Antifa auf dem Kirchentag

geschrieben von Thomas Willms

12. August 2017

Die Anti-AfD-Ausstellung im Massentest

Um das Beste vorweg zu sagen: die AfD hat den Kampf um den Mainstream der evangelischen Kirchenwelt offenbar verloren, zumindest vorerst. Dies ist das eindeutige Gesamtergebnis der notgedrungen fragmentarischen Eindrücke des wie immer über Himmelfahrt stattgefunden habenden evangelischen Kirchentages, der wohl größten Massenveranstaltung in Deutschland.

VVN-BdA Stand auf dem Kirchentag in Berlin

VVN-BdA Stand auf dem Kirchentag in Berlin

Im Vorfeld der in Berlin stattfindenden Veranstaltung hatte es heftige Auseinandersetzungen gegeben. Sollte die Partei wie beim katholischen Kirchentag gänzlich ausgeschlossen oder in irgendeiner Weise als Gesprächspartner zugelassen werden? Das Präsidium hatte bekräftigt, dass niemand eingeladen würde, der sich rassistisch äußere oder Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbreite. Trotzdem wurde mit Anette Schultner eine Vertreterin der Gruppe »Christen in der AfD« zu einer Diskussion mit Bischof Dröge eingeladen. Diese spannungsgeladene und ohne konkretes Ergebnis endende Veranstaltung, auf der Dröge sich eindeutig gegen die Politik der AfD äußerte, war ein wichtiges Gesprächsthema am Stand der VVN-BdA auf dem »Markt der Möglichkeiten«.

Unser Stand wandte sich von allen Ausstellern am eindeutigsten gegen die AfD. Wir zeigten nämlich die Ausstellung »Der Arm der Bewegung« und verbreiteten in großem Umfang Material der Kampagne »Aufstehen gegen Rassismus«. Zwar kam die Ausstellung gut an, erwies sich aber trotzdem bei speziell diesem Mega-Event mit den oft extrem kurzen Aufmerksamkeitsspannen als zu uneindeutig. Manche Besucher, die buchstäblich zurücktaumelten, verwechselten uns im ersten Moment mit dem Gegner. Unsere große inhaltliche Vielfalt und Vielzahl an Materialien, die oft gelobt wurde, ist in so einer Umgebung auch ein Nachteil. Unsere Organisations-Identität muss künftig stärker herausgestellt werden. Vergleicht man die Kirchentage des vergangenen Jahrzehnts muss man feststellen, dass wir als Organisation an Boden verloren haben. Die Anzahl unserer eigenen Mitglieder, die sich zu erkennen geben, ist gesunken, ebenso die erkennenden Ausrufe – »Ach, ihr seid auch hier!«. Wurde man früher öfter als Prügelknabe von Antikommunisten verwendet, ist diese Angriffslinie weitgehend verschwunden, wohl mangels sichtbarer kommunistischer Politik in der Gesellschaft. Dafür hat die direkte Attacke »wegen Antifa« erkennbar zugenommen.

Überwiegend wurden wir jedoch für unsere Arbeit gegen Rechts gelobt und uns viel Erfolg gewünscht. Solche expliziten Sätze konnten wir ebenfalls deutlich öfter hören als früher.

Ganz mitleidlos muss man die vielen hundert Kontakte und Gespräche als Test für unsere Materialien und Argumente sehen. Demzufolge kennt eigentlich niemand mehr oder reagiert positiv auf das Buchenwald-Denkmal von Fritz Cremer, das wir häufig als Illustration verwenden. »Nazifreie Zone« oder »Hier verschwand ein Nazi-Aufkleber« oder auch die bunten AgR-Aufkleber gingen hingegen rasant weg. Dass AgR in Schleswig-Holstein besonders gut verankert ist, zeigte sich deutlich, ebenso die hohe Attraktivität der Stammtischkämpfer*innen-Idee.

Die außer uns optisch am eindeutigsten antifaschistisch auftretenden Gruppen waren interessanterweise verschiedene kirchliche Initiativen, nicht aber z.B. politische Jugendverbände, die völlig in die Konzepte ihrer Mutterparteien eingebunden wurden.

An unserem Stand waren auch Roma-Aktivisten (www.alle-bleiben.info) aktiv, die Unterschriften für Bleiberechts-Initiativen sammelten. Ihnen wurden, selbst in der verhältnismäßig aufgeklärten und generell auf Ausgleich orientierenden Umgebung des Kirchentags heftige antiziganistische Vorurteile entgegengebracht. Das muss man sich merken und in unserer weiteren Arbeit bedenken.