Der Sumpf und die NPD

geschrieben von Das Gespräch führte Markus Bernhardt

5. September 2013

Gespräch mit Klaus Bartl über sächsische Zustände

Sept.-Okt. 2007

Klaus Bartl ist rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, der sich mit den Aktivitäten krimineller Netzwerke in Sachsen befasst.

“ Hochrangige Politiker aus fast allen Parteien und Bedienstete aus Justiz und Polizei sollen in kriminelle Netzwerke verstrickt sein, die in Sachsen seit Jahren ihr Unwesen treiben. Die Vorwürfe reichen von dubiosen Immobiliengeschäften, über Kindesmissbrauch und Geheimnisverrat bis hin zu Mordanschlägen. Gelingt es der NPD-Landtagsfraktion, aus den mafiösen Strukturen politisches Kapital zu schlagen?

Tatsächlich hat sich die nunmehr noch acht Mitglieder zählende NPD-Fraktion von Beginn an, da diese skandalöse Affäre maßgeblich auch durch unser Zutun öffentlich wurde, auf das Thema draufgesetzt und gleich versucht, es dadurch für sich zu vereinnahmen.

“ Sie haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Neofaschisten offenbar gezielt mit Informationen aus dem sächsischen Landeskriminalamt (LKA) versorgt werden. Welche genauen Erkenntnisse besitzen Sie diesbezüglich?

Uns fiel seit längerem auf, dass speziell der sächsische Landesvorsitzende der NPD, Winfried Petzold, jetzt im Landtag Vertreter seiner Fraktion im Verfassungs- und Rechtsausschuss, in einer Vielzahl von so genannten Kleinen Anfragen an die Staatsregierung Detailwissen zu bestimmten Ermittlungszusammenhängen im Umfeld der vom Landesamt zusammengetragenen Kriminalfälle und sonstigen Skandale einreichte, die um Längen über seinen Sachverstand betreffs dieser Materie hinausgingen.

Auffällig war, dass Winfried Petzold, nach eigenen Angaben zur Biografie im Landtagshandbuch gelernter Aufzugsschlosser und zuletzt selbstständiger Gastronom, Inhaber eines Eiscafes und Geschäftsführer eines Restaurants, mit präzisen Verfahrensbezeichnungen, Aktenzeichen und selbst mit Zitaten aus Korrespondenz zwischen Polizei und Justiz, die nur aus deren Innenbereich kommen konnten, operierte.

Petzold legte mit dem Inhalt seiner Fragen ungewollt derart präzise Spuren offenkundig hin zum LKA, dass die Staatsregierung auf eine entsprechende qua Pressemitteilung meinerseits erhobene Forderung offen zu legen, ob und welche Beamte des Landeskriminalamtes mit der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag zusammenarbeiten, über den Pressesprecher des Innenministeriums erklären ließ, dass man entsprechende Untersuchungen eingeleitet habe.

Näheres, was diese erbracht haben, ist bislang nicht verlautbart. Da bleiben wir aber mit Gewissheit dran.

“ Der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen W. Gansel wurde mit insgesamt 26 Stimmen in den Untersuchungsausschuss gewählt. Wie konnte das passieren?

Der Parlamentarismus hat bekanntlich etliche Ecken und Kanten. Es gibt auch Spielregeln, die zu ignorieren letztlich nur Schaden bringt. Dazu gehört, dass die 20 Sitze im 2. Untersuchungsausschuss von den Fraktionen nach dem Verhältnis ihrer Stärke zu besetzen sind. Der NPD-Fraktion steht definitiv ein Mitglieds- und ein Stellvertretersitz im 2. Untersuchungsausschuss zu. Wäre Jürgen Gansel nicht als Mitglied gewählt worden, wäre der Untersuchungsausschuss nicht arbeitsfähig gewesen und die Staatsregierung und die Regierungskoalition, speziell die CDU, die den Ausschuss fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser und bekämpft wie Teufelswerk, hätten in die Hände geklatscht. Bei derartigen Konstellationen reagiert man üblicherweise mit Stimmenthaltung. »Normal« wäre dann allerdings, dass der von der NPD nominierte Vertreter im Untersuchungsausschuss mit den acht Stimmen der NPD gewählt worden wäre. Dass Jürgen Gansel in geheimer Wahl, von wo auch immer 18 »Leihstimmen« bekam, ist natürlich spektakulär.

“ Die Neonazis liegen in Umfragen gleichauf mit der sächsischen SPD. Würde aktuell eine Landtagswahl stattfinden, kämen sie auf acht Prozent der Stimmen. Befürchten Sie nicht, dass die NPD bei der nächsten Wahl mit einem zweistelligen Ergebnis in den Landtag einzieht?

Daran trägt die SPD – zumindest zu Teilen – eine Mitschuld. Zum einen wegen der Politik, die sie als Koalitionspartner der CDU/CSU im Bund und der CDU im Land vertritt und die sich von Jahr zu Jahr weiter von der Interessenvertretung der sozial benachteiligten Schichten der Bevölkerung weg und hin zur Ergebenheit für alle Gelüste des Neoliberalismus entwickelt hat. Zum anderen auch deshalb, weil es die SPD mehr als nur zulässt, dass gerade in Sachsen schon qua Verfassungspräambel »nationalsozialistische und kommunistische Gewaltherrschaft« gleichgesetzt wird, im praktischen Leben sogar die Verfolgung von Menschen wegen ihres besonderen Engagements in Strukturen der DDR wesentlich konsequenter vorgenommen wird als die Verfolgung neofaschistischer Bestrebungen.

Wer auf diese Weise die Singularität des Faschismus und die Gefährlichkeit des Neofaschismus relativiert, braucht sich nicht zu wundern, dass er bei acht Prozent steht und auch nicht, dass die NPD bei acht Prozent steht.