11. Januar 2024
Pirna nach der Wahl eines AfD-Oberbürgermeisters. Ein Gespräch mit Alina Gündel vom AKuBiZ
Alina Gündel ist aktiv beim Alternativen Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ e. V.) im sächsischen Pirna.
antifa: Wodurch zeichnet sich das AKuBiZ aus?
Alina Gündel: Ich bin nicht von Anfang an dabei, den Verein gibt es schon seit 2001. Da war zunächst eine Handvoll junger Leute, die sich schon damals einer rechten Hegemonie in Pirna ausgesetzt sahen und daran etwas verändern wollten. Zu dem Zeitpunkt waren insbesondere die NPD und die Skinheads Sächsische Schweiz hier im Landkreis sehr aktiv; so organisierten die alternativen Jugendlichen antirassistische Fußballcups. Relativ schnell hat sich der Verein dann aber auch auf Projekte der historisch-politischen Bildungsarbeit fokussiert. Es ging viel um die NS-Verbrechen und die jüdische Geschichte im lokalen Rahmen. Das beschäftigt uns auch noch heute und ist gewissermaßen unser Steckenpferd. Dieses Jahr zum Beispiel haben wir ein Themenjahr zu 1933 gemacht, also an die Machtübertragung an die Nazis vor 90 Jahren erinnert. Unser Leitspruch ist: »Nie wieder!«. Wir wollen historisch aufklären, um einen Teil dazu beizutragen, dass sich so was wie die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht wiederholt. Was die Lokalperspektive angeht, ist es uns wichtig, öfter mal den Finger in die Wunde zu legen, auch auf die Gefahr hin, als Nestbeschmutzer:in einsortiert zu werden.
Als Raum betreiben wir seit 2012 die K²-Kulturkiste in Pirna. Zu Beginn war das ein kleines Geschäftchen mit einer Bibliothek. Vor zwei Jahren sind wir dann in die Innenstadt am Markt gezogen und haben jetzt ein Ladengeschäft, in dem einmal eine Bäckerei mit Weinausschank und später ein Friseur drin war. Wenn man in der Altstadt die Schössergasse entlang läuft, zeigen große, bunt gestaltete Fenster, was wir so machen, also Stadtrundgänge, Bildungsveranstaltungen, Wanderungen, Ausstellungen, Vorträge, Workshops. Wir haben einen klassischen Seminarraum, aktuell zeigen wir dort eine Ausstellung zu jüdischem Leben in Pirna. Zudem haben wir eine Bibliothek in unseren Räumen, die aus allen Nähten platzt.
antifa: Ihr seid mit dem AKuBiZ in Pirna seit jeher in einer rechten Hochburg vor Ort. Nun hat Mitte Dezember der von der AfD aufgestellte Tim Lochner (parteilos) auch im zweiten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten und wurde damit der erste AfD-Oberbürgermeister Deutschlands. Wie bewertet ihr die aktuelle Situation?
Alina Gündel: Was das für die Zukunft bedeutet, darüber kann man nur Mutmaßungen anstellen. Es gibt keine Erfahrungswerte damit, die uns irgendwie eine Idee davon geben. Sicher ist, dass das die Stadt und die Stadtgesellschaft verändern wird. Zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang wurde auch die Einstufung der sächsischen AfD als rechtsextrem durch den Landesverfassungsschutz gemeldet. Das hat keinen größeren Teil der Pirnaer:innen davon abgehalten, Lochner erneut zu wählen. Meine Einschätzung ist, dass ein Großteil der Anhänger:innen Lochners mit der Wahl der Bundesregierung eines auswischen wollte, obwohl es beim OB-Amt ja um klassische Kommunalpolitik, also ganz andere Dinge, geht. Nichtsdestotrotz gehen wir davon aus, dass das die sächsische AfD weiter stärken wird und Lochners Wahl zu einer weiteren Normalisierung von dem führt, was die AfD sagbar macht, sei es zu Migration, Klimapolitik oder LGBTQI-Rechten.
antifa: Welche direkten Auswirkungen seht ihr für die Arbeit des AKuBiZ durch die Wahl von Lochner?
Alina Gündel: Wir haben das Glück, dass wir nicht direkt abhängig sind von der Stadt: Wir erhalten keine städtischen Gelder, unsere Räume sind nicht von der städtischen Wohnungsgesellschaft angemietet. Wenn, was wahrscheinlich ist, Lochner ein Problem mit uns hat, dann wären seine Möglichkeiten, uns an unserer Arbeit zu hindern, gering. Natürlich meine ich dennoch, dass die neue Situation in der Stadt uns natürlich auch betrifft. Da sind schon die Institutionen zu nennen, mit denen wir kooperieren, die enger am Pirnaer Rathaus hängen. Während wir es also nicht direkt mit einer Existenzkrise zu tun haben, sieht das bei anderen lokalen Initiativen und Vereinen auf jeden Fall anders aus. Wenn man städtische Gelder bekommt, ist es schon schwieriger, sich jetzt zu positionieren, gerade wenn es auch um Fragen des eigenen Fortbestehens geht.
antifa: Gibt es auch Verbündete gegen den rechten Vormarsch?
