Forderung nach Erziehung

geschrieben von Bernd Kant

5. November 2023

Vor 60 Jahren begann in Frankfurt am Main der Auschwitzprozess

Als am 20. Dezember 1963 im Plenarsaal des Frankfurter Römers der »Auschwitzprozess« »Gegen Mulka und andere« mit dem Aktenzeichen 4 Ks 2/63 gegen 22 Angeklagte eröffnet wurde, war es ein Wendepunkt in der juristischen Aufarbeitung faschistischer Verbrechen. Zuvor dominierte in der BRD-Gesellschaft im Kalten Krieg und mit dem »Wirtschaftswunder« eine Tendenz, die faschistischen Verbrechen zu verdrängen, zu ignorieren oder einfach zu beschweigen. Die Masse der »Mitläufer« und auch die Täter und politisch Verantwortlichen hatten wieder ihre einflussreichen Positionen in der BRD-Nachkriegsgesellschaft gefunden. Gegen dieses »Nichts mehr wissen wollen« kämpften die Überlebenden der NS-Verfolgung. In der VVN gab seit den 1950er Jahren eine Rechercheabteilung, die Materialien und Zeugenaussagen über faschistische Verbrechen sammelte. Auch international wurden solche Dokumente gesammelt, um Prozesse gegen Naziverbrecher auf den Weg bringen zu können. Im damaligen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hatten die Antifaschisten einen »Verbündeten«, der – als er von Überlebenden Dokumente aus dem Auschwitzkommandanturbereich erhielt – beim Bundesgerichtshof (BGH) für das Landgericht Frankfurt am Main die Zuständigkeit für alle Verfahren im Zusammenhang mit den Massenverbrechen in Auschwitz beantragte. Dies wurde im April 1959 durch den BGH bestätigt. Forderung nach Erziehung weiterlesen »

Komplizenschaft von unten

5. November 2023

Vertreter von Chiles Modatima-Bewegung reisen durch die BRD. Ein Gespräch

antifa: Ihr habt euch an der Ausarbeitung der neuen Verfassung maßgeblich beteiligt. Unter anderem die Privatisierung des Wassers sollte beendet werden. Dazu ist es nicht gekommen. Wie hart trifft euch die Niederlage?

Victor Bahamonde: Der verfassunggebende Prozess, der 2020 eingeleitet wurde, war ein Kompromiss, um eine Staatskrise abzuwenden. Doch die Energie der sozialen Bewegungen in der Stadt und auf dem Land, die uns erst dahin gebracht hat, ist durch die Ablehnung der Verfassungsreform nicht verpufft. Wir arbeiten zusammen mit vielen anderen daran, das Land weiter zu demokratisieren. In Chile herrscht eine absonderliche Demokratie der wenigen, während für den Großteil der Bevölkerung weiterhin die Diktatur das Leben bestimmt. Der Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Wasser und Land, aber auch generell zu den Gemeingütern, ist unglaublich beschränkt. Aktuell kämpfen wir um ein Wassergesetz. Aber es ging ja nie nur um das Wasser. Das Wasser ist vielmehr ein Synonym für die Ausplünderung des Landes und die Unterdrückung der Landbevölkerung. Die Wasserknappheit führt zu ständiger Vertreibung und Leid. Das ist ein starkes Mobilisierungsthema in den Gemeinden, weil die Industrie, der Immobiliensektor, die Land- und Forstwirtschaft und vor allem der Bergbau sehr viel Wasser verbrauchen, während die Kleinbauern darben. Unsere Analyse der Niederlage beim Referendum ist vielfältig. Unsere Strategie wird sich aber nicht ändern: Wir sammeln Informationen zur Plünderung und Vertreibung, machen diese Vorfälle bekannt, flankieren mit Bildungsangeboten, und das schafft die Grundlage für eine Basisorganisierung und Massenmobilisierung. Diese Mobilisierungen haben meist regionale Schwerpunkte, aber können auch landesweit Druck entfalten. Eine Voraussetzung für den Erfolg unserer Bewegung ist unsere Vielstimmigkeit und die ständige Verhandlung der zentralen Fragen: in welchem Land wir leben wollen und auf wessen Kosten gewirtschaftet wird. Komplizenschaft von unten weiterlesen »

