Bremsversuche statt Taten

geschrieben von P.C. Walther

5. September 2013

Auf dem Wege zum NPD-Verbot: Abschalten der V-Leute nur halbherzig

Mai-Juni 2012

Korrektur: Die Einschränkung des Freibriefs

Durch eine aus Platzgründen notwendige, versehentlich jedoch falsche Kürzung im Artikel »Freibrief für Nazipropaganda« (S.12 der vorigen Ausgabe der antifa) blieb die kommentierte »Einschränkung des Freibriefs« unerwähnt. Sie lautete, dass »die propagandistische Affirmation (Bejahung – d.Verf.) der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft« ebenso wie »unwahre Tatsachenbehauptungen« nicht unter die Meinungsfreiheit fallen. – Dennoch wertete das Gericht in seiner Entscheidung (1 BvR 461/08) die Leugnung der Kriegsschuld der Nazis und in diesem Zusammenhang sogar die Leugnung des Holocaust als unter die Meinungsfreiheit fallend.

Als die Innenminister der Länder und des Bundes sich endlich darauf einigten, die als V-Leute tätigen und bezahlten Neonazis zumindest auf der Führungsebene der NPD »abzuschalten«, das heißt deren Beschäftigung zu beenden, wurde damit eine wichtige Forderung zur Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens wenigstens teilweise erfüllt.

Das kann allerdings nur ein erster Schritt sein. Es bleibt die Forderung, die Beschäftigung aller als V-Leute tätigen Neonazis einzustellen. Nur so kann der Skandal beendet werden, dass Neonazis als V-Leute und damit als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes tätig sind und der Verfassungsschutz so zum Mittäter wird. Das Gravierendste am V-Leute-Skandal ist, dass mit der Besoldung von Neonazis der Staat zum Mitfinanzierer neonazistischer Aktivitäten und Umtriebe wird.

Das Argument, der Verfassungsschutz müsse wenigstens unterhalb der NPD-Führungsebene noch V-Leute beschäftigen, damit er Informationen bekomme, kann niemand ernstnehmen, nachdem die neonazistische Terrorgruppe NSU trotz ihrer Herkunft aus der von V-Leuten des Verfassungsschutzes aufgebauten und geführten Neonaziorganisationen »Thüringer Heimatschutz« und trotz fortwährender Kontakte in die NPD und die Neonaziszene hinein und dabei auch zu V-Leuten, jahrelang unbehelligt agieren und morden konnte. Entweder gab es also keine oder nur falsche Informationen, oder die Quellen haben stattdessen sogar das Unterstützen und Abschirmen der Terrorgruppe betrieben und dabei den VS zum Mittäter gemacht.

Für das Verbot der NPD bedarf es keiner dubiosen Informationen von V-Leuten, die nicht gerichtsverwertbar sind und stattdessen sogar einen Verbotsprozess verhindern. Es genügen vollauf die Fakten und Materialien aus den offenen Quellen der NPD, aus ihren Verlautbarungen, dem Auftreten und Handeln ihrer Funktionäre, nicht zuletzt belegt durch deren zahlreiche Straftaten. Es ist an der Zeit, damit aufzuhören, das V-Leute-Unwesen noch in irgendeiner Form verteidigen zu wollen.

Die Innenminister teilten außerdem mit, dass nunmehr damit begonnen werde, Material für den Verbotsantrag zu sammeln und auszuwerten. Ein lobenswertes Unterfangen. Diese Ankündigung besagt aber auch, dass bislang offenbar darauf verzichtet wurde, derartiges Material zu sammeln. Das bestätigt erneut, dass die zuständigen Behörden nicht nur auf dem rechten Auge blind, sondern gegenüber rechts auch weitgehend untätig waren.

Wir dürfen deshalb nicht nachlassen, weiterhin mit Nachdruck das Verbot der NPD und aller neo-faschistischen Organisationen und Umtriebe zu fordern – und zwar im Bündnis mit allen, die das ebenfalls wollen. Denn trotz der Ankündigungen auch von Teilen der Regierung und aus den Regierungsparteien, dass ein Verbot der NPD gewollt werde, erfolgen schon wieder Brems- und Rücknahmeversuche.

Generalbundesanwalt Range verkündete, der NPD sei eine direkte Verbindung zu den Mördern nicht nachzuweisen. Bundesinnenminister Friedrich erklärte sogar, es sei nicht haltbar die These, dass die Politik der NPD zu den Morden geführt habe.

Das ist nun ganz und gar nicht mehr nachvollziehbar – wenn nicht in der Konsequenz gar ein Versuch zur Reinwaschung der NPD. Denn was sonst anderes als die hetzerische Politik und Polemik der NPD hat neonazistische und rassistische Gewalt hervorgebracht und gefördert – und tut dies nach wie vor. Wenn Minister Friedrich gerade das in Abrede stellt, muss man an seinen Fähigkeiten oder an seinem Willen zweifeln, die NPD und den Neofaschismus wirksam bekämpfen zu wollen.

Dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, wird von keiner Seite mehr bestritten. Auch die Notwendigkeit eines Verbots wird von der Mehrheit nicht mehr in Abrede gestellt. Dennoch werden immer wieder Bedenken geäußert, Zweifel gesät und Einwände erhoben, so dass der Eindruck genährt wird, man meine es doch nicht so ernst, man habe nur das Entsetzen über den mörderischen Naziterror und darüber, dass dieser unerkannt und unbehindert blieb, mit kräftigen Worten besänftigen wollen.

Besonders wirksam als Einwand soll wohl das Argument sein, der Europäische Gerichtshof könne ein Verbot der NPD annullieren, weil er andere Maßstäbe anlege. Abgesehen davon, dass das nur eine Annahme ist, entbindet eine solche Spekulation unsere Verfassungsorgane nicht von der Verpflichtung, gegen eine neofaschistische Partei vorzugehen und das verfassungsmäßige Faschismusverbot durchzusetzen. Abgesehen davon ist es kaum vorstellbar, dass der Europäische Gerichtshof einer neofaschistischen Partei ausgerechnet in dem Land, von dem der barbarische Naziterror über ganz Europa ausging, zu einem verfassungswidrigen Existenzrecht verhelfen würde. Das NPD-Verbot ist und bleibt notwendig – und machbar.