Ein Expressionist im Exil

geschrieben von Peter Fisch

5. September 2013

Heinz Lohmar – Künstler, Emigrant, Widerstandskämpfer und
Hochschullehrer

Nov.-Dez. 2012

Ab Oktober 1949 arbeitete Heinz Lohmar an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, 1951 wurde er dort zum Professor für Wandmalerei berufen. Einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart, der Maler Gerhard Richter, war sein Meisterschüler. Als er im Frühjahr 1961 in die BRD ging, schickte er Prof. Lohmar von dort einen Abschiedsbrief. In ihm betonte er seine hohe Wertschätzung und Dankbarkeit für das, was er bei ihm gelernt hatte.

Schon früh verstand sich Heinz Lohmar als politischer Künstler. Akademisch als Wandmaler ausgebildet, geriet er bereits Anfang der 30er Jahre in den Fokus der Nationalsozialisten. Die Verfolgung besonders jener Künstler, die als »Repräsentanten des Weimarer Systems«, als »Kulturbolschewisten« galten, setzte unmittelbar nach dem 30.Januar 1933 ein. Wer der KPD und der »Assoziation revolutionärer bildender Künstler« angehörte – und auf den am 21.Juni 1900 in Toisdorf (Rheinland) geborenen Heinz Lohmar traf beides zu – war besonders gefährdet. So war seine Flucht aus Nazideutschland folgerichtig. Sie führte ihn, nachdem er kurzzeitig in Haft war, über die Schweiz und Italien Ende 1933 nach Paris. In der französischen Hauptstadt hielten sich zu dieser Zeit ca.25000 deutsche Flüchtlinge auf. Unter ihnen befanden sich etwa 300 Künstler und Schriftsteller, darunter 50 Bildende Künstler, z.B. Max Lingner, Robert Liebknecht, Horst Strempel, Paul Westheim, Anton Räderscheidt, Johannes Wüsten, Felix Nußbaum, Max Ernst und auch Heinz Lohmar. Paris wurde damit zu einem Zentrum der humanistischen deutschen Kultur. Gerade die Bildenden Künstler knüpften hier an ihre politisch-kulturellen Aktivitäten vor der Flucht an. Schon 1933 wurden vier Theater bzw. Kabaretts gegründet. Besondere Bedeutung kam der »Laterne« zu. In ihren Räumen fand vier Jahre später die Uraufführung von Brechts »Gewehre der Frau Carrar« statt. Anna Seghers urteilte danach: »Dank diesem Genossen. Dank dem Lohmar, der die Bühnendekoration wie für Reinhardt selbst baute…« Weitere Uraufführungen folgten, z.B. die Szenenfolge »99 %« (nach Brecht). Insgesamt schuf Lohmar in dieser Zeit sieben Graphiken, allesamt expressiv, an George Grosz erinnernd.

Der Kreis um Max Ernst, Hanns Kralik, Eugen Spiro und Heinz Lohmar initiierte das »Kollektiv Deutscher Künstler«, der auch den Kern des bedeutenderen »Freien Künstlerbundes«(Mai 1938) darstellte. In der Kunstzeitschrift »Die Mappe« stellten Bildhauer, Grafiker und Maler ihre neuesten Arbeiten vor. Besonders Max Ernst und Heinz Lohmar widmeten sich in den Jahren 1936-1938 der Thematik des Faschismus. Letzterer schuf Ende 1936 das Bild »Das Übertier« – die Darstellung des Systems des Verbrechens, der Antihumanität und Barbarei mit surrealistischen Stilmitteln. Es reflektiert die Erfahrungen mit dem Naziregime und die Nachrichten aus Spanien. Der Spanische Krieg berührte die Lohmars auch direkt. Der Bruder seiner Ehefrau Hilde, der junge Arzt Herbert Feinstein, wurde 1936 Angehöriger der Internationalen Brigaden. Er fiel 1938 als »Freiwilliger der Freiheit«.

Mit dem Beginn des 2. Weltkrieges veränderten sich die Existenz-und Lebensbedingungen der Exilanten in Frankreich grundsätzlich. Ein Teil von ihnen wurde bereits Anfang September 1939 verhaftet und in Straf- und Internierungslager verbracht. Mit Beginn der direkten Kampfhandlungen durch die Naziwehrmacht am 10.5.1940 erfolgten neue Internierungen und polizeiliche Registrierungen. Nach seiner anfänglichen Internierung in Avor und Benguy meldete sich Heinz Lohmar freiwillig zum Prestataire (Arbeitsdienst) in der französischen Armee und kurz darauf in den britischen Streitkräften. Am 27.10.1939 wurde in Paris sein Sohn Andre geboren. Hilde floh mit dem Kind, wurde aber durch den schnellen Vormarsch der Wehrmacht »überrollt« und musste nach Paris zurückkehren. Nun ging es für die gesamte Familie um Leben oder Tod: Hilde Lohmar war jüdischer Herkunft, Andre (nach Nazivokabular) »Halbjude« und Heinz aktiver Nazigegner und Kommunist. Zunächst fanden Mutter und Kind in Versailles Unterschlupf.

Heinz wurde am 22.6.1940 demobilisiert. Sein Weg führte in die noch unbesetzte Südzone, nach Carcassonne. Hier erhielt er eine Arbeitserlaubnis, was ein Glücksfall war und es gelang, die Familie wieder zusammenzuführen. Als die Wehrmacht im November 1942 die Südzone besetzte, wurde auch dort ein »Ariernachweis« verlangt. Ein kommunistischer Kurier überbrachte gefälschte Personaldokumente, mit deren Hilfe eine Unterkunft in Allanche (Massif-Central),einer Kleinstadt, gefunden wurde. Fortan trugen die Lohmars den Namen »Lemeire«. Andre wurde katholisch getauft und besuchte die Klosterschule im Ort. Der dortige Pfarrer und die Oberin des Klosters reichten den Lohmars die rettende Hand. Für den Fall des Eintreffens von Waffen-SS oder Wehrmacht sollten Hilde und Andre ins Kloster flüchten und Heinz in die Berge. Zu diesem Zeitpunkt hatte Heinz sich bereits einer Einheit der Resistance angeschlossen. Nach der Befreiung lebten Hilde und Andre weiter in Allanche, während Heinz nach Toulouse ging, um in der CALPO(Comite »Allemagne Libre« pour L´Ouest) mitzuarbeiten. Ein Dokument vom 7.2.1945 bestätigt, dass er seit Juni 1944 in der Resistance gekämpft hatte, ein anderes seine Mitgliedschaft in der CALPO. Am 8. Februar 1946 kehrte Heinz Lohmar nach Deutschland zurück. Die Odyssee seines fast 13-jährigen Exils war zu Ende.