Alina Gündel: Auf jeden Fall. Wir waren vor ein paar Wochen Teil eines Bündnisses aus Initiativen, Einzelpersonen, Vereinen, teilweise Parteien. Das hat einen offenen Brief veröffentlicht, der die Situation an der Grenze und den Umgang mit den Geflüchteten thematisiert. Im Fokus war auch die mediale Berichterstattung darüber und die Reduzierung dort auf das Thema »Schleuser«, was ausblendet, warum Menschen überhaupt versuchen, nach Deutschland zu fliehen. Die Arbeit in dem Bündnis hat uns verdeutlicht, wie viele Synergien es gibt und dass das Bündnis im Landkreis schon ganz gut funktioniert, angesichts der Verhältnisse, in denen wir uns befinden, auch sehr stabil aufgestellt ist. Ein Verein, an den ich zum Beispiel denke, ist die AG Asylsuchende aus Pirna, die mehr mit der Gruppe der Geflüchteten zu tun hat. Wir sind halt nicht als migrantische Feindbilder markiert, wir sind weiß gelesen, und auch nicht alle von uns sind als alternativ erkennbar. Das ist beispielsweise für People of Color ganz anders. Dass sie einen alltäglichen Rassismus in Pirna, im Landkreis und auch darüber hinaus erfahren, ist nichts Neues. Nun ist zu befürchten, dass das neue Quantitäten und Qualitäten annimmt …
antifa: Knapp 15.000 Menschen wurden in der »Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein« gemäß der NS-Ideologie vom »lebensunwerten Leben« 1940 und 1941 ermordet. Was bedeutet die Wahl Lochners für die Erinnerungspolitik in der Stadt?
Alina Gündel: Die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein ist ebenso unabhängig von der Stadt, weil sie durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten getragen wird. Auch da gibt es kein direktes Unterweisungsverhältnis. Soweit ich weiß, hat die Gedenkstätte verlautbaren lassen, dass sie keine Besuche vom neuen Oberbürgermeister empfangen wird. Was die Erinnerungsarbeit im allgemeinen angeht, muss man resümieren, dass sich die AfD natürlich nicht dadurch auszeichnet, unseren Zielen zu entsprechen, inwiefern sich der Oberbürgermeister dazu auslassen wird, wissen wir noch nicht, weil auch in seinem bisherigen lokalpolitischen Engagement wenig dazu gekommen ist. Es ist nicht zu erwarten, dass der Oberbürgermeister zu Gedenkveranstaltungen weiterhin eingeladen wird.
antifa: Gab es bereits Anfeindungen von rechts gegen das AKuBiZ?
Alina Gündel: Die gab es auf jeden Fall. Zum Beispiel wurden in den frühen 2000ern Autos von Vereinsmitgliedern angezündet. Zudem wurden uns im Jahr 2015 nach einem Antira-Cup, bei dem sich auch ein AfDler unbemerkt eingeschlichen hatte, die AKuBiZ-Scheiben eingeschmissen. Was es niedrigschwelliger fast tagtäglich gibt, sind rechte Sticker, die bei uns, in der Gegend oder bei der AG Asylsuchende geklebt werden. Dann ist man erst mal damit beschäftigt, ein bisschen was zu entfernen.
antifa: Welche Formen von Unterstützung helfen euch?
Alina Gündel: Wir haben in den letzten Tagen richtig viele Solidaritätsbekundungen bekommen. Das ist für uns total wichtig, also das Wissen darum, dass jemand unsere Arbeit sieht, auch überregional. Wenn jemand sich das leisten kann, dann freuen wir uns natürlich auch über Spenden. Wir finanzieren eigentlich so ziemlich alles über Spenden, manchmal Fördermittel und arbeiten auch größtenteils ehrenamtlich. Das sind schon so die direktesten Unterstützungsmöglichkeiten, die es gibt. Wir freuen uns auch über jeden, der unsere Veranstaltungen besucht.
Das Gespräch führte Andreas Siegmund-Schultze
Informationen: akubiz.de
Spenden: AKuBiZ e. V. Volksbank Pirna e. G. IBAN: DE34850600001000933180