Alles bleibt offen

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Veränderungen des politischen Umfeldes für ein neues
NPD-Verbotsverfahren

Nov.-Dez. 2009

An den grundsätzlichen Positionen, Pros und Contras, Vorlieben und Abneigungen bezüglich eines NPD-Verbotes haben Bundestags- und andere Wahlen dieses Jahres nichts geändert. Geändert haben sich aber prozentuale Verteilungen, Schwächung und Stärkung einzelner Akteure und möglicherweise die Dynamik, die das Thema im Politpoker gewinnen kann.

Mit der FDP verzeichnete ausgerechnet die Partei, die am entschiedensten gegen ein Verbot auftritt, bei der Bundestagswahl die größten Gewinne. Auch die Stimmenzuwächse von Bündnis 90/Die Grünen sind in unserem Sinne kein Vorteil, da sich die Partei nicht einheitlich, aber mehrheitlich gegen ein Verbot ausspricht. Von den beiden Parteien, die weit überwiegend für ein Verbot eintreten, hat Die Linke deutlich gewonnen, die SPD aber noch deutlicher verloren. Außerdem findet sich das NPD-Verbot plötzlich als ein Thema der beiden großen Oppositionsparteien wieder, zuvor ging es quer durch Regierung und Opposition. Zu bewerten, ob dies nun besser oder schlechter sei, wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt Spekulation.

Zahlreiche neue Abgeordnete ziehen in den Bundestag ein. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen, von deren Fraktionszugehörigkeit unmittelbar auf ihre Position zum Thema zu schließen. Wahrscheinlich haben manche erst einmal gar keine bzw. eine noch ungefestigte. Überraschungen in die eine oder andere Richtung sind durchaus zu erwarten. Positiv ausgedrückt: Es ergeben sich viele neue Möglichkeiten der Ansprache für die Verbots-Befürworter.

Der langjährige unnachgiebige Opponent Wolfgang Schäuble räumt den wichtigen Posten des Bundesinnenministers. Von ihm war in der Sache keine Bewegung mehr zu erhoffen. Sein Nachfolger, Thomas de Maizière, vertritt zwar dieselbe Position, steht aber doch für einen anderen Politikstil. Der durch das Wahldesaster seiner Partei stark betroffene SPD-Landesvorsitzende und Innenminister Hövelmann aus Sachsen-Anhalt war einer der wichtigsten Fürsprecher des Verbots. Es bleibt abzuwarten, ob er die Krise politisch überstehen wird.

Ein Vabanquespiel probierte kurz vor den Wahlen ausgerechnet der bayrische Innenminister Herrmann – und mit ihm die CSU. Er kündigte an, ein NPD-Verbot nunmehr unterstützen und vorantreiben zu wollen, gleichzeitig aber seine V-Leute beizubehalten. Da musste man sich schon fragen, ob man in Bayern meint, nicht in den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu gehören. Die offensichtlich unsinnige Aussage Herrmanns gewinnt erst an Schlüssigkeit, wenn man die personelle Zusammensetzung des BVG in Betracht zieht. Die drei sperrigen Richter der Entscheidung von 2003 werden nämlich in Bälde nicht mehr im Amt sein. Herrmann spekulierte offenbar darauf, alles noch einmal genauso wie damals anzugehen und die geliebten V-Leute ebenfalls beizubehalten. Von einer Fortsetzung seiner Bestrebungen über den Wahlkampf hinaus war bislang nichts zu vernehmen.

Der leichte Rückgang des Wahlergebnisses der NPD auf 1,5 %, ihr verpasster Einzug in den Landtag Brandenburgs und das Herausfliegen der DVU aus demselben, lassen in vielen Wahlinterpretationen, auch der Linken, Entspannung aufkommen. Das ist jedoch gefährlich. Tatsächlich hat die NPD im Rahmen ihrer Möglichkeiten zwei entscheidende Erfolge erzielt. Zum einen den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag, der ihre finanziellen, personellen und organisatorischen Strukturen sichert. Dies ist wichtig für die Zukunft der Partei, die sich um Landespolitik im Grunde sowieso nicht schert. Schlimmer noch, mit dem Wahlerfolg steht in Sachsen nun die Inbetriebnahme der bereits vorsorglich gegründeten NPD-nahen Stiftung an. Diese würde, wie andere Parteistiftungen auch, erhebliche staatliche Gelder beziehen, die nicht nur das Umfeld der Partei ausbauen, sondern selbst im Falle von künftigen Wahlniederlagen weiterarbeiten und die Kontinuität sichern könnte.

Der zweite Sieg besteht in der Niederlage der DVU in Brandenburg, die nicht einmal aus ihrer günstigen Situation als Parlamentspartei etwas machen konnte, die NPD zog mit 2,6% deutlich an ihr vorbei. Der endgültige Zusammenbruch der DVU ist damit wahrscheinlich geworden. So kann die NPD jetzt ihre Auseinandersetzung mit der DVU, die seit Anfang der 70er Jahre zwischen Konkurrenz und Kooperation pendelte, endgültig und erfolgreich beenden. Der fortwährende Niedergang der Republikaner vervollständigt diesen Sieg im Bruderkrieg. Die REPs, die rechtsradikal sein, aber nicht so aussehen wollen, bleiben weiter zurück. Über 635.000 Wählerinnen und Wähler, dreimal so viele wie für die REPs, wählten nämlich die »härter« auftretende und aussehende Variante, die NPD. Dies ist mehr als eine Etappe im ewigen innerrechten Grabenkrieg. Die NPD steht damit kurz davor, zum ersten Mal seit Ende der 60er Jahre ein »Alleinstellungsmerkmal« zu gewinnen.

Doch auch diese Wahl sollte man beachten: Mit Bischöfin Margot Käßmann wählte die EKD-Synode gerade eine erklärte Befürworterin des NPD-Verbots zur EKD-Ratsvorsitzenden.