Durchbruch abgewehrt

geschrieben von Martin Schirdewan

5. September 2013

Die Wahlergebnisse der Rechten in Griechenland und Frankreich

Sept.-Okt. 2012

Die Auswirkungen der Krise haben die griechische Gesellschaft tief gespalten. So viel lässt sich ohne Übertreibung festhalten. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Folgen entwickelte sich der sich über Monate hinziehende und zuspitzende Machtkampf zwischen den Konservativen und ihnen nahe stehenden Parteien, die für die Fortsetzung des bisherigen Kurses gegenüber der EU und der eigenen Gesellschaft stehen, und den radikalen Linken der Syriza, die mit ihrem Kurs der Ablehnung der Sozialkürzungen einen nahezu unglaublich anmutenden Aufschwung genommen haben. Das Ergebnis ist bekannt. Es gab einen knappen Punktsieg für die Konservativen.

Fackelmärsche, Hetzjagden auf Migranten, das Schaffen griechischer nationalbefreiter Zonen, das Verprügeln von Kommunistinnen. Schlagzeilen dieser Art bestimmten das öffentliche Bild der »Goldenen Morgenröte« – wie sich die neofaschistische Partei Griechenlands selbst nennt – vor den Neuwahlen des griechischen Parlaments im Juni. In dieses zog die Partei mit knapp sieben Prozent der Stimmen (6,92 %) ein, erhielt 18 Sitze und bestätigte damit ihr Ergebnis der Maiwahlen. Eine weitere rechte Partei – die »Unabhängigen Griechen« – erzielte sogar ein noch besseres Resultat und erhielt mit gewonnenen 7,51 Prozent der Stimmen 20 Sitze. 38 Sitze für die extreme Rechte in Griechenland. Angesichts der desaströsen Lage, in der sich das Land befindet, muss gesagt werden, dass es nur 38 Sitze sind. Denn die rechtsextreme Partei LAOS, durch deren Austritt aus der Koalition zunächst die Maiwahlen notwendig wurden, scheiterte sowohl im Mai als auch bei den Juniwahlen an der in Griechenland geltenden Drei-Prozent-Hürde. Das taktische Kalkül ihrer Politiker, durch den Austritt und die damit verbundene Aufkündigung des weiteren Mittragens der so genannten Sparpolitik hat die Partei in der Bedeutungslosigkeit verschwinden lassen.

Die tiefe Spaltung der griechischen Gesellschaft manifestierte sich in der Wahlentscheidung und den von den um die Macht kämpfenden Parteien angebotenen Alternativen des »Ja-weiter-so« und des »Nein-so-nicht-weiter.« Diese Zuspitzung hatte paradoxerweise auch ihr Gutes. Denn die Griechen erkannten den Ausweg aus der Krise ihrer Gesellschaft nicht in dumpfer ausländerfeindlicher Agitation, sondern wandten sich den demokratischen politischen Kräften zu, die ihnen verschiedene Auswege aus der Krise zeigten. Dass diesmal nur wenige Wählerinnen und Wähler zwar in hoher, doch begrenzt hoher Zahl den Parolen der Rechtsextremen vertrauten, kann als Erfolg gewertet werden. Hoffen wir, dass es auch bei den nächsten Wahlen in Griechenland so sein wird. Denn die Spaltung der griechischen Gesellschaft dürfte bis dahin noch lange nicht überwunden worden sein.

Was im Mutterland der Demokratie noch halbwegs gelang, nämlich den politischen Einfluss der extremen Rechten zu beschränken, kann in Frankreich bei bloßer Betrachtung der jüngsten Wahlergebnisse zunächst auch attestiert werden. Der Front National schied mit seiner Frontfrau Marine Le Pen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zwar mit 20 Prozent sehr stark ab, für einen überzeugenden Erfolg bei den Wahlen zur Nationalversammlung reichte der Rückenwind auch dank des majoritären Wahlmodus jedoch nicht aus.

Dort, wo sich in der zweiten Runde aussichtsreiche Kandidatinnen und Kandidaten der Rechtsextremen zur Wahl stellten, bildeten sich häufig Gegenkoalitionen, die einen gemeinsamen Kandidaten unterstützten, um den Einzug der Rechten in die französische Nationalversammlung zu verhindern. So sitzen derzeit nur zwei Abgeordnete des Front National auf Parlamentssitzen.

Die Ausgangslage in Frankreich war sicherlich eine gänzlich andere als in Griechenland. Das Land ist von der Krise vergleichsweise schwach betroffen. Die Unzufriedenheit richtete sich vor allem gegen die Person des bis dato amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy und dessen Eskapaden. Der Zweikampf der beiden aussichtsreichen Kandidaten um das Präsidentenamt, Nicolas Sarkozy und Francois Hollande, bestimmte weitestgehend die politische Auseinandersetzung. Natürlich wurde mit Interesse das Erstarken der radikalen Linken, des Front de Gauche sowie das Ergebnis des Front National erwartet.

Das eigentliche politische Problem entstand erst durch die vorhersehbare Konstellation in der Phase zwischen erster Runde der Präsidentschaftswahl und der zwei Wochen darauf stattfindenden Stichwahl. Sarkozy warb aktiv um die Wählerinnen und Wähler des Front National. Darin sah er seine Chance, seine Abwahl durch Hollande doch noch verhindern zu können. Um die Sympathisanten des Front National für sich zu gewinnen, verschärfte er etwa seine Rhetorik gegen Migrantinnen und Migranten und übernahm xenophobe Positionen des Front National. Somit öffnete er die politische Mitte für eine aktive rechte Politik. Und hier liegt der eklatante Unterschied zum griechischen Wahlergebnis. Dort ließen die Wählerinnen und Wähler, vor allem aber die um die Macht streitenden Politiker die Rechten und ihre Parolen weitestgehend im Abseits stehen. In Frankreich wurde die Rechte durch Sarkozys Agieren zumindest für einen kurzen historischen Moment salonfähig. Auch deshalb, die persönliche Bemerkung sei abschließend erlaubt, ist die Niederlage Sarkozys ein gutes Ergebnis für Frankreich und für Europa.