Durchkreuzen wir die Pläne

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Die NPD hat sich für 2011 strategisch viel vorgenommen

Jan.-Feb. 2011

Erardo Rautenberg, der im Kampf gegen Rechts durchaus verdienstvolle Generalstaatsanwalt Brandenburgs, sprach sich im Vorfeld der Dresden-Demonstrationen gegen »zivilen Ungehorsam« aus: »Auch Rechtsextreme müssten prinzipiell demonstrieren können« (Tagesspiegel, 20.12.2010).

Er übersieht dabei, dass Neofaschisten in Wirklichkeit überhaupt nicht demonstrieren, sondern »aufmarschieren«. Es geht ihnen nicht oder nur nachrangig darum, für einen spezifischen Inhalt einzutreten, sie wollen vielmehr das politische System Deutschlands, die ihm zugrunde liegenden Wertesysteme und jede Option auf ein Mehr an Demokratie jeweils mit in Frage stellen und zwar egal, wo, wann und unter welcher Überschrift. Der 13. Februar in Dresden wird organisiert als eine »show of force«, eine Drohgebärde, das Zeigen der Instrumente. NPD und Verbündete bringen damit dem eigenen Anhang und allen anderen gegenüber zum Ausdruck, dass sie keine Partei wie andere sein wollen. Dass nicht jeder Aufmarsch gelingt, ist aus ihrer Sicht verkraftbar, solange sie weiterhin Zeit, Ort und Bedingung der Auseinandersetzungen bestimmen, mit anderen Worten, sie in der Offensive sind.

Diese Option auf gewaltsame Machtübernahme, die mit jedem Aufmarsch offen angedroht wird, ist zwar wichtig, bringt ihnen aber kein Geld, keine konkreten Machtmittel ein. Diese für ihren als »politischen Krieg« begriffenen Kampf unbedingt notwendigen Mittel erhalten sie vorrangig und mit steigender Tendenz über die Ausbeutung der politischen Strukturen, über erfolgreiche Wahlbeteiligungen. Der wieder abgeflaute Impuls, diesem durch ein NPD-Verbot nachhaltig einen Riegel vorzuschieben, kontrastiert mit der tatsächlichen Ausgangslage der NPD zu Anfang eines wichtigen Wahljahres.

Diese ist nämlich besser als die zahlreichen »die-sind-doch-erledigt-Rufe« des vergangenen Jahres weismachen wollten. Die Fusion von DVU und NPD, die in Wirklichkeit eine Kapitulation der DVU ist, wird aller Voraussicht nach vollzogen werden. Aus Sicht der NPD sind der zu erwartende Mitgliederzuwachs, die Übernahme des DVU-Vermögens und ihrer Ansprüche aus der Parteienfinanzierung sicher erfreulich. Aber selbst wenn daraus dann doch nichts werden sollte, ist das Entscheidende die Flurbereinigung, die sich bereits bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Bremen auswirken wird. Während die verbliebene Konkurrenz aus REP und »Pro-Bewegung« stagniert und eine »Sarrazin-Partei« nur als Wunschgebilde existiert, arbeitet die NPD ihren Plan ab. Der besteht in folgendem: 1. Aufbau professioneller Strukturen, insbesondere durch Landtagsfraktionen als Machtzentren; 2. zeitliche und örtliche Schwerpunktbildung bei Wahlauftritten; 3. Instrumentalisierung vorhandener Themen und Strömungen, Diffamierung der Gegner als »Politnutten«, »Demokröten« usw.; 4. Aufbau von »Volksnähe«, Herabsetzen der Hemmschwelle (»man darf NPD wählen«); 5. das Offenhalten der gewalttätigen Option durch entsprechende Kooperationen und Auftritte.

Es ist offensichtlich, was die NPD 2011 erreichen will. In der öffentlichen und bundesweiten Wahrnehmung sind die Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenbrg-Vorpommern noch zeitliche und örtliche Ausnahmen. Der Wiedereinzug in den sächsischen Landtag 2009 hat dies bereits verändert. Um eine »Normalisierung« herbeizuführen, geht es ihnen nun darum, unbedingt in einen dritten Landtag einzuziehen. Deshalb wird sie bis März alles für Sachsen-Anhalt aufbieten und danach ihre Kräfte auf die Septemberwahl in MV richten. Der seit Monaten vorbereitete Wahlkampf in Sachsen-Anhalt steht exemplarisch für das Vorgehen der NPD. Die Führungsriege in Sachsen-Anhalt um den Spitzenkandidaten Matthias Heyder, bürgerlich im Auftreten, besteht überwiegend aus jüngeren Neonazi-Kadern, unterstützt durch den Wahlkampforganisator Holger Apfel. »Volksnähe« konstruiert man mit der Bürgermeisterschaftskandidatur eines wegen Neonazismus geschassten Fußballtrainers (Lutz Battke erzielte in Laucha 24%), die SPD provoziert man, indem man einen übergelaufenen Dorfbürgermeister als Landtagskandidaten aufstellt (Hans Püschel aus Krauschwitz). Wahlkampfspots ohne Trommeln und Fanfaren, dafür mit einem leutseligen Spitzenkandidaten, der die »soziale Heimatpartei« preist sind längst online. »Völlig normal: Rechte Ansichten auf dem Vormarsch« heißt es in der Wahlkampfzeitung, um die Hemmschwelle NPD zu wählen abzusenken.

Besonders originell ist das alles nicht, aber es könnte funktionieren, zumindest ein finanziell lohnendes Ergebnis deutlich über 1% ist wahrscheinlich. Noch fehlt es an bundesweit vorzeigbaren Führungsfiguren, ihre Mittel sind immer noch recht begrenzt, die Hemmschwellen hoch. Aber soll man warten bis sich dies ändert, bis sich das strategische Fenster für ein NPD-Verbot schließt?

Man kann wissen, was in diesem Jahr zu erwarten ist. Wir müssen also systematisch und an vielen Orten gemeinsam daran gehen, ihre Pläne zu durchkreuzen.