Hindernis für den Frieden?

geschrieben von Wanja Musta

5. November 2023

30 Jahre PKK-Betätigungsverbot in Deutschland

Die PKK wurde 1978 in den nordkurdischen Gebieten auf dem Staatsgebiet der Türkei als Reaktion auf die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung und ihrer Identität sowie auf die Vertreibung der Kurd:innen in der Türkei und anderen Siedlungsgebieten gegründet. Diese Gebiete erstrecken sich seit dem Ende des Ersten Weltkrieges über Teile des Staatsgebietes Iraks, Irans und Syriens sowie der Türkei. Hindernis für den Frieden? weiterlesen »

Rätselraten in Polen

geschrieben von Karl Forster

5. November 2023

Kommt es zum Regierungswechsel in Warschau? Zur Wahlniederlage der PiS

Zwei Legislaturperioden hat die nationalkonservative PiS (Prawo i Sprawiedliwość, deutsch: Recht und Gerechtigkeit) Polen regiert. Und das mit absoluter Mehrheit. Das hatte ihr erlaubt, das politische System nachhaltig zu verändern, vor allem wurde die Gewaltenteilung eingeschränkt. Die Einführung einer Disziplinarkammer erlaubte es, unliebsame Richter aus der Justiz zu entfernen. Gleichzeitig wurden höchste Richterposten mit Parteivertretern bestückt. Nächster Schritt war die Einhegung der Medien: Beim vorher öffentlich-rechtlichen Rundfunk hatte nun der Staat das Sagen. Intendanten und Chefredakteure wurden vom Finanzminister ernannt. Die einst teilweise in Händen von deutschen Konzernen befindlichen Regionalzeitungen wurden unter Druck von Staatsbetrieben übernommen. Den größten Protest in der polnischen Bevölkerung erzeugte jedoch die faktische Abschaffung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Dabei war die PiS ursprünglich aus Protest gegen die extrem wirtschaftsliberale Politik der von Donald Tusk geführten Regierung gewählt worden. Sie trat an, um soziale Härten abzufedern, und führte eine Reihe von neuen Sozialleistungen ein. Rätselraten in Polen weiterlesen »

Ein deutscher Kommunist

geschrieben von Sebastian Schröder

5. November 2023

Ilko-Sascha Kowalczuk hat den ersten Teil einer monumentalen Biografie zu Walter Ulbrich vorgelegt

Genau fünfzig Jahre nach dem Tod von Walter Ulbricht hat der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk den ersten Teil seiner monumentalen Ulbricht-Bio-grafie vorgelegt, versehen mit dem suggestiven Untertitel »Der deutsche Kommunist«. Kowalczuk schildert die Stationen des Lebens von Deutschlands bekanntestem und umstrittenstem linken Politiker, neben Erich Honecker, beginnend mit Elternhaus und Geburt bis zum 1. Mai 1945. Ein deutscher Kommunist weiterlesen »

Zu einseitig präsentiert

geschrieben von Ellen Händler

5. November 2023

Eine Ausstellung in Berlin zu jüdischem Leben in der DDR

Die Ausstellung habe ich mit Sehnsucht erwartet und war gleichzeitig in großer Sorge, wie man dieses schwierige Thema unserer Geschichte – die bewusste Entscheidung der überlebenden Jüdinnen und Juden, ein anderes antifaschistisches Deutschland aufzubauen – bewältigt. Die Chance, die Vielfalt und Widersprüchlichkeit, eben das »andere Jüdische« zu zeigen, wurde leider vertan.

