»Artfremde Kostüme«

geschrieben von Roxana Küwen

5. September 2013

Eine Wanderausstellung präsentiert das Thema Zirkus im der NS-Zeit

Nov.-Dez. 2011

Für Anregungen zu möglichen Ausstellungsorten, bei Fragen oder Interesse ist die Projektgruppe Circus im Nationalsozialismus zu erreichen unter circusausstellung@web.de

Im März 2011 wurde in Berlin die Ausstellung CIRCUS.FREIHEIT.GLEICHSCHALTUNG. eröffnet. Sie ist eine der umfangreichsten Präsentationen zum Thema Zirkus im Nationalsozialismus, die je erschienen ist. Ausgehend von Erzählungen von Artistinnen, Historikerinnen und Überlebenden macht die Ausstellung die Geschichte des Zirkus im Nationalsozialismus öffentlich. Im Vergleich zu anderen Kunstformen ist Zirkus im NS ein nahezu unbearbeitetes Feld. Die Ausstellung setzt ein Gegengewicht zur vorherrschenden Geschichtsschreibung, die von den großen Zirkusunternehmen bestimmt wird, denn noch heute ist es ihnen möglich, in ihren Chronologien die Jahre des Faschismus, in denen viele durch Zusammenarbeit mit den Nazis ihren bis heute anhaltenden Erfolg begründen konnten, unerwähnt zu lassen.

Die kulturpolitische Rolle des Zirkus war gegenüber den Hauptpropagandamedien Radio, Presse, Film und Literatur deutlich untergeordnet. Die Faszination, die vom Zirkus ausgeht und die damit verbundene Wirkung als Kommunikationsmittel zu einem breiten Publikum, hatte für die Nazis trotzdem einen hohen Stellenwert. Auf institutioneller Ebene wurde durch die Einordnung des Zirkus in die Reichskulturkammer (RKK), die dem Reichpropagandaministerium unterstellt war, die Gleichschaltung auch in der Zirkuswelt vollzogen. Für die Berufsausübung war eine Mitgliedschaft in der RKK notwendig, für welche Artisten und Zirkusdirektoren »Ariernachweise« sowie »politische Zuverlässigkeit« vorzuweisen hatten. Die »Teilnahme von Juden an Darbietungen der deutschen Kultur« sowie das Auftreten von »Negern und Negermischlingen«, die Verwendung von »Musik, soweit sie von Juden oder Negern stammt oder diese nachahmt« sowie von »artfremden Kostümen« wurden verboten. Zirkusdarbietungen sollten nationalsozialistischen Idealen entsprechen. Das führte zu einer Vereinheitlichung der Darbietungen und einem Absinken des künstlerischen Niveaus. Zusätzlich verstärkt wurde das dadurch, dass viele Artisten und Artistinnen aus Angst vor dem NS-Regime von Auslandsgastspielen nicht nach Deutschland zurückzukehrten.

Insbesondere die marktführenden Zirkusunternehmen, wie Sarrasani, Krone oder Hagenbeck, die sich kooperationsbereit mit den Nazis zeigten und z.T. schon vor 1933 ihr Entgegenkommen bewiesen hatten, bekamen finanzielle Hilfen durch die Reichsregierung. Sie erhielten leichter Gastspielgenehmigungen und bekamen Steuervergünstigungen. Ranghohe Parteimitglieder statteten ihnen repräsentative Besuche ab und ihre Auslandsgastspiele in Südamerika und Asien wurden gefördert, um mithilfe der Massenwirksamkeit des Zirkus die faschistische Ideologie in die Welt zu tragen.

Bekanntestes Opfer der Verfolgung wurde der Zirkus Strassburger. Er war das größte deutsche Zirkusunternehmen, das einer jüdischen Familie gehörte. Sie wurde 1935 gezwungen, ihren Zirkus zu einem Spottpreis an die Berliner Zirkusdirektorin Paula Busch zu verkaufen, da Boykottaufrufe und judenfeindliche Demonstrationen durch SA und Hitlerjugend in den Städten ihrer Gastspiele ihre Existenz gefährdeten.

Um die konkreten Auswirkungen der nationalsozialistischen Einflussnahme zu verdeutlichen, widmet sich ein großer Teil der Ausstellung dem Leben der jüdischen Artistin Irene Bento. Sie und ihre Familie lebten versteckt beim Zirkus Althoff und konnten sich so vor der Verfolgung retten. Ihre Geschichte wird im Rahmenprogramm der Ausstellung auch in Form einer artistischen szenischen Lesung erzählt.

Das Thema Zirkus im Nationalsozialismus braucht auch deshalb eine größere öffentliche Aufmerksamkeit, weil der Zirkus und seine Künstler und Künstlerinnen als »fahrendes Volk« immer wieder ins gesellschaftliche Abseits gedrängt wurden und Zirkus in Deutschland noch keine, wie Tanz oder Theater, anerkannte und geförderte Kunstform ist. Auch aus diesem Grund hat eine Aufarbeitung seiner NS-Geschichte bisher nicht stattgefunden.

Die Ausstellung CIRCUS.FREIHEIT.GLEICHSCHALTUNG soll einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Thema Zirkus im Nationalsozialismus leisten. Als Wanderausstellung kann sie an verschiedensten Orten unterschiedliche Menschen erreichen.