New York, verkörpern die Demokraten nichts anderes als den Neoliberalismus, der in ihren Augen niemals die einfachen Leute repräsentieren kann. Sie legt die Hoffnung in basisdemokratische Entscheidungen und Selbstverwaltung auf lokaler Ebene.

Die USA bewegen sich mit großen Schritten in Richtung eines autoritären Staates, in dem sich Trump selbst als König sieht. Mit dem Ausschluss von Minderheiten aus Entscheidungsprozessen wird die Demokratie in den Augen des jüdisch-amerikanischen Aktivisten Elad Nehorai zerstört. Er sieht die USA bereits auf dem Weg in den Faschismus. Die progressiven Kräfte in den Vereinigten Staaten sind derzeit geschwächt und müssen sich schnellstmöglich neu positionieren, um dem Trumpismus etwas entgegensetzen zu können, wie der Kolumnist Ross Barkan erst kürzlich in der New York Times forderte. Philip Roths Roman wird ansonsten schneller zu einer Vorhersage statt einer Fiktion. Ob die USA sich am Ende sogar so entwickeln wie in Alex Garlands Actionfilm »Civil War«, bleibt dabei ebenso ungewiss.