Wege verschließen

geschrieben von Thomas Willms

12. März 2025

Zum Für und Wider eines AfD-Verbotsverfahrens

Anfang der 1990er-Jahre machte man sich in der Antifaszene Gedanken und Sorgen um die »Nationalistische Front« (NF). Sie war eine Neonazikaderorganisation und zumindest vom Anspruch her auch eine politische Partei im Sinne der Gesetze. Ende 1992 wurde sie vom Bundesinnenminister aufgrund NS-»Wesensverwandtschaft« und ihrer »aggressiv-kämpferischen« Agitation verboten und zerschlagen. Wie bei einem im Vorfeld vereitelten Terroranschlag war der Nachrichtenwert gering und kurzlebig – es war ja nichts passiert. Tatsächlich geschah etwas Wesentliches. Ein bestimmter Entwicklungspfad neonazistischer Organisierung wurde zumindest vorerst stark eingeschränkt. Das, was wir heute mit dem »III. Weg« kennen, den man grob mit der NF vergleichen kann, verlor dadurch 20 Jahre Entwicklungszeit.

Eine Neonaziorganisation, die es einmal geschafft hat, sich als »Partei« aufzustellen, ist bekanntlich ungleich schwieriger zu verbieten. Die Verbotsverfahren gegen die NPD 2001 bis 2017, für die sich die VVN-BdA stark eingesetzt hatte, wurden vom Bundesverfassungsgericht abschlägig beschieden. Aber sind sie auch gescheitert? Die Verfahren führten zu einer starken gesellschaftlichen Diskussion darüber, ob Neo-faschismus Anspruch auf Legalität und Legitimität hat, schwächten die Partei stark und trugen zum Abbruch ihrer Erfolgskurve als Wahlpartei bei.

Das ganze Konstrukt der AfD basiert auf diesen Erfahrungen, und man muss leider sagen, dass ihr Plan inklusive der Verschleierung ihres ideologischen Kerns bislang aufgegangen ist – sogar schneller und erfolgreicher als befürchtet. Der Versuch einer großen überfraktionellen Gruppe von MdBs um den CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz, im November ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen, parallel zu der von unserem Verband mitgetragenen Kampagne »Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot jetzt!« fand im Parlament keine Mehrheit und landete in Parlamentsausschüssen.

Auch hier die Frage: War die ganze Mühe also vergeblich? Nein – und das aus mehreren Gründen. Über hundert Abgeordnete kündigten die »kollegiale Beziehung« mit der AfD oder die Möglichkeit einer solchen kategorisch auf. Dazu mussten sich manche sicher erst durchringen. Umso wichtiger, dass sie es taten. Auf einmal war der Gedanke des Verbots mit all den damit verbundenen Argumenten und dahinterliegenden Gründen ein öffentliches Thema, die Plakate der Kampagne das Material für zahllose Berichte und Erörterungen. Wir haben den politischen Preis speziell der CDU für eine mögliche Koalition sehr hoch getrieben – so hoch, dass ihr grobmotorischer Kanzleraspirant schon mal verbal die Nerven verlor angesichts der Leute »da draußen«, die gegen seine Abbautätigkeiten an der Brandmauer protestierten. Das AfD-Verbot muss nicht klappen, um erfolgreich zu sein.