Netzwerk der Antiaufklärer

geschrieben von Cornelia Kerth

22. Januar 2015

Warum die »Mahnwachen« nicht fortschrittlich sind

 

Viel Zustimmung hat uns zu unserer Distanzierung von den »Mahnwachen« erreicht, allerdings vereinzelt auch heftige Kritik. Deshalb scheint uns eine Erläuterung unserer Position geboten.

Die VVN-BdA war stets ein organisierender Teil der Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland, von der Re-Militarisierung der Bundesrepublik in den 1950er Jahren bis zu den aktuellen Kriegen und der Vorbereitung der künftigen, z. B. in Kalkar. Dabei war und ist aus unserer Sicht im Kampf um den Erhalt des Friedens die Entwicklung des deutschen Militarismus von zentraler Bedeutung.

Dafür arbeiten wir in breiten Bündnissen mit unterschiedlichen Partnern zusammen. Wir können nicht erwarten, dass alle diese Gruppen unsere Positionen im Detail teilen. Aber wir verlangen ganz klare Positionierung gegen Rechts.

Das ist im Fall der »Mahnwachen« nicht der Fall. Was sich gern als »neue Friedensbewegung« präsentiert, stellt sich bei näherem Hinsehen als Zusammenhang dar, der zwar seit März 2014 öffentlich sichtbar wurde, aber lange zuvor schon als weit verzweigte Community im Netz existierte. Dort haben auch die Hauptredner der sogenannten Bewegung eigene Seiten, auf denen sie ihrer Gefolgschaft die Welt erklären und sich gegenseitig bewerben. Während Lars Mährholz auf »mahnwache.info« Beschlusslagen, eine Proklamation »an alle bestehenden und zukünftigen Friedensmahnwachen dieser Welt« und »Forderungen an die Welt« (darunter natürlich die Auflösung der FED, der »US-Notenbank«) richtet, und Pedram Shahyar unter dem Label »Rebellunit« lange Predigten ans Publikum hält, illustriert die Seite »KenFM« die ganze Bandbreite.

Dort philosophiert Jebsen schon mal über den »Islamischen Staat«, dass sich da vielleicht nur die stets ausgebeuteten Völker zusammengetan haben, um mit einem »Inferno« den »Startschuss zu einer Art Selbstbefreiung« zu geben. Im Dezember ließ er den »Compact«-Autor Gerhard Wisnewski, dessen Bücher im einschlägigen Kopp-Verlag erscheinen, den Bogen einer antiislamischen Verschwörung spannen, die mit Samuel Huntingtons »Clash of Cultures« begann und zu der 9/11 genauso gehört wie »Pegida«. Andererseits tritt Gesprächspartner Udo Ulfkotte (»Gekaufte Journalisten«/Kopp-Verlag) bei »Bogida« als antiislamischer Redner auf.

Wisnewski, Ulfkotte, der Burschenschafter und »Wahrheitssucher« Michael Vogt, der »Gesellianer« Andreas Popp und ähnliche Experten begegnen einem ständig, wenn man sich durch die Seiten klickt, mit denen nicht nur das Führungspersonal, sondern auch die Homepages der einzelnen Mahnwachen verlinkt sind. Als »Alternative Medien« werden neben »Junge Welt« und »RT deutsch« geboten: von »Alles Schall und Rauch«, »Bürgerstimme« und »Contra-Magazin« bis »Wissensmanufaktur«, »Kulturstudio« und »NuoViso« und – selbstverständlich – »Compact«, dessen Autoren einen hohen Überschneidungsgrad mit KenFM-Gästen aufweisen.

Wer all diese Seiten nicht kennt, hat nichts verpasst. Ihr gemeinsamer Nenner ist Antiaufklärung mit Aufklärer-Gestus und Anschlussfähigkeit an Rechtspopulismus und in Teilen an den organisierten Neofaschismus. Immer wieder geht es um die Macht anglo-amerikanischer Banken, um amerikanische (und israelische) Herrschaftsansprüche und Kriegspolitik, um deutsche Politiker, die die deutschen Interessen beidem unterordnen – da ordnen sich sogar die »Chemtrails« ein. Der deutsche Militarismus kommt nicht vor.

Die Links und Hunderte von Kommentaren zeigen klar und deutlich: Es sind nicht einzelne Verwirrte, die sich den Mahnwachen anschließen. Wer im Netz nach Antworten auf Fragen sucht, die in der Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Interessen und Wirkungsmechanismen der realen Welt eben nicht so einfach zu finden sind, wird hier »bedient«. Alle Akteure und Medien teilen die Überzeugung, dass Politik und »Mainstream«-Medien »das Volk« belügen, betrügen und »verarschen« (Jebsen).

Die Liste der Gäste bei KenFM ist lang und darunter finden sich neben den Genannten immer Vertreter der Friedensbewegung, Wissenschaftler und Autoren, die eher der Linken zuzurechnen sind. Nicht links – nicht rechts, gemeinsam gegen Banken, gekaufte und verlogene Politiker und Mainstream-Medien, so soll die Botschaft sein. »Für den Frieden« ist ein Etikett, mit dem man für die Friedensbewegung interessant geworden ist. Das kann sich morgen ändern. Die heftige Auseinandersetzung um »Pegida« in der Community lässt das deutlich erkennen.