Gegen Hitler und Henlein

geschrieben von Ulrich Schneider

5. September 2013

Lorenz Knorr aus dem ehemaligen Eger erinnert sich

Mai-Juni 2008

Lorenz Knorr:
Gegen Hitler und Henlein. Antifaschistischer Widerstand unter den Sudenten und in der Wehrmacht, PapyRossa Verlag, 311 S. Köln 2008, ISBN 978-3-89438-390-9, 18 Euro

Es ist ein lange vergessener Teil des antifaschistischen Kampfes der Völker: Der Widerstand der Deutschen in der Tschechoslowakei, die nicht der faschistischen Propaganda der Sudetendeutschen Partei der Henlein-Faschisten folgten. Es waren Kommunisten und Sozialdemokraten, die nicht »Heim ins Reich« wollten. Einer von ihnen war Lorenz Knorr, Funktionär der sozialistischen Jugend in Eger (heute Cheb). Rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse erschien im PapyRossa Verlag eine Sammlung von Beiträgen von Lorenz Knorr aus den Jahren vor 1938 und nach dem Krieg, in denen er sich engagiert und analytisch mit der Geschichte des antifaschistischen Kampfes auseinandersetzt.

Es handelt sich nicht um eine geschlossene Darstellung zur Geschichte, sondern um eine Sammlung von historischen Aufzeichnungen, Episoden, Gedankensplittern und Analysen. Sie behandeln die vielfältigen Facetten des Antifaschismus in der ČSR, des Widerstandes im Krieg oder des Umgangs mit Geschichte und geben damit dem Band den Charakter eines Lesebuchs aus antifaschistischer Perspektive.

Der erste Teil beinhaltet Texte aus der Zeit bis 1945. Einen besonderen Reiz machen dabei protokollartige Aufzeichnungen von Veranstaltungen

und Streitgesprächen aus den 30er-Jahren aus, in denen die Widersprüchlichkeit der Situation, die Illusionen über die Zukunft im faschistischen Deutschland bei Teilen der Sudeten und die Problematik aktiven Widerstandes unter den Bedingungen der faschistischen Herrschaft und in der Wehrmacht erkennbar werden. Diese Texte, die als Transkripte in Verstecken den Krieg überstanden haben, sind von hoher Anschaulichkeit und verdeutlichen exemplarisch die Problematik der Entwicklung einer antifaschistischen Position.

Auf gut 100 Seiten zeichnet Lorenz Knorr außerdem in Episoden und Berichten verschiedene Formen antifaschistischen Wirkens in der Wehrmacht nach. Hier wird deutlich: Widerstand in der Wehrmacht war nicht nur mit dem 20. Juli 1944 verbunden. Lorenz Knorr selbst wurde wie andere Nazigegner aus der Arbeiterbewegung wegen »Wehrkraftzersetzung« angeklagt und in eine Strafkompanie verbannt.

Im zweiten Teil richtet Lorenz Knorr in vier Texten seinen analytischen Blick auf die Geschichte und die Folgen der Zerschlagung des deutschen Faschismus. Hier beschäftigt er sich aus heutiger Perspektive mit dem Verhalten der Deutschen in der ČSR vor und nach 1938, mit Fragen des Geschichtsrevisionismus der Revanchistenverbände, aber auch mit der Umsiedlungsproblematik nach 1945. Denn es gehört zu den Widersprüchen der Geschichte, dass Lorenz Knorr mit seiner Familie nach 1945 als Antifaschist ebenfalls nach Deutschland umgesiedelt wurde.

Eine späte Wiedergutmachung erfuhr er kürzlich durch ein Forschungsprojekt der tschechischen Regierung, das in den vergangenen Jahren die Berichte deutscher Antifaschisten aus den Jahren bis 1938 und nach dem Anschluss sammelte und in Tschechien publizierte. Lorenz Knorrs Erinnerungsbericht wurde anschließend in einer Sendung von Radio Prag ausführlich wiedergegeben.