Die Ausstellung ist aus der Sicht Westdeutscher unter dem Blick des Scheiterns der DDR, des Widerstandes oder der Schwierigkeiten des jüdischen Lebens in der DDR kuratiert. Das, was das »andere« war, was die Überlebenden, die Remigranten gerade in die DDR zog und sie am Aufbau dieses anderen Deutschlands fesselte, abstieß oder anspornte und sie nicht vor den Widersprüchen weglaufen ließ, wird nicht deutlich. Die Mehrzahl der in der Ausstellung Porträtierten hatte die DDR verlassen. Porträts jüdischer DDR-Persönlichkeiten und Familien, die beides in sich vereinten, Jüdisches und Engagement in der DDR-Politik, sind nicht zu entdecken. Zu einseitig präsentiert weiterlesen »

Der richtige Augenblick

geschrieben von Axel Holz

5. November 2023

Neuauflage von Raul Hilbergs Buch »Die Vernichtung der europäischen Juden«

Raul Hilberg entstammt einer jüdischen Wiener Familie, die vor den Nazis in die USA emigrieren musste. Als US-Soldat war er an der Befreiung des KZ Dachau beteiligt. Seitdem hatte den 2007 verstorbenen Historiker das Thema der Judenvernichtung durch die Nazis nicht mehr losgelassen. Er entdeckte in München die Kisten mit der Privatbibliothek Hitlers und befragte deutsche Soldaten im Auftrag der Alliierten. Im Politikstudium recherchierte er weiter an den Originalquellen zum Holocaust, der damals noch nicht so hieß und für den sich kaum jemand interessierte. Dies beförderte auch, dass die Überlebenden häufig über das Geschehene schwiegen. Der richtige Augenblick weiterlesen »

Patriarchalen Hass stoppen

geschrieben von Peps Gutsche

5. November 2023

Zwei aktuelle Bücher fordern ein Ende der Gewalt

Alle drei Minuten misshandelt ein Mann in Deutschland seine (Ex-)Partnerin, jeden Tag versucht ein Mann, seine (Ex-)Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt dies. Ich wiederhole: Jeden dritten Tag wird eine Frau ermordet, und der gesellschaftliche Aufschrei darüber fehlt. Christina Clemm fordert diesen Aufschrei ein und macht die Gewalttaten gegen Frauen und nicht-binäre Personen in ihrer Brutalität und gesellschaftlichen Bagatellisierung sichtbar. Patriarchalen Hass stoppen weiterlesen »

Es bleibt eine Schande

geschrieben von Erika Klantz

5. November 2023

Sammelband zum Elend der Traditionspflege in der Bundeswehr

Jakob Knab führt mit seinen Mitautoren eine Auseinandersetzung, die längst gewonnen scheint. Spätestens mit der überarbeiteten Wehrmachtsausstellung ist allen klar, dass es keine »sauberen« staatlichen Institutionen im »Dritten Reich« gegeben hat, schon gar keine »saubere Wehrmacht«. Dies heißt aber nicht, dass es in der Bundeswehr nicht noch Menschen gibt, die die »Ehre« einzelner Wehrmachtsoffiziere nicht noch retten wollen. Gegen diese Traditionspflege wenden sich die Beiträge in »›Helden‹ der Vergangenheit?«. Es bleibt eine Schande weiterlesen »

Das nie wieder

5. November 2023

Seemann und Autor: Film über Walter Kaufmann. Gespräch mit Dirk Szuszies

antifa: Ihr habt einen Film über den im Jahr 2021 verstorbenen Walter Kaufmann gedreht. Wer war das?

Dirk Szuszies: Walter Kaufmanns Leben lässt sich kaum in wenigen Sätzen zusammenfassen. Er wurde 1924 in Berlin als Sohn einer armen polnischen Jüdin geboren und mit drei Jahren in eine wohlhabende jüdische Familie in Duisburg adoptiert. Bis es mit Hitlers Machtergreifung zum Bruch kam, beschrieb er seine Kindheit als sehr glücklich. Mit einem der letzten Kindertransporte wurde er nach England gerettet, seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Davon erfuhr er lange nichts, da er von den Briten nach Australien abgeschoben wurde. Dort arbeitete er im Hafen und knüpfte so Kontakte zur Seemannsgewerkschaft, in der er auch Mitglied wurde und durch die seine Liebe zum Schreiben gefördert wurde. Darauf folgte ein wechselhaftes Leben, immer blieb er aber begeisterter Seemann und Autor. Das nie wieder weiterlesen »

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