Bei den Hasspartys

geschrieben von Janka Kluge

5. September 2013

Ein Undercover-Bericht aus der militanten Nazimusikszene

Mai-Juni 2013

Thomas Kuban: »Blut muss fließen – Undercover unter Nazis« Campus Verlag 2012

Die Organisation Blood & Honour ist in den achtziger Jahren von Ian Stewart, dem Sänger der englischen Band »Skrewdriver«, gegründet worden. Ihr Name entstammt dem Leitspruch der Hitlerjugend »Blut und Ehre«. Ursprünglich war der Zusammenschluss von englischen Nazibands gegründet worden, um sich gegenseitig zu unterstützen. Mit Combat 18, die 18 steht für Adolf Hitler, entwickelte sich ein Teil von Blood & Honour zu einer terroristischen Organisation.

Der Journalist Thomas Kuban, der alle seine Recherchen unter Pseudonym veröffentlicht, hat sich über Jahre fast jedes Wochenende in Versammlungen und Konzerte von Nazis eingeschlichen. Über seine Erlebnisse hat er kurz hintereinander einen Film und nun dieses Buch veröffentlicht. Sein Titel ist ein Zitat aus einem Kampflied der NSDAP, das nach seiner Beobachtung auch heute besonders gern auf Konzerten gesungen wird. Über seine Recherchen schreibt er im Vorwort: »Dieses berufliche Großprojekt hat mich in neun europäische Länder geführt. (…) Mein Schwerpunkt war die konspirativ organisierte Rechtsrockszene.« Nachdem Aufnahmen von einem konspirativ organisierten Konzert vom 4. Oktober 2003 bei Spiegel TV veröffentlicht wurden, haben die Ordner der Nazis gezielt nach ihm gesucht. Doch Kuban hat trotz der Gefahr entdeckt zu werden, immer weiter an Konzerten teilgenommen. »Mode und Melodien haben geholfen, für ein paar Stunden lang wie ein anderer Mensch zu werden – Zeitabschnitte, in denen es mir gelang, mich wie ein Nazi zu verhalten. Dazu gehörten ausländerfeindliche und staatskritische Äußerungen im Smalltalk, ein meist mürrischer Gesichtsausdruck und die Begeisterung, wenn die Hassparty tobte- aber nie ein Hitlergruß.«

Immer wieder traf er dabei die Band »Race War« (Rassenkrieg), die häufig als Überraschungsgast auftrat. »Race War« sieht sich selbst in der Nachfolge von »Landser«, die 2005 als erste Band in Deutschland in letzter Instanz als kriminelle Vereinigung verboten wurde. Der Sänger von Landser, Michael Regener, tritt bis heute als gefeierter Star der Naziszene bei Konzerten und Veranstaltungen der NPD auf. Die aus Schwäbisch Gmünd stammenden Musiker von »Race War« bekennen sich offen zum Nationalsozialismus. 2005 wurden auch sie als kriminelle Vereinigung verboten. Sie waren Teil der Blood & Honour Struktur in Süddeutschland. In Deutschland wurde Blood & Honour im Jahr 2000 verboten. Da sich mit Musik aber richtig Geld verdienen lässt, hat sich ein guter Teil der Struktur gehalten. Mitglieder aus dieser Szene tauchen auch immer wieder als Unterstützer des NSU auf.

Es verwundert nach der Lektüre von »Blut muss fliessen« nicht, dass die Gegend zwischen Schwäbisch Hall und Schwäbisch Gmünd eine Zeitlang eine Hochburg des Ku Klux Klans in Deutschland war. Kuban schreibt über eine Einladung von »Race War« zum Nordic-Fest in die USA. Eingeladen wurden sie vom Ku Klux Klan und der amerikanischen Sektion von Blood & Honour. Bis vor kurzem ist die Band unter dem Namen »Heiliger Krieg« immer wieder im Ausland aufgetreten.

Neben den Konzerten besuchte Kuban auch Veranstaltungen und Kundgebungen der NPD, bei denen Nazi-Bands auftraten. Man kann das auch so sagen: Nachdem die Polizei immer wieder Konzerte aufgelöst hatte, ist die NPD eingesprungen und hat durch ihren Status als legale Partei den Bands einen Rahmen geboten, in dem sie auftreten konnten. »Die NPD nutzt ihren Parteienstatus, um öffentliche Großveranstaltungen anzumelden, die keine Freie Kameradschaft genehmigt bekäme. Sie schreckt nicht einmal zurück, als Tarnorganisation für das verbotene B&H-Netzwerk zu agieren (…).« berichtet Kuban. Unter dem Motto »Pogo für Deutschland – Wir lassen uns das Tanzen und Singen nicht verbieten« hat die Jugendorganisation der NPD mehrfach zu Veranstaltungen eingeladen. Diese Konzerte fanden hauptsächlich in den neuen Bundesländern statt. Hier konnten die Nazis von NPD und Kameradschaften in den letzten Jahren Strukturen aufbauen, mit denen sie zum Teil ganze Landkreise und Kommunen dominierten.

In den alten Bundesländern sind sie davon noch weit entfernt. Aber auch hier funktioniert die Mischung von Musik und Kundgebung. Die bayrische NPD versuchte ab 2001 aus der Kleinstadt Senden eine nationale Hochburg zu machen. Immer wieder veranstaltete die Partei an der Grenze zu Baden-Württemberg Veranstaltungen in städtischen Räumen, die ihnen auch großzügig zur Verfügung gestellt wurden. Am 31. Januar 2004 besuchte Kuban eine solche Veranstaltung. Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt lobte Stefan Winkler von der örtlichen NPD dafür, »dass er dazu beigetragen, dass sich die NPD hier in Senden festgebissen hat.« Weiter sagte Voigt: »Ich hoffe, dass von Senden eine neue Bewegung über Schwaben und über Bayern ziehen wird, damit den Deutschen klar wird, dass nicht nur in Mitteldeutschland Nationalisten stehen, sondern in Gesamtdeutschland.«

Dank Kubans Mittschnitt von der Veranstaltung, den Report Mainz ausgestrahlt hat, ist die antifaschistische Öffentlichkeit auf Senden aufmerksam geworden und hat durch Proteste die Strategie der Nazis durchkreuzen können.

Das Buch »Blut muss fliessen« ist kein Sachbuch über Rechts-Rock im herkömmlichen Sinn. Hier berichtet ein Journalist über sein Abtauchen in der Szene – er erzählt von innen. Diese Innenansicht ist manchmal unerträglich nachzulesen – genauso wie die Existenz dieser Faschisten unerträglich ist.