Antifaschistisch kooperieren
12. März 2025
Auch 2025 Widerstand gegen geschichtsrevisionistisches Neonazitreffen in Budapest
Alljährlich am zweiten Samstag im Februar treffen sich aus mehreren Ländern angereiste Neonazis im ungarischen Budapest. Anlass ist der gescheiterte Ausbruchsversuch von Wehrmacht, SS und ungarischen Kollaborateuren aus dem Kessel der sowjetischen Armee im Februar 1945, der am 13. Februar in einem Desaster für die faschistischen Verbände endete (siehe Spalte).
In diesem Jahr hatten der österreichische KZ-Verband, das Offene Antifa Treffen (OAT Wien) und die VVN-BdA gemeinsam zur Beteiligung an den Gegenprotesten in Budapest mobilisiert. Unter hervorragender Organisation unserer Wiener Freund*innen fuhren am 8. Februar zwei Busse mit 130 Teilnehmer*innen von Wien nach Budapest. Ziel war es, noch vor der Teilnahme am antifaschistischen Gegenprotest, eine Gedenkkundgebung in der Stadt abzuhalten. Wie im vergangenen Jahr wollten wir an den Schuhen am Donauufer, die als Mahnmal an die Pogrome der Pfeilkreuzler an den ungarischen Juden erinnern, gedenken. Leider konnten wir dieses Gedenken im Jahr 2025 nicht durchführen. Für einen Filmdreh samt Actionszene war das gesamte Ufer um das ungarische Parlament abgesperrt. Tatsächlich berichteten einige der späteren Demoteilnehmer*innen von waghalsigen Stunts über der Donau.
Glücklicherweise befindet sich unweit der Schuhe am Donauufer der Platz der Freiheit. Auf ihm hat auch ein Denkmal einen Platz, das die Erinnerung an die Angehörigen der sowjetischen Armee, die bei der Befreiung Budapests getötet wurden, wachhält. Je ein Vertreter des KZ-Verbandes sowie der VVN-BdA legten kurzerhand dort die mitgebrachten Kränze ab, und die anderen Teilnehmer*innen nutzten die Gelegenheit, an der Stelle Nelken niederzulegen.
Der Ort des ungeplanten Gedenkens hat darüber hinaus eine erinnerungspolitische Bedeutung, ist er doch Gegenstand kontinuierlicher, öffentlicher erinnerungs- und geschichtspolitischer Auseinandersetzungen. Gegenüber dem, während des Stalinismus erbauten, sowjetischen Ehrenmal hat die Orbán-Regierung die sogenannte Gedenkstätte für die Opfer der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges errichten lassen. Die ohne öffentliche Diskussion und während einer Nacht errichtete »Gedenkstätte« stellt Ungarn letztlich als wehrloses Opfer Nazideutschlands dar, verharmlost so die Rolle des Horthy-Regimes und die der faschistischen Pfeilkreuzler bei der Kollaboration mit dem Deutschen Reich. Dagegen formierte sich in unmittelbarer Nähe schnell Widerstand, so dass in wenigen Metern Entfernung nun seit Jahren die von Gegner*innen des Denkmals angebrachten Schilder mit Lebensgeschichten sowie Fotos von jüdischen Verfolgten eine Art inoffizielles Gegendenkmal bilden und bisher nicht entfernt wurden. Im Gegenteil konnte im Februar festgestellt werden, dass vergilbte Schilder regelmäßig ausgetauscht und frische Blumen niedergelegt werden. Eine nicht zu unterschätzende Form der Widerständigkeit im heutigen Ungarn.
Nach dem antifaschistischen Gedenken schlossen sich alle Teilnehmer*innen der antifaschistischen Demo auf die Budapester Burg an. An dieser nahmen auch die Eltern von Maja teil, Maja sitzt unter menschenunwürdigen Bedingungen wegen antifaschistischer Aktionen im ungarischen Knast. Neben den lautstarken antifaschistischen Sprechchören wurde auch immer wieder die Parole »Free Maja« gerufen. Ebenso wurde in Redebeiträgen ein Ende der staatlichen Verfolgungsjagd auf Antifaschist*innen in Ungarn, Italien, Frankreich und Deutschland gefordert. Mit etwas mehr als 400 Teilnehmer*innen sowie durch den Umstand, dass sie mit ihrer Route einen der Anreisewege der Neonazis zur Burg blockierte, kann die Demo auch in diesem Jahr als Erfolg betrachtet werden.
Wie in den Jahren zuvor wurde die antifaschistische Demo von einem starken Polizeiaufgebot begleitet. Drohnen schwebten am Himmel, und auch Hunde standen bereit. Gleichzeitig konnten sich die angereisten Neonazis in der Stadt frei bewegen. Mit NS-Devotionalien versehen und vermummt begaben sie sich von der Polizei unbehelligt auf ihre Wanderung. Auch dieses Jahr waren diverse militante Neonazis aus Deutschland dabei1.
Als Fazit bleibt: Die hervorragend organisierte Fahrt von Wien nach Budapest war richtig und wichtig. Das zweite Jahr in Folge kooperierten der KZ-Verband und die VVN-BdA. Der immense Einsatz des OAT Wien kann gar nicht genug gewürdigt werden. Als Vertreter der VVN-BdA kann ich nur sagen, dass wir auch im kommenden Jahr gerne wieder mit allen zusammenarbeiten, die mit uns die Neonaziaktivitäten in Budapest mehr in den öffentlichen Fokus rücken wollen.
Die schützende Hand von Orbán
Über ein Jahrzehnt konnte sich in Budapest ungestört ein Neonazitreffen etablieren, das für die unterschiedlichen Strömungen der militanten Neonaziszene zielgruppengerechte Events bereithält: Rechtsrockkonzerte, Gedenkveranstaltungen mit Hitler-Zitaten und an zentraler Stelle ein Schaulaufen tausender Neonazis, teilweise verbrämt als Reenactment oder Wanderung, von der Burg ins Budapester Umland. Diese Konstanz unter der schützenden Hand eines wohlwollenden Orbán-Regimes ist es auch, was Budapest zunehmend zu einem zentralen Organisations-, Knoten- und Treffpunkt neonazistischer Netzwerke in Europa hat werden lassen. Seit 2020 ist die Kritik ungarischer Antifas auch international sichtbar geworden. Damals gab es zum ersten Mal einen Gegenprotest, an dem sich 400 Personen beteiligten. Seitdem sieht sich die Budapester Stadtregierung veranlasst, einige der neonazistischen Aktivitäten mit sanften Verboten zu belegen. Die sogenannte Wanderung findet jedoch nach wie vor statt.
Mehr zur Verfolgung von Antifas
in Budapest: basc.news
1 siehe: kurzlinks.de/budapest